17.01.2023, Ludwigsburger Kreiszeitung
„Berühmte Arien, entfesseltes Cello“
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Neujahrskonzerte der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim mit Nils Wanderer

MÜHLACKER. Neben Bietigheim Bissingen und Murr kommt traditionell Mühlacker in den Genuss eines SKB-Neujahrskonzerts. Seit 2004 bereichert Orchesterleiter Peter Wallinger dort mit seiner Initiative "Mühlacker Concerto" das Kulturleben der Großen Kreisstadt im Enzkreis. Der Uhlandbau könnte kaum besser besucht sein: Keiner der 200 Plätze im Saal bleibt unbesetzt, auf der Empore haben sich weitere Musikliebhaber verteilt. Vergangenheit und Zukunft überschneiden sich, der Blick geht zurück wie nach vorn: Das ist das janusköpfige Profil der Neujahrszeit, der Jahreswechsel als Gegenwart par excellence gewissermaßen - "... es wird einmal" hat Wallinger sein diesjähriges Programm überschrieben.
Das überspannt einen Bogen von rund drei Jahrhunderten und reicht von der Renaissance über das Barock bis in die Moderne. Claudio Monteverdi steht am Übergang der beiden erstgenannten Epochen, seine "Favola in Musica" namens "L'Orfeo", uraufgeführt 1607 am Hof des Herzogs von Mantua, gilt als eine der ältesten Opern überhaupt und markiert (mit "La Daphne" und "Euridice" von Jacopo Peri) die Geburtsstunde der Gattung. Text und Musik stehen hier gleichwertig nebeneinander - ein Konzept, das Wallinger auf seine Neujahrskonzerte übertragen hat. Wieder ist der Berliner Schauspieler Johann-Michael Schneider mit von der Partie und trägt durch pointierten Vortrag poetischer Texte zum positiven Gesamteindruck der Matinee bei.
Und so erklingen zwischen der einleitenden "Toccata" mit der Fanfare der Gonzaga-Familie und dem ersten "Ritornell", das den Auftritt der Musik höchstpersönlich ankündigt, kurze Verse des bengalischen Literaturnobelpreisträgers Rabindranath Tagore. Insbesondere die „Sinfonia" aus dem 5. Akt geht mit schmerzlichem Melos unter die Haut. Ähnlich, wenn auch ohne Zwischentexte, verfährt Wallinger mit Henry Purcells Semi-Oper „The Fairy-Queen" (1692) und verzichtet auf Singstimmen, um stattdessen Instrumentalmusikteile zu einer kurzen Suite zu verbinden.
Ensemble hat Luft nach oben
Als Ausgleich für das Fehlen von Arien und Chören des auf Shakespeares "Sommernachtstraum" beruhenden Librettos darf Schneider zuvor als Puck durch den Mittelgang geistern. Schwungvoll und präzise animiert Wallinger seine SKB, differenziert in Zeichen- und Körpersprache hält der 72-Jährige alle Fäden in der Hand. Viele neue Gesichter sind unter den 13 Musikerinnen und Musikern auszumachen, überaus präsent wirkt Konzertmeisterin Rebecca Raimondi, doch in Sachen Ensembleklang bleibt etwas Luft nach oben: Es mangelt an Resonanz und Blending, die Einzelstimmen schließen sich noch nicht zum kammersinfonischen Chor zusammen.
Mit Nils Wanderer ist das Neujahrskonzert dann tatsächlich in der Oper angekommen: Einem silberhell überfangenen Sich-Verströmen gleicht die Stimme des Countertenors in Antonio Vivaldis "Sovente il Sole" (aus der Pasticcio-Serenata "Andromeda liberata", 1726). Ganz zurückgenommen und verinnerlicht gestaltet ist dann Purcells "When I am laid in earth" aus „Dido and Aeneas" (1688/1689) - die schönste, die traurigste Arie der Musikgeschichte wirkt unweigerlich berührend. Dass mit Händels "Lascia ch'io pianga" (aus "Rinaldo", 1711) als Zugabe eine weitere berühmte Barockarie folgt, ist da fast schon zu viel des Guten.
