Musik aus zwei Jahrhunderten bot das Sommerkonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim unter Peter Wallinger mit ihrer Solistin Verena Guthy-Homolka im Großen saak des Kulturhauses.
Weil der Schlosshof derzeit umgebaut wird, musste die diesjährige Ausgabe der Sommerkonzerte auf den Großen Saal im Kulturhaus zurückgreifen. Damit wäre auch schon der einzige Wermutstropfen des Samstagabends in Sachsenheim benannt, denn das Wetter hätte ja perfekt mitgespielt. So musste man sich damit behelfen, vor der zweiten Hälfte die Türen zu öffnen, um den strahlenden Sommerabend nebst etwas Frischluft Einlass zu gewähren.
Aber auch drinnen genossen die rund 80 Besucher beim Gastspiel der Süddeutschen Kammersinfonie Beitigheim ein Programm, das deren Leiter Peter Wallinger eigens für diesen Anlass (sowie die tags darauf erfolgte Wiederholung in Lienzingen) zusammengestellt hatte und das wie angegossen passte: Musik aus zwei Jahrhunderten von Johann Sebastian Bach (1685-1750) und Igor Strawinsky (1882-1972), angereichert mit zwei Preziosen der amerikanischen der amerikanischen Komponisten Samuel Barber (1910-1981) und Charles T. Griffes (1884-1920), fügte sich zu einem Serenadenkonzert par excellence. Dass sich mit Verena Guthy-Homolka die Solo-Flötistin in Bachs Orchestersuite NR 2 h-Moll BWV 1067 azs deb eugebeb Reugeb rekrutierte, erwies sich als Glückfall. Selten erlebt man die für diese sieben Sätze erforderliche Feinabstimmung zwischen Esemble und Solist gelungener. Exakt treffen die 18 Musikerinnen und Musiker den höfisch-festlichen Gestusder Ouvertüre, in der sich französische und italienische Elemente mischen, mit jedem der folgenden TÄnze scheinen sie wärmer zu werden, steigern ihre Präsenz Satz um Satz und bereiten der wundervoll selbstverständlich geführten Traversflötenstimme von Guthy-Homolka eine maßgeschneiderte Unterlage. Fulminant ihre Dialogpassagen mit Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi, die mit gestochen scharf kontinuierten Kantilenen eine Gesprächspartnerin auf Augenhöhe war, makellos ihre Intonation, virtuos bewältigt sie die in hohem Tempo dahinjagende, abschließende Badinerie.
Farbenreicher Ensembleklang
Mit mal kreisrunden, dann wieder minimalistisch reduzierten Schlagfiguren steht Wallinger vor seinem hervorragend eingestellten Ensemble. Vom ersten Moment an begeistert ihr hochkultivierter, so homogen wie farbreicher Ensembleklang, ihr dynamisches Differenzierungsvermögen und ihre rhytmische Akkuratesse. Manches klingt wie auf Zehenspitzen gespielt, gemessen mit lyrischen-pastoralem Einschalg die elegante Sarabande, munter eilend dagegen die Polonaise, Wallinger swingt jetzt fast auf seinem Podest, metrisch ungeheuer prägnant die schwungvoll agierende, um die Cembalistin Sofija Grgur erweiterte Continuo-Gruppe, nahezi ein Tango das Menuett.
Brillant auch das von Wallinger eigens für Flöte und Orchester arrangierte „Poem“ von Charles T. Griffes, in dem neben Guthy-Homolka die erste Cellistin Chihiro Saito, die wie Konzertmeisterin Kobayashi und Mathias Neundorf, Stimmführer der Zweiten Violinen, auch Mitglied des renommierten Lotus String Qurtet ist, solistische Akzente setze. Einer sich öffnenden Knospe gleich entfaltet Guthy-Homolka das Thema, Landschaftsbilder steigen vor dem inneren Auge auf, Licht- und Schattenspiel in nebligen Flussauen, Schmetterlinge tanzen auf einer Lichtung Lichtung auf ausgesprochen hohem Niveau realisierten sie die von Dvorák erinnernde impressionistische Klangmalerei.
Als Verschnaufpause für Guthy-Homolka hatte man Barbers „Adagio for Strings“ eingeschoben. Das einsätzige Intrumentalstück wurde untere anderem auf den Beerdigungen von John F. Kennedy, Grace Kelly und Albert Einstein gespielt und geriet zur Paradenummer für die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim. Eine wunderbare Gelegnheit, das exzellente Blending in ihrem Streicheschmelz zu zelebrieren.
Durchweg erwies sich das treffend benannte Orchester als Formation, die den ambitionierten Anspruch ihrer Programme sowohl spieltechnisch als auch in der gesalterischen Durchdringung fabelhaft einzulösen wusste.
Kontrastreiche Sätze
Mit einem wahren Klangfeuerwerk war der Höhe- und Schlusspunkt des Konzerts erreicht: Strawinskys „Concerto in Re“ schloss an die motorische Bewegtheit von Bach an, entwickelt in drei kontrastreichen Sätzen aber eine bei weitem eindringlichere, expressive Gestalt: spannungsgeladen die Pizzicati der Celli zum Auftakt im Vivace, sanft wogend Arioso und Andantino, im Rondo stößt Bratscherin Laura Möhr ein nervöses Ostinato an, stechend antworten ide Violinen. Dankbarer Beifall auch für diesen oft turbulenten, fast akrobatischen und mutigsten Programmteil, dessen zweiter, langsamer Satz als ZUgabe eine Reprise erfuhr, womit das Konzert einen armonisch-versöhnlichen Ausklang fand.
Harry Schmidt