„Mühlacker Concerto“ begeistert mit musikalischer Europareise
Das Neujahrskonzert der „Mühlacker Concerto“ unter der Leitung von Peter Wallinger in der historischen Kelter Ötisheim überzeugt nicht nur mit Musik, sondern auch mit tiefgründiger Lyrik. Ohne Zugabe lässt das Publikum die Akteure nicht gehen.
Das Neujahrskonzert der „Mühlacker Concerto“ unter der Leitung von Peter Wallinger in der historischen Kelter Ötisheim überzeugt nicht nur mit Musik, sondern auch mit tiefgründiger Lyrik. Ohne Zugabe lässt das Publikum die Akteure nicht gehen.
Vollbesetzt ist der Saal in der historischen Kelter. Auf dem Podium im weißen Hemd: Solist Mikael Samsonov, weltweit gefeierter Cellist. Foto: Filiz
Ötisheim. Zum 20. Mal hat Peter Wallinger, Künstlerischer Leiter und Dirigent der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim, zum Neujahrskonzert der „Mühlacker Concerto“ eingeladen; eine Konzertreihe, die er 2005 ins Leben gerufen hat. Da der Mühlacker Uhlandbau…
Die Klassikreihe „Mühlacker Concerto“ beginnt das neue Jahr mit einem exzellenten Konzert der Süddeutschen Kammersinfonie. Das Publikum in der voll besetzten historischen Kelter in Ötisheim bejubelt den Weltklasse-Cellisten Mikael Samsonov.
Die Klassikreihe „Mühlacker Concerto“ beginnt das neue Jahr mit einem exzellenten Konzert der Süddeutschen Kammersinfonie. Das Publikum in der voll besetzten historischen Kelter in Ötisheim bejubelt den Weltklasse-Cellisten Mikael Samsonov.
Beeindruckend: Die Kammersinfonie Bietigheim spielt beim Neujahrskonzert gemeinsam mit dem Weltklasse-Cellisten Mikael Samsonov. Foto: Bastian
Ötisheim. Vernunft und Gefühl schließen einander aus, lehrte der französische Denker René Descartes, denn klug handele ein Mensch nur dann, wenn er sich nicht von Emotionen beeinflussen lässt. Dies mag vielleicht für Naturwissenschaften zutreffen, aber wer versucht, die Künste mit der Kraft des messerscharfen Verstandes zu ergreifen, kommt nicht weit. Leib, Seele und Geist, Bauch und Kopf bilden vielmehr ein perfektes Ensemble, das uns Menschen von allen anderen Geschöpfen unterscheidet. Dass Geist und Gefühl eine innige Allianz eingehen und sich gegenseitig bereichern können, durften die zahlreichen Besucherinnen und Besucher des Neujahrskonzertes der Reihe „Mühlacker Concerto“ am Sonntagvormittag in der Historischen Kelter Ötisheim in beeindruckender Weise erleben. Auf dem Programm mit der vielsagenden Überschrift „GrenzenLos – LebensWert“ standen Werke aus der Zeit der Romantik. Der Sprecher Martin Stolz rezitierte intermittierend Gedichte von Hilde Domin.
Wer die Programmzusammenstellungen des „Spiritus Rector“ der Reihe, Peter Wallinger, über die Jahre verfolgt hat, weiß, wie viele Gedanken er sich macht, wie sorgsam er abwägt und schließlich Werk-Abfolgen findet, die sinnhafter und klüger kaum sein könnten. Das Konzert am Sonntagmorgen begann slawisch mit der Suite für Streichorchester von Leoš Janáček – und endete slawisch mit zwei Juwelen der Literatur für Violoncello und Orchester von Peter Tschaikowsky: den Rokokovariationen und dem Nocturne aus dem Jahr 1888. Dazwischen standen zwei Miniaturen von Anton Webern und zwei Stücke der skandinavischen Komponisten Jean Sibelius und Edvard Grieg. Martin Stolz trug dazu Verse der deutsch-jüdischen Dichterin Hilde Domin (1909-2006) vor. Ihre Miniaturen sind lebensbejahende und durchaus mutige Impulse zur Freiheit der Entscheidung.
