16.01.2024, Marbacher Zeitung
Mit Bach gegen die düsteren Perspektiven
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Werke des Meisters bildeten den Rahmen für das Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in Murr.
MURR.Kann Musik helfen, mit düsteren Perspektiven der Gegenwart besser zurechtzukommen? Zweifellos weckt Musik Emotionen. Beim traditionellen Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in Murr setzte das Ensemble auf einen großen Namen: Johann Sebastian Bach. Maiken Wallinger, die moderierte, kennzeichnete seine Musik als „etwas Wohltuendes, Verbindendes, sogar Friedenstiftendes,“ gewissermaßen eine Kraft, die gegen die Unbilden der Zeit hilft. Sie zitierte den zweiten Bach-Sohn Emanuel: „Musik soll Herzen in Bewegung setzen.“
Ein Zitat des Pianisten James Rhodes über Bachs Musik war das Motto des Abends: „Hört dieses. Hier ist Musik.“ Unter der bewährten Leitung von Peter Wallinger spielte die Kammersinfonie Stücke des Komponisten, darin eingebettet weitere Werke von Komponisten vor allem aus dem frühen Barock. Die 13 Streicherinnen und Streicher nahmen die Besucher im Bürgersaal mit auf eine klangvolle Reise. Das Publikum erlebte emotional dichte Musik und starke Auftritte von Solistinnen.
Eine dieser Solistinnen war Barbora Hulcova, eine Künstlerin aus Prag, die auf historischen Lauteninstrumenten musiziert. Sie trat mit einer Theorbe auf, einer eindrucksvollen, großen Basslaute aus dem Frühbarock. Deren tiefe und dunkle Stimme bereicherte nicht nur das Orchester bei einer Reihe von Stücken. Hulcova begleitete auf der Theorbe auch die Sopranistin Juliane Brittain. Die freischaffende Künstlerin, die mehrere Jahre in Großbritannien gelebt hat, sang drei alte englische Lieder.
So zum Beispiel „Flow my tears“ von John Dowland, der von 1536 bis 1626 lebte. Brittain traf mit ihrer ausdrucksstarken Stimme einfühlsam den melancholischen Grundton dieses Liedes. Die Sopranistin bewies mit „If music be the food of love“, komponiert von Henri Purcell (1659 – 1695), das breite Spektrum ihres Könnens: Sie interpretierte dieses Lied voller Gefühl, unterstrich mit ihrer Gestik Passagen wie „I must perish by your charms unless you save me in your arms“ – Ich müsste durch deinen Liebreiz sterben, wenn du mich nicht in deinen Armen rettest.
Das Thema des Abends aber war und blieb Bach. Die Aria aus den Goldberg-Variationen gab den Rahmen für das gesamte Konzert. In der Besetzung mit der Theorbe spielte das Orchester Bachs Ricercare à 6; die Instrumente vereinigten sich zu einem großartigen Klanggemälde.
-Ein rundum gelungenes, teils überraschendes, lehrreiches und hochklassiges Neujahrskonzert, vom Publikum mit viel Beifall bedacht.-
Ein Höhepunkt war das Brandenburgische Konzert Nummer 6 B-Dur, eine anspruchsvolle Komposition Bachs mit kleiner Besetzung: Zwei Solo-Violen, gespielt von Andrea Lamoca-Alvarez und Lilia Rubin, setzten mit ihren tiefen Tönen ein, Celli und Kontrabass und auch die Theorbe antworteten und variierten. Sehr bewegend das Allegro zum Auftakt, angetrieben von der Spielfreude der beiden Solistinnen. Melancholische Gefühle rief das Adagio hervor, bevor das abschließende Allegro in ein großartiges Finale mündete. Heftiger Beifall belohnte das starke Spiel der Künstlerinnen und Künstler.
Auch das einzige neuere Stück des Abends, das Impromptu op. 5 des finnischen Komponisten Jean Sibelius, weckte intensive Gefühle. Obwohl es nur ein paar Minuten dauert, gibt es doch sehr unterschiedliche Stimmungslagen wieder: ein Klangbild, inspiriert von der ursprünglichen Natur des skandinavischen Landes, Sehnsucht und Nachdenklichkeit, aber auch ausgelassene Freude. Das Orchester meisterte alle Wechsel virtuos. Eindrucksvoll verklangen am Ende selbst Celli und Kontrabass wie in einem kaum noch hörbaren Hauch.
