Kein aufwendiges Ritual, wie es sonst bei solchen Gelegenheiten gern zelebriert wird. Stattdessen fröhliche Leichtigkeit. Passend zum Vorfrühlings-Sonnenschein und zum lichtdurchfluteten Ambiente bereitete das Neujahrskonzert in Ötisheim eine helle Freude. Das lag vor allem an flink zwitschernden Töne-Kaskaden, zart ausgezogenen Klangbögen und virtuos sprühenden Cluster-Girlanden. Damit verzauberte Blockflötist Daniel Koschitzki die Zuhörer in der bis auf den letzten Winkel besetzten, erst kürzlich restaurierten und zum Konzertsaal umfunktionierten Historischen Kelter. Der alle Erwartungen übertreffende Erfolg war natürlich auch ein Verdienst der von Peter Wallinger geleiteten „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“, die dem Bläsersolisten einfühlsame Streicher-Grundierungen und mancherlei musikantische Impulse offerierte.
In zwei Konzertstücken demonstrierte der preisgekrönte und von der Bundesregierung zum „Kultur- und Kreativpiloten Deutschlands“ berufene Blockflöten-Virtuose seine glanzvolle Kunstfertigkeit. Das mit furioser Rasanz musizierte Allegro aus einem F-Dur-Concerto für Sopranblockflöte und Orchester des in Mailand geborenen und in London bei Händels Oratorienaufführungen mitwirkenden Oboisten Giuseppe Sammartini war eine Wucht: Glitzernde Trillerketten, hüpfende Arpeggien und brillant ausgeformte Akzente bestimmten die Komposition.
Frappierend Koschitzkis schwebende Behändigkeit bei lupenreiner Intonation – blockflötenübliche Unsauberkeiten Fehlanzeige! Dasselbe Bild bei noch gesteigerter Virtuosität mit der kleinsten aller Blockflöten zeigte sich in Antonio Vivaldis dreisätzigem Concerto C-Dur für Sopranino und Streichorchester (RV 443). In spieltechnisch unglaubliche Höhen aufsteigende, atemberaubend endlose Tempoläufe zeichneten das orchestral abgefederte Einleitungs-Allegro aus. Largo-Schönheiten mit weichen Melodiebögen über kraftvollem Streichersound lösten im zweiten Satz Sehnsuchts-Stimmungen aus, wie man sie dem Flöten- und Hirtengott Pan zuschreibt. Nicht nur hier reagierte die zerbrechliche Miniaturblockföte empfindsam noch auf die feinsten Atemschübe. Schlackenfrei klar und temperamentvoll das abschließende Allegro molto, das der fulminanten Interpretation die Krone aufsetzte. Publikumsjubel und Bravorufe sowie eine Zugabe (Allegro molto für Blockflöte solo von Benoit Tranquille Berbignies) waren die Folge.
Das von Wallinger ausgelassen zupackend dirigierte, munter aufspielende Streicherensemble punktete freilich auch ohne Solisten. Mit barocker Klangpracht in Vivaldis Concerto G-Dur „Alla Rustica“ (op.51, Nr.4), heiter mit einer A-Dur-Streichersonate von Rossini oder romantisch schwelgend mit Puccinis Bravourstück „Chrysanthemen“ für Streicher. Überhaupt lebte das bunte, von Edgar Wipf kompetent moderierte und unter den Titel „Venedig-Prag“ gestellte Nummernprogramm vom atmosphärischen Kontrast der historischen Aufführungsorte und Epochen. Die böhmische Musik war mit Walzern von Dvorák, einer selten zu hörenden Streicher-„Idylle“ von Leos Janácek und einem arios galanten, für Orchester gefassten Quintetto in Es-Dur von Josef Myslivecek vertreten. Walzer-Takt und der süße Schmelzklang der Geigen werden als Nachhall bleiben. Aber das gehört zu einem richtigen Neujahrskonzert einfach dazu.
Eckehard Uhlig