Leoš Janáčeks (1854-1928) einfallsreiche „Suite“ vereinigt tänzerische Leichtigkeit mit anrührenden Kantilenen und der typisch slawischen Schwermut. Dem 16-köpfigen Ensemble gelingt eine sorgfältige, sensible Wiedergabe. Anton Webern (1883-1945) haftet noch heute das Urteil seiner Zeitgenossen an, seine Musik sei zu konstruiert, zu intellektuell und unschön. Doch wer sich ohne Vorbehalte und innere Widerstände auf sie einlässt, wird in Wahrheit reich belohnt. Der Finne Jean Sibelius (1865-1957) beschreibt – anders als sein norwegischer Kollege Edvard Grieg (1843-1907) – nicht die Landschaft und Natur Skandinaviens, er erzählt Geschichten. Mit der Konzertmeisterin der Süddeutschen Kammersinfonie, Sachiko Kobayashi, erklingt Sibelius’ beredte Humoreske IV in warmem und lyrischem Ton. Danach Griegs hochdynamisches Frühlingssehnen „Våren“. Auch bei einer Wiedergabe der höchst virtuosen Rokoko-Variationen von Peter Tschaikowsky (1840-1893) finden Geist und Emotion zu einer beeindruckenden Symbiose zusammen.
Der belarussische, vielfach ausgezeichnete Cellist Mikael Samsonov spielt Cello, so wie andere Leute spazieren gehen. Seine Technik ist atemberaubend und voll sprühender Leichtigkeit, sein Ton und sein Gespür für Form und Struktur sind vollendet. Die Variationen-Folge über ein Thema im Stil des 18. Jahrhunderts ist ein feines, bezauberndes Kammerspiel zwischen der Solostimme, die dem Interpreten musikalisch alles abverlangt, und einem raffiniert durchkomponierten Orchestersatz. Sie gehört zum Schönsten, was die Celloliteratur überhaupt zu bieten hat. Das Publikum zeigte sich fasziniert von der hohen Kunst des Flageolett-Spiels des Belarussen und applaudierte zur Unzeit, mitten in einer Phrase – woraufhin Samsonov, vollkommen zurecht, energisch-abweisend reagiert. Er bewältigte die aberwitzig schwere Stretta am Ende mit einer Leichtigkeit, die fast an Zauberei glauben lässt.
Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim mit ihren vielen sehr jungen Musikerinnen und Musikern hinterlässt den besten Eindruck. Noch über ein Zugabe-Stück von Ennio Morricone hinweg klingen die Worte Hilde Domins nach: „Weil ein neuer Anfang möglich ist: Wer den ersten Schritt in die Zukunft wagt, dem sei gesagt: Fürchte dich nicht, es blüht hinter uns her.“
Kammersinfonie Bietigheim brilliert mit Solocellist Mikael Samsonov in historischer Kelter in Ötisheim.
Solist Mikael Samsonov (Violoncello) beeindruckt vor allem mit seiner virtuosen Interpretation von Tschaikowskys „Rokoko-Variationen“. Foto Fotomoment
Ötisheim. Das nächtliche Böllern und Korkenknallen ist vorüber, die Neujahrskonzerte mit ihrem vom Radetzkymarsch bekrönten Walzer- und Polkareigen auch. Bei dem diesmal von Texten der Lyrikerin Hilde Domin traditionell literarisch bereicherten, gewissermaßen alternativen Neujahrskonzert, das Peter Wallingers „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ vor begeistertem Publikum in der Historischen Kelter Ötisheim veranstaltete, war ein Cello-Solist angekündigt. Mit dem Auftritt von Mikael Samsonov konnte freilich ein musikalisches Ereignis gefeiert werden.