Nach der Pause verblüfft, zu welch entfesselter Raserei der vermeintlich so gemütliche „Papa Haydn" Anlass geben kann: Was Arthur Cambreling in dessen erstem Cello-Konzert veranstaltet, mutet wie ein expressives Klangfeuerwerk an. Mit der Streichorchesterfassung von Béla Bartóks "Rumänischen Volkstänzen" (1917) schließt sich der Kreis zu den Suiten des ersten Teils. Euphorischer Beifall für Wallinger, die SKB und die Solisten.
Autor: Harry Schmidt
weniger17.01.2023, Mühlacker Tagblatt
Publikum feiert Künstler wie Popstars
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Ein märchenhaftes Neujahrskonzert im Uhlandbau in Mühlacker: Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim unter der Leitung von Peter Wallinger begeistert erneut mit einem höchst fantasievollen Programm und herausragenden Solisten.

Mühlacker. Der Andrang zum diesjährigen Neujahrskonzert der Reihe „Mühlacker Concerto“ war – trotz des nasskalten Wetters – enorm. Dies ist aus mindestens zwei Gründen allerdings nicht weiter verwunderlich: Zum einen sind die Konzerte Anfang Januar längst im kulturellen Gedächtnis der Stadt verankert, und zum anderen wussten die Zuhörerinnen und Zuhörer, dass Peter Wallinger immer wieder für pfiffige Ideen und musikalische Überraschungen gut ist.
Gelungen war die Matinee ebenfalls in mehrfacher Hinsicht: Das Programm „...es wird einmal“ beinhaltete traumhaft schöne Musik aus Fantasieopern wie „Orfeo“ von Claudio Monteverdi, „The Fairy Queen“ und „Dido and Eneas“ von Henry Purcell und „Andromeda liberata“ von Antonio Vivaldi.
Die Ausführenden, die 13-köpfige Kammersinfonie, der umwerfende Altus/Countertenor Nils Wanderer und der großartige Cellist Arthur Cambreling, waren so glänzend disponiert und musizierten derart brillant, dass sie vom Publikum wie Popstars gefeiert wurden. Wer die Konzerte Wallingers schon eine Weile verfolgt, kennt den Sprecher Johann-Michael Schneider bereits, der in diesem Format schon öfter zu erleben war. Ihm oblag am Sonntag die angenehme und mit großem Erfolg gemeisterte Aufgabe, in das rätselhafte Motto des Konzerts „...es wird einmal“ einzuführen und zwischen den sechs gespielten musikalischen Werken sinnfällige Lyrik einzuflechten.
Die Musik und die ausgewählten Texte widmeten sich – so der gemeinsame Nenner – dem Mysterium der Natur und der Jahreszeiten und rückten Fantasiegeschichten und märchenhafte Musik in einen metaphorischen Zeithorizont des Seins, Vergehens und Werdens. Aus der Formel „...es war einmal“ wurde deshalb ein „...es wird einmal“, weil es ewige Muster sind, die der Musik, der Poesie und der Geschichte zugrunde liegen und den Fortlauf der Zeit gleichsam aufheben.
Die musikalisch-literarische Programmfolge begann mit Tänzen aus Monteverdis „L‘Orfeo“, der ersten Oper der Musikgeschichte überhaupt, und aus Purcells „The Fairy Queen“ nach Shakespeares Sommernachtstraum. Die Süddeutsche Kammersinfonie, diesmal als reiner Streicherapparat, spielte verheißungsvoll, mit einem wunderbar austarierten Klang. Die 13 Streicherstimmen gingen nicht in nebulösen Klangsümpfen unter, sondern gewährten einen glasklaren Durchblick. Peter Wallinger wagte extreme, besonders eindrucksvolle Pianostellen.