Noch einmal erfüllte Bachs Musik den Saal, zum Ausklang mit der Aria, wie ein Gruß des Komponisten zum Abschied.
Fazit: Ein rundum gelungenes, teils überraschendes, lehrreiches und hochklassiges Neujahrskonzert in Murr, vom Publikum mit viel Beifall bedacht. Waltraut Menzel vom Kulturamt der Gemeinde überreichte Blumensträuße an die Akteurinnen und Akteure. Peter Wallinger kommt nun schon seit mehr als 20 Jahren für diese Konzerte nach Murr – und so Menzel: „Wir hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt.“ Gewiss doch: Bachs Musik setzt Herzen in Bewegung, und die Süddeutsche Kammersinfonie hat sie dem Publikum gekonnt nahegebracht.
Autor: Arnd Bäucker
weniger16.01.2024, Ludwigsburger Kreiszeitung
Ein tiefgründiger Kontrapunkt
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Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim überzeugt bei den Neujahrskonzerten
MURR. Ein sorgsam abschattiertes, gewissenhaft-verhaltenes und doch umso wirkungsvoller in leuchtend klar gezeichneten Konturen aus der Dunkelheit von Jahreszeit und Weltenlauf hervortretendes Glimmen und Glosten — hochspannend und von der Aura des Klandestinen umgeben wie das Chiaroscuro in einem Gemälde von Georges de La Tour wirkt die Farbe dieses ersten Neujahrskonzerts der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) im Murrer Rathaus. Anderntags stehen die Termine in Mühlacker und Bietigheim an. Auch in Murr blickt diese Veranstaltung auf eine über 20-jährige Tradition zurück, entsprechend gut besucht präsentierte sich der Bürgersaal der Gemeinde - ganz offenkundig stellt das Neujahrskonzert der SKB hier ein erstrangiges gesellschaftliches Ereignis im kommunalen Kulturkalender dar.
Spannend bis zuletzt blieb es auch hinter den Kulissen: Erst eine Stunde vor dem Auftritt war Barbora Hulcovä wieder eingetroffen - die Tschechin hatte zwischen Proben und Konzertwochenende noch Engagements in Basel zu absolvieren -, nun sitzt sie da mit ihrer Theorbe, umringt vom Halbkreis der in 13-köpfiger Besetzung angetretenen SKB, als Peter Wallinger den Taktstock hebt, um mit der „Aria“ aus Johann Sebastian Bachs „Goldberg-Variationen“ (BWV 988) das erste Konzert seines 1984 gegründeten Orchesters im noch jungen Jahr zu eröffnen. Würdevoll und grazil, in schlichter Schönheit schreitet dieser einer gravitätischen Sarabande verwandte Instrumentalsatz einher - ein apollinischer Auftakt, angemessen andächtig und behutsam gestaltet.
„Hört dieses. Hier ist Musik“ — mit diesem Wort des Pianisten James Rhodes, das Bach dem unter Komponisten gemeinhin vorherrschenden „Hier bin ich“- Marktgeschrei gegenüberstellt, war das Programm überschrieben, Werke des Thomaskantors bildeten den verbindlich-verbindenden roten Faden darin. Diesem und anderen Gedanken über dessen Musik gab Maiken Wallinger Ausdruck, die bereits seit langem an der Gestaltung des literarischen Anteils der Neujahrskonzerte beteiligt ist. Von Die Zeit-Autor Alard von Kittlitz stammt der vielleicht instruktivste: „Es gibt in dieser Musik kein Oben und Unten. Kein Haupt und Neben, kein Groß und Klein. (…) Im Kontrapunkt ist alles eins.“
Präsenz und Resonanzvermögen
Hörbar illustriert wurde diese Einschätzung durch die sechsstimmige Proto-Fuge aus dem „Musikalischen Opfer“ (BWV 1079), ausgezeichneten Eindruck im von Wallinger mit Übersicht gestalteten „Ricercar. á 6.“ wie auch im weiteren Verlauf hinterließ Konzertmeisterin Andrea Langenbacher, als Stimmführerin der 2. Violinen seit langem ein vertrautes Gesicht in den Reihen des SKB, vorzüglich in der heiklen Balance von Präsenz und Resonanzvermögen.
Dem im Ricercar angelegten Rückbezug auf die Renaissance trug Wallinger mit zwei Tanzsätzen John Dowlands Rechnung, mit geradezu jugendlichem Elan geformt die dem seinerzeitigen König von Dänemark gewidmete Galliarde, noch dynamischer die George Witehead zugeeignete Allemande.
