Konzertreihe „Mühlacker Concerto“: Ausgelassen aufspielendes Orchester begleitet jungen Klarinettenakrobaten. Schillernde Klangfarben erfreuten die Besucher der beiden Konzerte der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim sowohl in der Historischen Kelter von Ötisheim als auch am Sonntagnachmittag im Bietigheimer Kronensaal.
Bietigheim-Bissingen/Ötisheim. Unter dem Titel „à la française“ wählte Orchesterleiter Peter Wallinger für die Fortsetzung der Reihe „Mühlacker Concerto“ Werke französischer Komponisten des 20. Jahrhunderts aus. So fröhlich und locker hörte man die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim noch nie musizieren. Schon mit „Valses nobles et sentimentales“, einem der köstlichsten Werke von Maurice Ravel, wurde dieser Eindruck vom ersten Takt an bestätigt. Acht in den Stimmungen sehr unterschiedliche Stücke im Dreivierteltakt hatte der Komponist 1911 zunächst für das Klavier geschrieben, die 1914 in der Orchesterfassung uraufgeführt wurden. Seither zählen sie neben dem „Bolero“ zu den besonders beliebten Kompositionen Ravels. Auf einen furiosen Auftakt mit einem keineswegs gemütlichen Walzer folgen Walzerepisoden, die wie ein kurzes, hell flackernd aufleuchtendes Blitzlicht durch den Raum zucken. Sie sind mal, wie der Titel besagt, „nobel“, dann wieder vital beschwingt, aber auch überaus empfindungsreich oder sehnsuchtsvoll. Peter Wallinger hielt, entgegen sonst weitläufig verbreitetem Brauch, zwischen den einzelnen Sätzen kurze Pausen ein. Aber damit erreichte er eine wundervolle Transparenz der Komposition, die von der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim mit enormem Schwung nuanciert und leichthin fließend ausgeführt wurde.
Das Konzert für Klarinette und Orchester von Jean Français erschien wie für den hinreißend musizierenden Solisten des Abends, den 25-jährigen Klarinetten-Virtuosen Sebastian Manz aus Hannover, „auf den Leib geschrieben“. Im Jahr 1967 wurde das technisch unfassbar anspruchsvolle Werk uraufgeführt. In der Tat verlangt die Ausführung des Soloparts geradezu akrobatisches Können, und eben dies vermochte der Ausnahmemusiker auf faszinierende Weise hörbar zu machen. Facettenreich sind die Stimmungen darin, denn auf ein keckes Allegro, in dem Manz seine überragende Virtuosität, unter anderem auch in einer brillanten Kadenz, erstmals glanzvoll ausbreiten konnte, folgte ein rhythmisch pointiertes Scherzando, in das Jean Français allen erdenklichen musikalischen Witz verpackte. Verträumte Melodik prägte das Andantino, in dem auch der Solist mit zart intoniertem Spiel im Duett mit der Flöte empfindsame Lyrik verbreitete. Sprudelnde Klangkaskaden rissen im Allegrissimo auch den ohnehin mit pantomimischem Körpereinsatz musizierenden Sebastian Manz offensichtlich mit, so dass er ein bunt glitzerndes Brillantfeuerwerk auf der Klarinette mit unübertrefflicher Bravour ausführte. Das riss die Konzertbesucher förmlich von ihren Sitzen, wie der jubelnde Beifall bewies, für den sich der sympathische Musiker noch mit einem nicht minder virtuos dargebotenen Solostück von Igor Strawinsky bedankte. Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim begleitete den Klangzauberer auf seinem Instrument mit akzentreichem, außerordentlich unbeschwert dahinströmendem Spiel.
Um die Heiterkeit, den musikalischen Humor regelrecht auf die Spitze zu treiben, entlockte Peter Wallinger seinen Musikerinnen und Musikern emotionale und lodernde Musizierfreude bei der Aufführung einer sehr selten zu hörenden Komposition von Darius Milhaud mit dem Titel „Le Boeuf sur le Toit“ (Der Ochse auf dem Dach), Opus 58. Das nur etwa 20 Minuten dauernde, scherzoähnliche Stück basiert auf einem brasilianischen Volkslied, das zunächst als Klavierkomposition im Jahr 1919 geschrieben wurde. Südamerikanische Folklore und Rhythmik bestimmen das Werk, das die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim rasant, temperamentvoll und regelrecht übermütig ausführte. Darius Milhaud ließ es in seiner glutvollen Komposition manchmal auch reichlich schräg klingen, aber genau das machte deren spezifischen Reiz für die Ohren der Zuhörer aus. Eine Tango-Passsage aus dem Ochsen auf dem Dach erklang als Zugabe.
Rudolf Wesner