Mühlacker-Lienzingen. Ältere Menschen freuen sich, wenn das, was sie erfolgreich aufgebaut haben, an würdige Nachfolger weitergegeben werden kann. Bei Peter Wallingers Süddeutscher Kammersinfonie Bietigheim scheint dieses Problem gelöst. Denn nicht nur die Interpretation von Dimitri Schostako-witschs Kammersinfonie c-Moll (op.110a) beim „Musikalischen Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche mit Sohn Simon am Pult, der das Wallinger-Ensemble souverän mit geschmeidigen Gesten dirigierte, war erste Sahne.
Mit prächtigem Raumklang und dunklen Farben entfaltete sich in Rudolf Barscheis Streicher-Ensemble-Bearbeitung der Schostakowitsch-Symphonie das klagende Einleitungs-“Largo““. Temperamentvoll auftrumpfend, die Klangwucht von maschinenhaft hämmernden Rhythmen unterlegt, folgte das „Allegro molto“. Frohgemut musikantische Spitzen präsentierte das „Allegretto“. Solistisch in feinem Legato ausgesungene Melodie-Linien zeichneten die beiden abschließenden, zunächst von heftigen Tutti-Einwürfen akzentuierten „Largo“-Sätze aus, deren Letzterer zart verdämmerte. Mit dieser Kammersinfonie – so beschreibt es die Musikwissenschaft – erzählte der Komponist, Trauer und Trost komprimierend, sein unter der Stalin-Herrschaft in Russland bedrohtes Leben.
Auch zwei andere in der Konzert-Matinee unter Simon Wallinger aufgeführte Werke zelebrierten musikalisches Dunkel in Moll. Vor allem das Allegro aus der Kammersinfonie Nr. 1 (op. 145) des jüdischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg, der mit Schostakowitsch bekannt war. Die in abrupt abgebrochenen Aufschwüngen erregende Binnenstruktur des Symphonie-Satzes wurde von den Interpreten dynamisch intensiv herausgearbeitet. Danach mündete die Suite für Streicher in a-Moll (op.1) des mit volkstümlichen Liedern in seinem Heimatland Dänemark populären Komponisten Carl Nielsen, aus dunklen Klangbildern aufsteigend, über tänzerisch schwungvolle Rhythmen in ein mehrfach orchestral aufblühendes Finale.
Nie fehlt dem „Musikalischen Sommer“ der heitere Serenaden-Ton. Diesmal sorgte dafür die Wiedergabe von Franz Schuberts Rondo A-Dur für Violine und Orchester (D 438) mit der exzellenten Solistin (und Konzertmeisterin) Maryana Osipova. Eine gefällig-heitere, luftig-leichte, sich solistisch in höchste Höhen aufschwingende sommerfrische Musik, die – gewissermaßen lächelnd ausgeführt – jegliche Düsternis verscheuchte. Die Zuhörer dankten mit jubelndem Applaus.
Autor: Eckehard Uhlig