In Dowlands berühmtem „Flow my tears“ gelang Wallinger eine wundervolle, ganz dem Titel entsprechende Wiedergabe mit der SKB und Sopranistin Juliane Brittain, die auch Henry Purcells „If music be the food of love“ und „Music for a while“ sehr ansprechend interpretierte.
Wahre Begeisterungsstürme erntete dann Bachs „6. Brandenburgisches Konzert“ mit den Bratschensolistinnen Andrea Lamoca Alvarez und Lilia Rubin nach der Pause, atmosphärisch gerahmt durch Sibelius „Impromptu Op.5“ und, analog zu den „Goldberg-Variationen“, die finale Reprise der „Aria“, die nun, obgleich in den Notenwerten unverändert, den Charakter eines Wiegenlieds anstelle eines Vorhangs annimmt. Ein tiefgründiger Kontrapunkt in Sachen Neujahrskonzert.
Autor: Harry Schmidt
weniger15.01.2024, Pforzheimer Zeitung
Ein intimes Musik-Mosaik
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Neujahrskonzert der Sueddeutschen Kammersinfonie im Uhlandbau.
Meistens knallen bei Neujahrskonzerten die Sektkorken im Walzer- und Polka-Reigen. Beim traditionell späten Konzert, mit dem die Sueddeutsche Kammersinfonie Bietigheim unter Peter Wallingers Leitung im Mühlacker Uhlandbau das neue Jahr begrüßt, gibt es musikalische Knaller selten, das Schaumgetränk nur während der Pause. Auch heuer präsentierten die Akteure ein sehr intimes Kammerkonzert - hauptsächlich melancholisch eingefärbte Stücke aus der höfisch-fürstlichen Epoche des Barock mit Schwerpunkt um Johann Sebastian Bach. Denn der barocke Großmeister bietet - so führte Maiken Wallinger in Ihren Textbeiträgen aus - gerade in unserer unruhigen Zeit „etwas Wohltuendes, Zufriedenstellendes‘.
Um das fein gegliederte Musikprogramm legte das Ensemble als Rahmen eine Orchesterfassung der schlichten „Aria” aus Bachs Goldberg-Variationen (BWV 988). Meditativ und kontrapunktisch anspruchsvoll musizierte das Kammerensemble Bachs „Ricercare á 6" aus dem „Musikalischen Opfer” (BWV 1079) nach dem Iegendären Thema, das Friedrich der Große dem Komponisten gestellt hatte. Als reizvollen Grenzfall zwischen Orchester- und solistischer Kammermusik interpretierten sechs Streicher und eine Theorbe-Spielerin Bachs Brandenburgisches Konzert Nr. 6 (BWV 1051). Das solistisch dominierende Bratschen-Paar (Andrea Lamoca Alvarez und Lilia Rubin) jagte sich temperamentvoll im ersten Satz, im Adagio umrankten sich beide Violen in kontemplativen Linien, im finalen Allegro leuchteten virtuose Sechzehntelketten.
Konzerthöhepunkte markierten zwei weitere Solistinnen mit Kompositionen von John Dowland und Henry Purcell. Gemächlich schreitend leitete das Orchester ein, dann sang die in Knittlingen beheimatete Sopranistin Julian Brittain mit berührend dunklem, sanftem Timbre Dowlands berühmtes Lied „Flow My Tears“. Aus vier simplen, im Quartgang absteigenden Tönen entfaltete sich trauernder Trennungsschmerz. Zur zart gezupften Theorbe (mit Lautinistin Barbora Hulcová) interpretierte die Sopranistin zudem Purcels „Music For A While" und dessen nach Shakespeare komponierte Schauspiel-Lied „If Music Be The Food Of Love“. Zu dieser seelenvollen Stimmung passten Dowlands „Sir John Smith His Almain“ für Laute solo (mit Hulcová) und das neuzeitlich-beschauliche, vom Kammerensemble mit verhaltenem Schönklang wiedergegebene Impromptu op.5 von Jean Sibelius. Auch die Zugabe - „Lascia ch'io pianga” aus „Rinaldo” von Händel mit der Sopranistin und dem Orchester - fügte sich wunderbar in das mit viel Applaus bedachte Matinee Konzert ein.
Autor: Eckehard Uhlig
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