Wer den Altus/Countertenor Nils Wanderer auf der Bühne live erlebt hat, wird dies so schnell nicht wieder vergessen. Nicht nur seine Stimme ist einzigartig und technisch makellos, seine gesamte Bühnenpräsenz ist – fast möchte man sagen – magisch. Er versinkt geradezu in einer Rolle und wird eins mit ihr und der Musik. In berauschender Schönheit erklang der wundervolle Dialog zwischen der Solovioline (brillant gespielt von der Konzertmeisterin Rebecca Raimondi) und dem vielfach ausgezeichneten Nils Wanderer in Vivaldis „Sovente il Sole“. Auch der Todesgesang der Dido aus Purcells Oper gelang so großartig, dass Wanderer dem Publikum, das völlig aus dem Häuschen geraten war, Händels „Lascia ch’io pianga“ zugeben musste. Doch das war am Sonntag noch nicht alles. Als weitere handfeste Überraschung folgte nach der Pause der französische Cellist Arthur Cambreling, der einer Familie mit weltweit angesehenen Musikern entstammt, mit Joseph Haydns Cellokonzert in C-Dur. Der junge, ebenfalls vielfach ausgezeichnete Cellist spielte das dreisätzige Opus mit virtuos-anpackendem Zugriff, technisch tadellos und mit einer herrlichen Tongebung. Glänzende Solokadenzen mit gewagten Flageolett-Tönen ließen das Publikum den Atem anhalten. Begeisterte Bravorufe erhielt auch er. Zum Schluss gab es noch die rasanten Rumänischen Volkstänze von Béla Bartók. Nicht nur die Natur war am Ende der Matinee glücklich wie in dem Gedicht von Rainer Maria Rilke „Natur ist glücklich“ – wunderbar rezitiert von Johann-Michael Schneider –, auch das Publikum war es.
Autor: Dr. Dietmar Bastian
weniger16.01.2023, Pforzheimer Zeitung
Musikalischer Juwelen-Glanz
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• Herausragende Solisten begeistern im Uhlandbau bei „Mühlacker Concerto".
• Fein aufeinander abgestimmtes Programm in ausverkauftem Saal.

FOTOS: PETER HENNRICH
Peter Wallingers Neujahrskonzerte im Mühlacker Uhlandbau sind anders. Da gibt es weder Wiener Walzer-Seligkeit noch pompöse, von donnerndem Schlagwerk begleitete Bläserfanfaren. Stattdessen erfreut ein fein aufeinander abgestimmtes literarisch-musikali sches Programm, das diesmal besonderen musikalischen Glanz ausstrahlte. Denn mit Nils Wanderer war ein Ausnahmesänger zu Gast: ein Countertenor, der ganz zart zu singen und in Sopran-Höhen aufzusteigen vermag, aber dennoch eine männlich kraftvolle, durchdringende Stimme besitzt.

Stimme leuchtete in Spitzentönen.
Zuerst interpretierte Wanderer die Arie „Sovente, il sole risplende in cielo" (häufig erstrahlt die Sonne am Himmel) aus dem Pasticcio „Andromeda liberata" von Antonio Vivaldi, das die Hochzeit der befreiten Andromeda mit Perseus feiert. Danach folgte der Klagegesang „When I am laid in earth" aus Henry Purcells Oper „Dido and Eneas", mit dem die vom trojanischen Helden Eneas verlassene, in Verzweiflung sterbende Königin Dido ihr Lamento anstimmt.
Das faszinierende Timbre der falsettierenden, staunenswert beweglichen Männerstimme leuchtete in Spitzentönen , verzierte Silben und Wörter mit schönsten Koloratur-Melismen, und bot mit weich veredelter Vokalität sehnsüchtige Melancholie. Oder sank im langgezogenen Ton einer illusionslosen Zärtlichkeit in tief reichende Trauer hinab. Exzellent getragen und grundiert wurden die vokalen Klangjuwelen von den Streichern der sueddeutschen kammersinfonie unter Peter Wallingers Leitung - wobei sich die neue Konzertmeisterin Rebecca Raimondi in der Vivaldi-Arie solistisch mit herrlich echohaft intonierender Violinstimme auszeich nete. Nicht nur Wanderers Zugabe, die populäre Arie „Lascia ch'io pianga" (Lass mich weinen!) aus Georg Friedrich Händels Oper „Rinaldo" wurde vom atemlos lauschenden Publikum mit jubelndem Beifall belohnt.
