Dreimal war die „Sommerliche Serenade“ der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim an diesem Wochen ende in der Region zu erleben. Am Pult überzeugte Peter Wallingers Sohn Simon Wallinger, als Violinsolistin brillierte Maryana Osipova.

Die SKB Bietigheim mit Dirigent Simon Wallinger. Foto: Christiana Kunz


MÜHLACKER-LIENZINGEN/SACHSENHEIM. Die „Sommerliche Serenade“ ist einer der fünf Fixbausteine im Konzertkalenderjahr der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB). Wobei der Sachsenheimer Schlosshof und die Liebfrauenkirche in Lienzingen zu den langjährigen Spielstätten dieses Programms gehören. Erstmals kam die Sommerliche Serenade“ am vergangenen Wochenende nun dreimal zu Gehör: Auf Einladung von Gudni Emilsson, dem Leiter des Tübinger Kammerorchesters, gastierte die SKB am Samstagabend im Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen. Das geplante Open-Air in Sachsenheim wurde indes aufgrund der unsicheren Wetterlage in den Saal des dortigen Kulturhauses verlegt. Die von uns besuchte Aufführung in der Lienzinger Liebfrauenkirche ist auch Teil der Konzertreihe „Musikalischer Sommer“, mit der Peter Wallinger seit 1977 das Kulturleben der Stadt Mühlacker bereichert.

Dessen Sohn Simon Wallinger steht nun vor einer deutlich verjüngten SKB – als Solo-Kontrabassist im Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim hat sich das Netzwerk des auch als Pianist und Continuo-Cembalist ein Erscheinung tretenden Dirigenten nochmals erweitert – und setzt mit dem Kopfsatz der Kammersinfonie Nr. 1″ (0p. 145) den 2021 begonnenen Weinberg-Zyklus fort. Das 1987 veröffentlichte Werk des polnisch – sowjetischen Komponisten geht zwar auf dessen zweites Streichquartett (Op. 3) zurück, fasst aber die Faktur mit Rückbezügen auf klassische, teilweise frühklassische Tonsetzer wie Haydn, Mozart oder Schubert mehr im Sinn von Prokofjews erster Symphonie auf. Simon Wallinger hält die 16 Musikerinnen und Musiker der SKB zu einer so konzentrierten wie nuancierten Wiedergabe dieses immer zerklüfteter sich gestaltenden Allegros an.

Nicht minder trennscharf musizierte Schicksalsmusik dann im Anschluss die Kammersinfonie c-moll“ (Op. 110a) des mit Mieczyslaw Weinberg befreundeten Dmitri Schostakowitsch. Rudolf Barshais Bearbeitung dessen achten, 1960 uraufgeführten Streichquartetts (Op. 110) für Streichorchester übersetzt die fünf Sätze des in Dresden erstandenen Werks in kammersinfonische Dimensionen. Die ursprüngliche Komposition wurde mit dem Zusatz Im Gedenken an die Opfer des Faschismus und des Krieges veröffentlicht, in Schostakowitschs Briefzeugnissen aber als stark autobiografisch geprägt charakterisiert (Man könnte auf seinen Einband auch schreiben: Gewidmet dem Andenken des Komponisten dieses Quartetts“). Dem Fugato der DESCH-Signatur (gebildet aus den Notenwerten D-Es-C-H, stellvertretend für die Initialen seines Namens) im ersten „Largo“ folgen chromatische Gedanken, ein Quartmotiv und ein Zitat aus der 5. Symphonie, insgesamt herrscht Requiem-Stimmung.

In größtmöglichem Kontrast schließt nahtlos ein dauererregtes Allegro molto“ mit brutal schroff gestoßenen Staccato-Salven des Orchesters an, zwischen denen ein jüdisches Klagelied allerdings so hymnisch auftritt, als wär’s von Chatschaturjan eingeworfen. Das Mahlersche Scherzo des „Allegretto“ bereitet als ironischer Walzer auf die Exekutionsszenen des vierten Satzes vor, in denen unerbittlichen Tutti- Schlägen die einsame Stimme der 1. Violine von Konzertmeisterin Maryana Osipova gegen übersteht, zunächst als beklemmend anhaltender Bordun-Ton, dann mit einem Klagegesang, der vom 1. Cello aufgenommen und gesteigert wird und im finalen „Largo“ nach einer weiteren DESCH-Fuge in Dissonanzen ersterbend verklingt.

In Franz Schuberts von 1816 datierendem Rondo A-Dur“ brilliert Maryana Osipova, Primaria des Frankfurter Eliot Quartetts, nach der Pause als ausdrucksvolle Solistin mit außergewöhnlich geschmackvoll formulierter, ausgefeilt-geschliffener Klanggestaltung in lyrischen wie virtuosen Passagen gleichermaßen.

Ein typisches Wallinger-Kleinod zum Ausklang: Carl Nielsens „Kleine Suite“ für Streicher a- Moll von 1888. Sie ist ein reifes Frühwerk des seinerzeit erst 22- jährigen Komponisten. Und dass die Pflege skandinavischer Literatur Simon Wallinger ebenso wie seinem Vater ein großes Anliegen und somit in besten Händen ist, lässt sich seiner lebendigen wie konzisen Interpretation der drei Sätze unschwer entnehmen.

Autor: HARRY SCHMIDT

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