Mühlacker darf sich, was die Aufführung hochkarätiger Klassik-Konzerte und Operninszenierungen betrifft, einer großen Vergangenheit rühmen. Das hängt mit dem kunstsinnigen Fabrikanten und Sponsor Alfred Emrich zusammen, der sich 1921, mitten in Not und Elend der Nachkriegsjahre des 1. Weltkriegs, erfolgreich für die Errichtung einer Kulturhalle einsetzte.
In diesem „Uhlandbau“ mit Bühne, Schnürboden und versenkbarem Orchestergraben sorgte in den 20er-Jahren der legendäre Generalmusikdirektor Fritz Busch für regelmäßige Gastspiele seiner Stuttgarter Oper und in Zusammenarbeit mit dem Rundfunk für Konzertabende auf höchstem Niveau (mit dem Geiger Adolf Busch oder den Pianisten Rudolf Serkin und Walter Gieseking).
Dass nun die Senderstadt aus Anlass ihres 75. Stadtjubiläums an die „Uhlandbau-Zeit“ anknüpft, ist lobenswert. Und dass Peter Wallingers „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ mit einem Konzertprogramm, wie es traditionsbewusster kaum hätte sein können, im Uhlandbau den Auftakt machte, zeigt zudem, dass sich die in der Region „gewachsenen“ künstlerisch-kreativen Kräfte auch heute keinesfalls zu verstecken brauchen. Zumal wenn man eine Ausnahmekünstlerin wie die Sachsenheimer Geigerin Ursula Schoch präsentieren kann.
Die beim Jubiläumskonzert einleitend gebotene „Symphonie Classique“ in D-Dur, op. 25, von Sergej Prokofjew erfreute im ersten Satz (Allegro) mit fein herausgearbeiteten spielerischen Effekten, etwa im wunderschön verzierten Dialog zwischen ersten Geigen und Fagott, aber auch in klangmächtigen Tuttipassagen. Die Sensibilität der Interpreten zeigte sich in den hingetupften Pizzicati des folgenden „Larghetto“, ihr außerordentliches Gespür für musikantische Tänze, für Tempoverzögerungen und dynamische Kontraste in der kurzen „Gavotta“. Im kraftvoll vorgetragenen Finalsatz bündelten Wallinger und sein Orchester alle diese bunten Farbakzente.
Mit geigerischem Glanz fügte sich Ursula Schoch, die Konzertmeisterin des Amsterdamer Concertgebouw-Orchesters, in den Musikabend ein. Ihr Solopart im Violinkonzert e-Moll, op. 64, von Felix Mendelssohn Bartholdy glich einem bravourösen Meisterstück, das mit unerhörter Professionalität geboten wurde. Natürlich war die Violinistin auf der Uhlandbau-Bühne in ihrem schulterfreien, weit dekolletierten schwarzen Abendkleid eine Augenweide.
Der musikalische Charme, mit dem die Künstlerin die Melodienseligkeit des singulären Konzertes entfaltete, übertraf alles. Wie sie sich im ersten Satz gegenüber dem manchmal etwas lärmenden Orchester behauptete, romantische Verträumtheit zelebrierte und die großartige Kadenz absolvierte; wie sie die schwärmerische Gefühligkeit des Mittelsatzes in klare Konturen fasste; wie sie die auftrumpfende Virtuosität des Finales in bewundernswerte „konzertante“ Ausgewogenheit überführte – das war reiner Ohrenschmaus.
Nach der Pause erlebte das begeisterte Publikum erneut einen souveränen Peter Wallinger am Pult und ein hochmotiviertes Orchester mit einer lebendigen Wiedergabe von Joseph Haydns Sinfonie Nr. 94 in G-Dur. Der berühmte „Paukenschlag“ im Andante, der in dem von rührender Schlichtheit geprägten, kinderliedartigen Streicheridyll plötzlich in die Fortissimi einer pompösen Orchesterwucht einführt, illustrierte auch in Mühlacker den Humor des Komponisten. So mündete der Konzertabend in ein Hörerlebnis von heiterer, wohltuender Gelassenheit.
Eckehard Uhlig