Aber das war im ausverkauften Uhlandbau-Saal noch lange nicht alles. Einleitend vom Orchester gebotene, rhythmisch kunstvoll ausgefeilte barocke Tanzsätze von Claudia Monteverdi (aus „Orfeo") und Henry Purcell (aus „The Fairy Queen") wurden von dem rezitierenden und heiter schauspielernden Vortragskünstler Johann-Michael Schneider mit lyrischen Versen sinnfällig kommentiert. Poesievolle Texte von Rabindranath Tagore und William Shakespeare (aus „Ein Sommernachtstraum") waren vor und zwischen den Konzertstücken zu hören, auch Rainer Maria Rilkes Gedicht „Natur ist glücklich" und der lustige Reim-Text „Wenn's Winter wird" von Christian Morgenstern.

Der zweite Höhepunkt in Peter Wallingers Neujahrs-Konzertmatinee folgte nach der Pause. Der jugendlich frisch aufspielende Cellist Arthur Cambreling wartete in Joseph Haydn's Violoncello- Konzert C-Dur (Hob VIIb:l) mit sensationeller Virtuosität in den abenteuerlich rasanten Spiccato-Skalen der Ecksätze auf. Er musizierte nicht nur mit brillant lockerer Fingerfertigkeit und technisch perfekter Bogenführung, sondern auch mit einer von innen herausdrängenden, gespannten Expressivität. Die fantasievolle eigene Kadenz zeugte von musikalischer Kopfarbeit, die Wiedergabe des langsamen Mittelsatzes von der Fähigkeit, Melodielinien kantilen auszusingen.
Zu preisen sind schließlich das Orchester-Ensemble und sein Dirigent, die mit den „Rumänischen Tänzen" von Bela Bartók für einen folkloristisch farbintensiven Konzertabschluss sorgten.
Im Frühjahr stehen in der „Mühlacker Concerto"-Reihe im Uhlandbau auf dem Programm: „Rossinis Notenküche - ein Komponist tischt auf: Musiktheaterstück der Pyrmonter Theater Companie für Kinder der Klassen 1bis 5 am 11. und 12. Mai jeweils um 9 und 10.30 Uhr, sowie das Frühjahrskonzert mit Werken von Weinberg, Schubert und Beethoven unter der Leitung von Peter und Simon Wallinger (Solist: Tjeerd Top, Violine) am 14. Mai um 17 Uhr.
weniger16.01.2023, Marbacher Zeitung
Starke Solisten, souveräne Streicher
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Es gab nicht nur klassische Musik: Beim traditionellen Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim wurden auch Texte von Shakespeare bis Rilke rezitiert. Es war das erste Konzert nach der Corona-Pause.

Zwei Mal hatte es wegen Corona ausfallen müssen, jetzt fand es endlich wieder statt: das Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in Murr. Dreizehn Streicherinnen und Streicher unter der bewährten Leitung von Peter Wallinger setzten eine beliebte, nun schon mehr als 15-jährige Tradition fort. Waltraut Menzel vom Kulturamt würdigte zur Eröffnung die stets „innovativen und anregenden Konzertprogramme“ des Ensembles.
Dieser Anspruch wurde auch diesmal wieder eingelöst. Das gewählte Motto – „…es wird einmal“ – schien zwar zunächst etwas rätselhaft. Doch der Schauspieler Johann-Michael Schneider, der die Stücke mit kurzen Texten begleitete, gab Hinweise. In all seinen Rezitationen, verfasst von Shakespeare, Morgenstern, Rilke und Tagore, ginge es um den Menschen in der Natur. Die Natur wiederum sei, wie die Musik, beständig im Werden, so würde aus dem „Es war einmal“ und dem „Es ist“ das „Es wird einmal“. Schneider betonte, Offenheit sei wichtig in einer Zeit der Katastrophen und Krisen.