Cello-Solist Mikael Samsonov begeistert
In seiner Interpretation von Peter Tschaikowskys Rokoko-Variationen (op.33) zog der Solist alle Register der Virtuosität, brillierte mit sinnlich lyrischem Ton, gleitete in heiklen Glissandi zu höchsten Flageolett-Höhen oder musizierte spannungsgeladen und vibratosatt mit sonor samtigem Bass.
In der ersten von insgesamt sieben Veränderungen wurde die Ausgangsmelodie markant vorgestellt. Dann folgte in den durch Orchesterzwischenspiele miteinander verbundenen sechs weiteren Variationen ein technisch atemberaubendes Feuerwerk musikantischer Figurationen – ein artikulatorisch und dynamisch fein differenzierter Luxusklang.
Solistin Sachiko Kobayashi (Violine) sticht hervor mit ihrem Soloviolinen-Spiel in Jean Sibelius‘ „Humoreske IV“ (op. 89b). Foto Fotomoment
Technische Brillanz und romantischer Zauber
In der dritten Variante spielte Samsonov ausladend romantisch, in der vierten temperamentvoll tänzerisch. In der fünften triumphierte das Solocello mit einer meisterlichen Kadenz. Ähnliches wiederholte sich mit der Aufführung von Tschaikowskys „Nocturne für Violoncello und Orchester“, wobei Samsonov in beiden ohne Dirigent präsentierten Werken auch als leitender Konzertmeister fungierte.
Literarische Reflexion
Mit seiner fabelhaften Streicher-Truppe, in der mehrere neue Gesichter zu sehen waren, interpretierte Peter Wallinger vor der Konzertpause eine aufs Genaueste mit den Domin-Texten abgestimmte Folge meist heiterer Konzertstücke. Energisch der Auftakt zum aufblühenden Moderato in Leoš Janáčeks Suite für Streichorchester. Es folgte ein zartes Adagio ohne die Streicherbässe, ein folkloristisch gefärbtes Andante con moto, dann das attackierende Presto, ein langsames Adagio mit solistischem Cello-Gesang und abschließend das sehr lebendige Finale.
Poetische Klangbilder
Zum meditativen Innehalten, das von Domin-Versen angeregt wurde, führten zwei kontrastreiche Stücke aus Anton Weberns „Fünf Sätze“ (op.5). Besonders intensiv gelangen die Übergänge von Sprache und Musik mit Domins Verszeile „Ich setzte den Fuß in die Luft, und sie trug“ und Jean Sibelius‘ „Humoreske IV“ (op. 89b) für (die von Sachiko Kobayashi gespielte) Solovioline und Orchester. Das Gedicht „Nur eine Rose“ führte zu Edvard Griegs melodienseligem Orchesterstück „Varen“ (Letzter Frühling) op.34.
Hilde Domins lyrisches Meisterwerk „Es blüht hinter uns her“, das der kunstvoll vortragende Sprecher Martin Stolz zwischen die beiden Tschaikowsky-Cellokompositionen einfügte, fasste alle Freude am Heiteren und Schönen zusammen. Wäre die Neujahrspolitik in unserem Land so freundlich wie diese Neujahrs-Kunstmatinee in der einladenden Kelter, müsste man sich um das neue Jahr keine Sorgen machen.
Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim: Mit spannungsknisterndem Ensembleklang
Unter dem Motto „GrenzenLos – LebensWert“ fanden die Neujahrskonzerte der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim am Wochenende statt. Ganzen Artikel lesen Autor: Harry Schmidt
Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim: Mit „heller Energie“ ins neue Jahr
Für die diesjährigen Neujahrskonzerte der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim hat Dirigent Peter Wallinger den belarussischen Cellovirtuosen Mikael Samsonov verpflichtet. Den roten Faden durchs Programm bildet die Lyrik von Hilde Domin.
Für die diesjährigen Neujahrskonzerte der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim hat Dirigent Peter Wallinger den belarussischen Cellovirtuosen Mikael Samsonov verpflichtet. Den roten Faden durchs Programm bildet die Lyrik von Hilde Domin.
Solist im Konzert mit der SKB: Der Cellist Mikael Samsonov. Foto: privat