Für einen Rückblick hat Peter Wallinger eigentlich gar keine Zeit. Zu sehr beschäftigt ihn die anstehende musikalische Herausforderung, die ständig neue Beschäftigung mit der Musik, die er auf seinem Instrument, dem Orchester, spielt. „Sprechend interpretieren“ will er die Werke – gene auch solche unbekannter Komponisten – und hat so eine eigene Klangsprache entwickelt. Dass diese in der Region offenbar verstanden wird, davon legt der Erfolg des „Musikalischen Sommers“ Zeugnis ab, jeden Konzertreihe, die der Dirigent und Musikpädagoge aus Zaisersweiher ins Leben gerufen hat. Mit der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim hat er einen Klangkörper geformt, der in der Frauenkirche Lienzingen, aber auch überregional auf sich aufmerksam gemacht hat. 2009 feiert das Ensemble, das aus einer Gruppe besonders begabter junger Musiker aus dem Raum Stuttgart heranwuchs, sein 25-jähriges Bestehen.
Am Anfang standen Idealismus und auch Wagemut. Von beidem brachte Peter Wallinger das nötige Maß auf, um das kleine, aber feine Orchester zu gründen. „Der Impuls kam von Ehemaligen des Bietigheimer Ellental-Schulorchesters, die in den 80er Jahren in relativ großer Zahl Musik studierten und zu zwei bis drei Projekten im Jahr zusammenkommen wollten“, erinnert sich der Musiker. Damals wie heute werde kompakt und konzentriert geprobt, das Ergebnis dann in Konzerten präsentiert. Statt der ursprünglich 25 Mitglieder zähle die Kammersinfonie heute bis zu 40 Instrumentalisten aus rund einem Dutzend Nationen, doch könne sich keiner verstecken: Gefordert sei jeder Einzelne, um dem Ideal von einem transparenten Klangbild nahe zu kommen.
Doch der Dirigent studiert nicht nur die Noten, die er den Instrumentalisten jeweils zwei Wochen vor Probenbeginn exakt bezeichnet zukommen lässt, sonden auch der Terminkalender. Mindestens ein Jahr im Voraus stehe die Planung der Konzerte, sagt Wallinger. So sei es möglich, die Fluktuation im Orchester gering zu halten und die Musiker – auch solche, die in Top-Orchestern tätig seien – könnten sich rechtzeitig freistellen lassen. Die Bläsergruppe sei seit Jahren stabil und bestens aufeinander eingespielt, und bei den Streichern bildeten etwas drei Viertel der Gruppe einen festen Stamm. „Eine Cellistin ist seit 20 Jahren dabei“, erzählt Peter Wallinger, die Geigerin Susanne Crawford, ehemals Konzertmeisterin im Ellentalorchester, sei von Anfang an mit von der Partie. Auch regional sei das Orchester verwurzelt, so komme der erste Cellist Bernhard Lörcher aus Maulbronn, der erste Fagottist Frank Lehmann aus Vaihingen. Weitere Mitspieler wohnten in Ensingen, Sachsenheim und Pforzheim. Allen gemeinsam sei die Spielfreude, die sie zu den mittlerweile fünf bis sechs Projekten pro Jahr mitbrächten. „Das ist das richtige Maß, um keinerlei eingefahrene Routine aufkommen zu lassen, die Motivation zu wahren und gleichzeitig ein gut eingespieltes Ensemble zu bleiben“, sagt der Dirigent.
Vom Ergebnis seiner Arbeit konnten sich die Besucher des „Musikalischen Sommers“ in der Frauenkirche und seit kurzem auch in der Reihe „Mühlacker Concerto“ im Uhlandbau überzeugen. „Wir hatten immer wieder Einladungen, zum Beispiel nach Genf, Stuttgart, zu den Klosterkonzerten und zu Produktionen des SWR“, beschreibt Wallinger den Aktionsradius des Orchesters. Bisher habe er sich weniger auf überregionale Publicity konzentrieren wollen. Den Auftritt bei Festivals sehe er als einen nächsten Schritt. Doch dafür gelte es das Orchestermanagement noch zu verbessern. „Mit Glück, dass heißt mit Geldern, schaffen wir es hoffentlich, einen qualifizierte Kraft einzustellen“, blickt der Dirigent voraus. Hören lassen, und das hätten bekannte Solisten bestätigt, könne sich die Kammersinfonie durchaus auch auf überregionaler Bühne. Dass sich das Orchester seinen guten Ruf zu Recht erworben hat, will es im Jubiläumsjahr gleich mehrfach beweisen.
Ein erstes Konzert findet heute um 20 Uhr im Mühlacker Uhlandbau statt. Unter dem Motto „Facetten der Romantik“ spielt die Kammersinfonie unter der Leitung von Peter Wallinger das „Siegfried-Idyll“ und das Vorspiel zum dritten Aufzug aus den „Meistersingern von Nürnberg“ von Richard Wagner, die Serenade A-Dur opus 16 von Johannes Brahms und die Rokoko-Variationen opus 33 für Violoncello solo und Orchester von Peter Tschaikowsky. Solist die der französische Cellist Francis Gouton.
Druckfrisch wird den Konzertbesuchern die Jubiläumsbroschüre „25 Jahre Kammersinfonie“ präsentiert. Erstmals vorgestellt wird auch die aktuelle Doppel-CD des Orchesters.
Carolin Becker