Ausgesprochen schöne Musik spielte dann das Ensemble aus Bietigheim. Im ersten Teil entführten die Künstlerinnen und Künstler ihre Zuhörer in die Welt der barocken Opern. Den Auftakt bildeten Sätze aus dem „Orfeo“ von Claudio Monteverdi, lebhafte und schwungvolle Melodien, in denen die hellen, fröhlichen Stimmen von Violinen und Bratschen mit den tiefen Tönen von Celli und Kontrabass reizvoll zusammenwirkten. Schnell und dynamisch, dabei immer souverän und mit großer Spielfreude vorgetragen auch „The Fairy Queen“ von Henri Purcell nach Shakespeares bekanntem Sommernachtstraum.
Opernmusik wurde an diesem Abend nicht nur gespielt, sondern auch gesungen. Der Countertenor Nils Wanderer stimmte, begleitet vom Orchester, Stücke aus „Andromeda liberata“ von Antonio Vivaldi und „Dido and Eneas“ von Henri Purcell an. Ein Countertenor zeichnete sich dadurch aus, dass er seine männliche Stimme im ungewöhnlichen Bereich von Alt erklingen lassen konnte, also in einer hohen Stimmlage unterwegs war.
Sehr eindrücklich gelang das Wanderer, als er den Part der sterbenden karthagischen Königin Dido sang, die verzweifelte Klage einer verratenen Liebe, getragen vom melancholischen Klangteppich der Streicher. Das Publikum war berührt, und Wanderer, eine imposante, sympathische Erscheinung, gab eine gefühlvolle Zugabe, „Lascia chio pianga“, etwa: Lass mich mein Schicksal beweinen, aus Händels Oper „Rinaldo“. Wanderer, ein gebürtiger Ludwigsburger, ist erster Preisträger des Bundeswettbewerbes Gesang 2022, er gewann auch als erster Deutscher einen 2. Preis bei Operalia 2022, dem wichtigsten internationalen Wettbewerb für Oper.
Ein weiterer Höhepunkt leitete den zweiten Teil des Konzerts ein. Im Violoncello-Konzert C-Dur von Joseph Haydn zeigte Arthur Cambreling als Solist sein ganzes Können. Der Franzose spielt seit seinem vierten Lebensjahr Violoncello, und er ist mit diesem vielseitigen Instrument geradezu verwachsen.
Der junge, schalkhaft wirkende Künstler ging völlig in seiner Musik auf. Mit Hingabe entlockte er dem Violoncello ebenso nachdenkliche wie forsche, dominante Töne, rief sogar kurze Klanggewitter hervor. Über ein abwechslungsreiches Moderato und ein getragenes Adagio spielte sich das Ensemble zu einem furiosen Allegro molto, in dem Cambreling die Melodie nicht nur aufnahm, sondern verstärkte, variierte, die ganze Streicherrunde anregte, seinem vibrierenden Bogen zu folgen. Sein Violoncello war buchstäblich die erste Stimme, machte Tempo, unterstrich, setzte akustische Ausrufezeichen. Begeisterter, stürmischer Beifall belohnte die starke Leistung des Solisten und des Orchesters.
Für einen schwungvollen Ausklang sorgten die Rumänischen Volkstänze von Bela Bartok. Die Mischung aus schönen rhythmischen Tänzen, Märschen und auch melancholischen, fast an jiddische Kompositionen erinnernden Stücken waren noch einmal ein Spiegelbild des gesamten Abends: gut anzuhören und höchst abwechslungsreich. Die Zuhörerinnen und Zuhörer dürften sich weitgehend einig gewesen sein: Das war die gelungene Fortsetzung einer Tradition.
