Im Adventskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim bringt Simon Wallinger „María de Buenos Aires“ im Bietigheimer Kronenzentrum in einer eigenen Fassung zur Aufführung. Hierzulande ist Astor Piazzollas einzige Oper eine Rarität auf der Bühne.

Hinreißender Konzertabend: Die SKB beim Adventskonzert im Kronenzentrum. Foto: Alfred Drossel

BIETIGHEIM-BISSINGEN. Ein Adventskonzert gänzlich anderer Art hat die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim (SKB) am Samstagabend im Kronenzentrum gegeben: Anstelle eines Potpourris feierlicher Klänge in festlicher Vorfreude erklang mit „María de Buenos Aires“ das einzige Bühnenwerk von Astor Piazzolla, dem 1921 im argentinischen Mar del Plata geborenen Bandoneonisten und Komponisten, der als Erfinder des Tango Nuevo gilt – in kompletter Länge, eigenem Arrangement und einer halbszenischen Inszenierung, die im Herbst bei der Lienzingen-Akademie vorgestellt und den technischen Gegebenheiten im Kronensaal angepasst wurde, insbesondere, was den Einsatz von Lichtstimmungen angeht. Dazu stand die SKB als siebenköpfiges Tangoensemble auf der Bühne, unter der Leitung von Simon Wallinger, wobei der Sohn des Orchester gründers Peter Wallinger als Kontrabassist selbst als Musiker beteiligt war.

Ultraviolett leuchtet der Bühnenraum, als Markus Däunert (Violine), Elya Levin (Flöte/Piccolo), Konstanze Bodamer (Cello), Leonel Gasso (Bandoneón), Sophia Weidemann (Klavier), Markus Hauke (Perkussion) und Walinger das Tango-Thema des „Alevare“ anstimmen, während Johann-Michael Schneider in der Sprechrolle des Geistes den dunklen Saal mit beleuchtendem Textbuch durchquerend seine „Beschwörung der María“ in maliziös geschärftem Tonfall „durch einen Riss im Asphalt der Straße“ vorträgt und zum (jenseitigen) Leben erweckt. So wie die vergessene Stimme Marías, die daraufhin als Mensch erscheint und sich mit einer folkloristischen Vokalise einführt, die Piazzolla mit Bartók-Referenzen instrumentiert.

Dunkel timbrierter Mezzosopran

Die mexikanisch-amerikanische Sängerin Mónica Soto-Gil Salas hat sich ihre Titelpartie als Mater Dolorosa zurechtgelegt, die bittere Würde der Schmerzensreichen entspringt ihren Verletzungen, zeitigt aber auch eine verhärmte Abwehr, entsprechend expressiv zeichnet Salas diese Figur mit ihrem tragfähigen, dunkel timbrierten Mezzosopran. Kongenial als Dritter im Bunde der (Sing-)Darsteller ist Santiago Bürgi, gebürtig wie ausgebildet in Buenos Aires und seit der Spielzeit 2021/22 festes Ensemblemitglied am Theater Pforzheim, der sämtliche männlichen Rollen der „Kammeroper“ verkörpert und mit kernigem, baritonalem Tenor vokal hinreichend Format verleiht – vom Volkssänger über den träumenden Buonaerenser Kerl, den Alten Anführer der Diebe und den Ersten Psychoanalytiker bis zur „Stimme jenes Sonntags“ – enorm eindringlich dieses „Tangus Dei“, das als 17. und letztes Bild in Piazzollas 1968 konzertant uraufgeführtem Musiktheaterstück mit den Worten „Maria unser von Buenos Aires / vergessen bist du unter allen Frauen“ endet.

Wenn Bürgi immer wieder aufs Neue „Es domingo“ (Es ist Sonntag) anhebt – gesungen wird auf Spanisch, gesprochene Passagen sind ins Deutsche übersetzt -, wirkt seine Phrasierung auch ein wenig schon wie ein Vorgriff auf John Adams „Nixon in China“. Auch Einflüsse von Ravel und Strawinsky kann man in der Musik entdecken. Hingabevoll widmet sich auch die Tango-Version der SKB der farbreichen, polystilistischen Partitur Piazzollas, die vom Tango Nuevo – den „Libertango“ hört man an allen Ecken und Enden heraus – über Milonga, Canyengue und Musettewalzer bis zu klassischen Formen wie Toccata oder Fuge reicht. Kurzum: eine hinreißende Vorstellung dieser „Tango Operita“!

Autor: Harry Schmidt

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