Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim spielt am Wochenende zweimal
BIETIGHEIM/MÜHLACKER. Nachdem die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim (SKB) die Pandemiedurststrecke mit professionell inszenierten Videoaufzeichnungen überbrückte, die nach wie vor auf der Homepage des 1984 von Peter Wallinger gegründeten Ensembles abrufbar sind, können die traditionellen Adventskonzerte der SKB nun erstmals seit 2019 wieder uneingeschränkt live vor Publikum stattfinden. Mit Sebastian Manz hat Wallinger dazu einen Solisten eingeladen, der nicht nur hierzulande kein Unbekannter ist: Der Soloklarinettist des SWR-Symphonieorchesters und mehrfache Echo-Preisträger wird von vielen Klassikfans für seine lebendigen Interpretationen geschätzt und erfreut sich als Solist auch international großer Beliebtheit. Mit Peter Wallinger verbinden den 36-Jährigen, der auch am Neujahrskonzert des Sinfonieorchesters Ludwigsburg mitwirken wird und am Stadtrand von Stuttgart wohnt, eine langjährige musikalische Zusammenarbeit.
Skurril und fast gespenstisch
Ebenfalls sehr populär ist Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert (KV622). Dem Wiener Hofklarinettisten Anton Stadler gewidmet, gehört insbesondere das kantable Adagio spätestens mit der Verwendung als Filmmusik in „Jenseits von Afrika“, zu den bekanntesten Werken des Österreichischen Komponisten. „Die schönste Adventsmusik, die man sich vorstellen kann”, da seien Manz und er sich einig, so Wallinger. Die Niederschritt des A-Dur Konzerts hat Mozart nahezu unmittelbar nach Uraufführung der „Zauberflöte“ am 30. September 1791, wenige Wochen vor seinem Tod, beendet. Insofern Ist es sein letztes Solokonzert. Seinerzeit brandneu war die Bassettklarinette, für die Mozart dieses Konzert ursprünglich geschrieben hat. Nachdem es mehr als 150 Jahre in einer Bearbeitung für die normale A-Klarinette erklungen war, hat vor allem Sabine Meyer dazu beigetragen, dass verstärkt wieder rekonstruierte Fassungen mit entsprechenden Instrumenten zu Gehör kommen. Keine Frage, dass Manz, der in Lübeck bei Sabine Mayer und Rainer Wehle studiert hat, ebenfalls eine Bassettklarinette spielen wird.
Zwei weitere Spätwerke komplettieren das Programm: „Wir wollten auf jeden Fall Joseph Haydn und Mieczyslaw Weinberg aneinander rücken”, erklärt Peter Wallinger. Den jüdischen Komponisten polnischer Herkunft, der 1939 nach Moskau floh und ein enger Weggefährte Schostakowitschs war, habe man für sich entdeckt, als der niederländische Primgeiger Tjeerd Top im März 2021 mit der SKB dessen Concertino (Op. 42) aufgeführt hat. Als „Appetizer“ (Wallinger) auf einen Weinberg-Zyklus, bei dem alle vier jeweils auf Streichquartette basierende Kammersinfonien uraufgeführt werden, serviert die SKB schon mal dem Moderato-Mittelsatz der 2. Kammersinfonie (Op. 147, 1987). „Ein langsames, skurriles, fast gespenstisches Scherzo, das im Duktus sehr an Gustav Mahler erinnert”, so Wallinger „instrumentales Theater, aber überhaupt nicht illustrativ.” Parallelen zu Haydn sieht Wallinger vor allem in einem Formbewusstsein, dessen Klarheit einem geradezu klassischen Ideal folgt, wobei die eher selten gespielte Sinfonie Nr. 81 in G-Dur, die bei den Adventskonzerten Peter Wallingers Sohn Simon dirigieren wird, vermutlich 1794 entstanden, als letzte der sogenannten Esterhazy-Sinfonien die „experimentelle Phase“ Haydns abschließe, und dabei sehr reif und ausgeglichen wirke, im Einzelnen dann aber doch mit recht unkonventionellen Detail aufwarte: „Eigenwillig, aber insgesamt rund und ausgewogen“ – mit dieser Definition könnte man dann auch Wallingers komplettes Adventskonzertprogramm überschreiben.
INFO Heute Abend gastiert die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim um 19 Uhr im Bietigheimer Kronensaal, morgen um 17 Uhr im Uhlandbau in Mühlacker. Weitere Infos unter www.sueddeutsche-kammersinfonie.de
Autor: Harry Schmidt