Autor: Arno Bäucker
weniger16.01.2023, Pforzheimer Kurier
Musik mit Gansehautfeeling
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Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim überzeugt in Mühlacker beim Neujahrskonzert

Erneut ist Mühlackers Uhlandbau 'Treffpunkt zahlreicher Musikfreunde gewesen, die sich das Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim nicht entgehen lassen wollten. Am Pult stand, nunmehr seit 39 Jahren, der Gründer dieses Orchesters, das nach fast vier Jahrzehnten für sich in Anspruch nimmt, eine besondere Art des Musizierens und Konzentrierens verinnerlicht zu haben. Musiker und Musikerinnen beeindrucken einerseits als Projektorchester durch ihr professionelles Auftreten und werkgerechte Interpretationen. Doch darüber hinaus erfreuen sie ihr Publikum immer wieder durch ihr herzerfrischendes Spiel, das sie mit so viel Freude zelebrieren, dass der Funke schnell in die Zuhörerreihen überspringt.
„… es wird einmal“ war das Programmmotto. Vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart hatte Wallinger Werke verschiedenster Genres ausgewählt und so eine höchst abwechslungsreiche Konzertstunde gestaltet. Mit vier Sätzen aus Monteverdis ,,Orfeo“ und fünf aus Henry Purcells ,,The Fairy-Queen“ gelang dem Orchester ein klangprächtiger Auftakt. Doch einer redete dazwischen: Schauspieler und Theatermusiker Johann-Michael Schneider sorgte für verbalen Schmuck und rezitierte zwischen den einzelnen Auftritten stimmige Texte von Tagore, Shakespeare, Rilke und Morgenstern. ,,Alle Texte handeln von der Natur und dem Menschen in der Natur und seinem Erleben darin, ist er doch selbst ein Stück Natur“, sagte er. Besinnliche und nachdenklich stimmende Verse trug er vor, aber auch Heiteres, über das geschmunzelt und gelacht wurde.
Die Auftritte von Countertenor Nils Wanderer und Cellist Arthur Cambreling markierten zwei Höhepunkte in dem knapp zweistündigen Konzert. Wanderer brillierte mit seiner Interpretation ,,So- vente il Sole“ aus Vivaldis (1678—1741) Oper ,,Andromeda liberata“ und mit der Arie ,,When I Am Laid In Earth“ aus Purcells ,,Dido und Eneas“.
Die Zuhörer lauschten ergriffen. Besonders das fast schwermütige ,,When I am Laid In Earth“ ging unter die Haut und gar Gänsehautfeeling bescherte Wanderer mit seiner ,,Seelenarie ,,Lascia chi’io planga“ aus Händels Rinaldo. Als begehrter Countertenor ist er auf vielen Bühnen der Welt zu Hause. ,,Meine Heimat aber wird immer hier in Württemberg sein“ , sagte er im Gespräch mit dieser Redaktion. Und noch etwas verriet er von seinen Zukunftsplänen. Neben seinen Tätigkeiten als Opernsänger, Schauspieler, Choreograph und Regisseur werde er ein eigenes Festival ,,Wanderer zwischen den Welten“ gründen. Seine Fans dürfen also gespannt sein.
Großen Beifall erhielt auch Arthur Cambreling, der mit der Wiedergabe von Haydns Violoncello-Konzert C-Dur sein Instrument singen ließ. Mit viel Vehemenz und Furore sprang der Bogen über die Saiten, aber gleichzeitig ließ er auch mit viel Herzblut und tiefem Empfinden, wie sein lebhaftes Mienenspiel verriet, Klangbogen lebendig werden.
Mit sechs ,,Rumänischen Tänzen“ von Bartók (1881—1945), feinsinnig intoniert, still in sich gekehrt oder mit so viel Elan, dass Stillsitzen schwerfiel, verabschiedete sich die Kammersinfonie und Dirigent Wallinger. Das Publikum feierte alle Akteure mit kaum enden wollendem jubelndem Beifall und dankte so für dieses Konzert.
