Beim Auftritt der sueddeutschen kammersinfonie bietigheim überzeugen Künstler und Technik
Bietigheim/Mühlacker. Das traditionelle Adventskonzert der sueddeutschen kammersinfonie bietigheim fiel in diesem Jahr etwas anders aus als sonst: Ohne Zuschauer, dafür als aufgezeichneter Stream auf den Computern zahlreicher Zuhörer: Über 300 Aufrufe hat das Video bereits zu verzeichnen. Es ist unter www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto beziehungsweise www.sueddeutsche-kammersinfonie.de zu sehen.
Der Dank des Orchesters und seines Dirigenten Peter Wallinger ging dabei vorneweg an diejenigen, die dieses „außergewöhnliche Projekt“ finanziell unterstützt haben – Förderverein, Kulturamt Bietigheim, die Regierungspräsidien in Stuttgart und Karlsruhe und vor allem auch „allen unseren Unterstützern aus Mühlacker“. Gemeinsam haben sie dieses Konzert erst möglich gemacht, ein schönes Bild auch für das, was in diesen nicht immer ganz einfachen Zeiten zählt: zusammenhalten und kreativ werden. Darauf kommt es an. Dann öffnen sich auch neue Perspektiven und vieles wird möglich. In dem Fall ein Konzertgenuss, über die Bildschirme direkt nach Hause serviert.
Zu verdanken ist das in dem Fall natürlich besonders auch dem Team hinter dem Orchester, sprich: Thomas Schmidt, der sich für die Tonmischung verantwortlich zeichnete, sowie Theresa Mammel, die sich um einen adäquaten Schnitt verschiedener Kameraperspektiven kümmerte, mit denen mal das Ensemble in der Totalen, mal einzelne Musiker während des Spiels ganz nah zu sehen waren. Optisch klug komponiert, zog es einen als Zuschauer damit quasi mitten hinein auf die Bühne, mitten hinein in das filigrane und akzentuierte Spiel, das nicht nur das Orchester, sondern vor allem auch die Solistin Magdalena Müllerperth am Flügel auszeichnete.
Das wurde schon in den ersten Minuten des im Kronenzentrum Bietigheim aufgezeichneten Konzerts deutlich, beim Klavierkonzert A-Dur, KV 414, von Wolfgang Amadeus Mozart. Ein vielschichtiges Werk mit vielen feinen Nuancen, das wunderbar als Einstieg in dieses Konzerterlebnis diente. Präsentierte sich das Orchester zunächst einfühlsam und fast verhalten dezent, entwickelte sich allmählich ein virtuoses Miteinander, bei dem nicht zuletzt die aus Schmie stammende Müllerperth mit ihrem überaus präzisen und nachhaltig akzentuierten Spiel begeisterte. Hingebungsvoll ging sie in dem Werk auf, das sie förmlich mit Leben füllte – in dem Fall dank der Kameraperspektive auch sehr schön an ihrer Mimik abzulesen. Auch das ist natürlich ein Vorteil einer solchen Aufzeichnung, wenn sie Einsichten zeigt, die man im Live-Charakter in dieser Nähe nur bedingt hat. Die Süddeutsche Kammersinfonie wiederum war Müllerperth ein kongenialer Partner, als das Ensemble beispielsweise den zweiten Satz besonders inniglich und mit einer fesselnden Tiefe eröffnete und damit auch dessen Charakter eindrucksvoll zum Ausdruck brachte.
Mit den Variationen in C-Dur über das Lied „Ah! Vous dirai-je, Maman“ setzte Müllerperth im Mittelteil einen weihnachtlichen Akzent, eingeleitet durch die geradezu heiter beschwingte Interpretation des Liedes, das in Deutschland als „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ besser bekannt ist. Dessen Motiv griff sie später in verschiedenen Facetten und Tempi auf und lieferte eine bemerkenswerte Bandbreite an Charakteristika vom förmlich in sich gekehrten Moment bis hin zur lebendig-forschen Ausgelassenheit. Auch hier wieder sehr präzise intoniert, verbunden mit dem richtigen Feingefühl für dynamische Erfordernisse, die dem Werk seine klanglich beeindruckend variantenreiche Vielfalt und Schönheit verlieh.
Das Konzert abgeschlossen hat das Orchester mit einem der beliebtesten Orchesterwerke von Franz Schubert: Es erklang die Sinfonie Nummer 5 in B-Dur, bei der die sueddeutsche kammersinfonie bietigheim ihre Stärken in Sachen Spielfreude und Homogenität ausspielen konnte, ein vielfach anmutiger Moment, der auch manche Schwermütigkeit in diesen Corona-geprägten Tagen schnell vergessen lassen kann.
Es war damit auch ein passender Schlussakzent für dieses rund 75-minütige Konzert, das nicht zuletzt eines gezeigt hat: Mit dem richtigen Team im Hintergrund und der passenden Technik ist eine solche Online-Übertragung ein echter Gewinn. Nur eines fehlte am Ende natürlich: Der Applaus des Publikums.
Stefan Friedrich