Autorin: Eva Filiz
weniger13.01.2023, Ludwigsburger Kreiszeitung
„Ich gebe immer tausend Prozent“
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Der Ingersheimer Countertenor Nils Wanderer ist international auf großen Bühnen zu Hause. Jetzt wirkt der 29-Jährige an den Neujahrskonzerten der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim mit.

KILLARNEY/BIETIGHEIM-BISSINGEN. Der in Ludwigsburg geborene Countertenor Nils Wanderer bat als Stipendiat des Barbican Centres prägende Jahre in London verbracht, wo er mit dem London Symphony Orchestra unter Leitung von Dirigenten wie Jordi Savall und Kent Nagano aufgetreten ist. Im vergangenen Jahr wurde der in Bietigheim-Bissingen aufgewachsene Sänger mit dem ersten Preis für die beste Barockarie beim Bundeswettbewerb Gesang und dem zweiten Preis bei Placido Domingos „Operalia", dem größten Wettbewerb dieser Art, geehrt. Nun kehrt Wanderer in seine Heimat zurück und wird 2023 ein eigenes Festival aus der Taufe heben.
Zuvor ist er an diesem Wochenende neben dem jungen französischen Cellisten Arthur Cambreling als Solist in den Neujahrskonzerten der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) zu hören. Wir erreichen den 29-Jährigen im südirischen Killarney - mit ein wenig Verspätung: Ein vom Sturm geknickter Baum hatte die Stromversorgung des Hauses, das er mit Freunden bewohnt, gekappt.
Guten Tag, Herr Wanderer. Konnten Sie die Sturmschäden beseitigen?
NILS WANDERER: Wir haben es vor einer halben Stunde hinbekommen: Jetzt ist der Akku wieder geladen und ich bin einsatzbereit! (lacht)
Killarney, London, Weimar, Tübingen, Ingersheim - hinsichtlich Ihres Lebensmittelpunkts kursieren unterschiedliche Informationen ...
Nachdem ich Gesang an der Hochschule für Musik in Weimar in der Klasse von Prof. Siegfried Gohritz studiert hatte, habe ich in London gelebt und den Opera Course der Guildhall School of Music & Drama absolviert, ein zweijähriges Exzellenzprogramm für jeweils 24 postgraduierte Sängerinnen und Sänger. Irland ist eine der Stationen, an denen ich regelmäßig bin: Ich gebe hier eine Meisterklasse und singe an der Nationaloper. Deshalb pendele ich oft zwischen Dublin und Kerry, wo ich mit Freunden in einem Haus wohne. Zuvor hatte ich einen Erstwohnsitz in Tübingen, seit einem halben Jahr bin ich offiziell Ingersheimer, weil meine Eltern und Großeltern da leben, aber ich bin eigentlich immer unterwegs, vor allem momentan.
Am Wochenende werden Sie als Solist an den Neujahrskonzerten der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim mitwirken. Wie ist es dazu gekommen?
Peter Wallinger war mein Musiklehrer am Ellental Gymnasium, bevor ich ans Seminar Maulbronn gewechselt bin. Wir haben viele gemeinsame Freunde und Kollegen. Als der Kontakt nach mehreren Jahren wieder zustande kam, war mein erster Impuls: Ich bin so selten zu Hause, es wäre wirklich schön, auch in der Heimat wieder einmal auftreten zu können. Als Peter mir vor Weihnachten ein E-Mail schrieb, ob ich Lust hätte, an den Neujahrskonzerten mitzuwirken, traf sich das perfekt mit dem Wunsch, sich auch hier künstlerisch präsentieren zu dürfen. Sowohl im Uhlandbau als auch im Kronenzentrum stand ich schon auf der Bühne, im Kronensaal bereits in meiner Kindheit: Mit fünf Jahren war ich Solist im Knabenchor Capella Vocalis, der in Reutlingen und Besigheim aktiv ist, dazu erinnere ich ein „Sommernachtstraum"-Musical, da war ich vielleicht neun oder zehn. Es ist immer schön, zu den Wurzeln zurückkehren zu dürfen.
Royal Opera House, Teatro Massimo, Berliner Staatsoper - große Bühnen sind Ihnen nicht fremd. Worin besteht der besondere Reiz des kleineren Maßstabs der nun anstehenden Konzerte mit der SKB?
Es sind ganz klar die Menschen. Weil man mit Menschen arbeiten kann und für Menschen singt, die man sehr gut kennt, für ein offenes, persönlich zugewandtes und herzliches Publikum. Natürlich hat beides seinen Reiz - Teatro Massimo oder „kleine" intime Kammermusikbühne -, aber ich gebe immer tausend Prozent, egal, ob es für eine Person oder für tausend Personen ist. Ich freue mich auf diese Konzerte genauso wie auf jedes andere, wenn nicht noch ein bisschen mehr!
Wie Ist das Programm entstanden?
Peter hat sich Vivaldis „Sovente il Sole" aus der Oper „Andromeda liberata" gewünscht, ich Henry Purcells „When I am laid in earth“. Das hat ihn wiederum dazu bewogen, Auszüge aus dessen Semi-Oper „The Fairy Queen" nach Shakespeares „Sommernachtstraum“ hinzuzunehmen, gerahmt von Monteverdi und Bartoks „Rumänischen Volkstänzen". Der Solist in Haydns Violoncello-Konzert C-Dur ist Arthur Cambreling, Johann Michael Schneider wird ausgesuchte Texte rezitieren.
2019 haben Sie bei den Klosterkonzerten Maulbronn „Dido and Aeneas" inszeniert und die Partie der Zauberin sowie den Geist gesungen, nun werden Sie mit „When I am laid in earth" eine der berührendsten Barockarien präsentieren. Worin bestehen die größten Herausforderungen des auch als „Didos Lament“ bekannten Stücks?
Zunächst muss ich den Zusammenhang im Stück verstehen: Wo steht Dido gerade? Was hat sie bis dahin durchgemacht? Und wo möchte sie hin? In ihrem Fall in den Tod. Sängerisch ist es wichtig, Text und Musik schlüssig zu verbinden. Für mich ist diese Arie ein barockes Juwel von einzigartigem Rang: Ich habe sie schon sehr oft gesungen. Vielleicht gibt es gleich schöne Musik, aber bestimmt keine schönere. Worauf es ankommt, ist, nicht zu versuchen, eine Emotion künstlich herzustellen, etwa das traurige noch trauriger, noch emotionaler zu gestalten, sondern die Musik wirklich für sich sprechen zu lassen. Es ist egal, ob ich sie in Istanbul, in Palermo, in Indien, in Kanada singe - sie hat immer die gleiche Wirkung, weil sie so nah an den Menschen ist.
Was steht 2023 sonst noch an?
An der Staatsoper Hannover singe ich in Monteverdis „Orfeo", in der Uraufführung des Musicals „Romeo und Julia" im Theater des Westens die für mich geschriebene Countertenor-Partie des Todesengels. An der Oper Frankfurt werde ich als Tolomeo in Händels „Giulio Cesare" auftreten. Nach einer zehntägigen Meisterklasse in Kerry werde ich auf Kanada und Amerikatour gehen. Und gegen Ende des Jahres wird, wenn alles gut läuft, der erste Teil meines ersten Albums erscheinen. Vor allem möchte ich aber viel mehr in der Heimat machen und die Neujahrskonzerte mit der SKB sind da ein sehr guter Anfang. Noch in diesem Jahr soll mein Festival „Wanderer zwischen den Welten" an den Start gehen, das in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg entsteht.
INFO: Die SKB spielt am 14. Januar um 19.30 Uhr im Bürgersaal im Rathaus Murr, 15. Januar um 11 Uhr im Uhlandbau in Mühlacker und um 17 Uhr in der Kelter in Bietigheim-Bissingen.
Autor: Harry Schmidt
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