Neujahrskonzert der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ im Bürgersaal Murr
Wenig bekannte Musik vertrauter und vertraute Musik neu erlebbar zu machen – selten wohl ist dieses Motto der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ schöner und beseelter mit Leben erfüllt worden als beim traditionellen Neujahrskonzert der Veranstaltungsreihe „Kulturprisma Murr“ am 12. Januar 2019 im Bürgersaal des Bürger- und Rathauses. Vor etwa 160 Gästen bewiesen Peter Wallinger, Dirigent, Gründer und Leiter des Orchesters, und die Musikerinnen und Musiker des Orchesters im Laufe eines gleichermaßen kontrastreichen wie harmonischen Konzertabends ein ganz besonderes Klangerlebnis – geprägt von Frische und Spielfreude fern von jeglicher erstarrten Routine, jedoch auf höchst professionellem Niveau.
Wie in den Jahren zuvor hatte Wallinger mit dem Orchester ein innovatives und anregendes Konzertprogramm jenseits ausgetretener Pfade erarbeitet. Unter der Überschrift „Wintermärchen“ ließen Bachs Brandenburgisches Konzert Nr. 3, Arvo Pärt, Edvard Grieg, Jan Sibelius, Tschaikowsky, Pablo Casals mit seinem „Gesang der Vögel“ und die Serenade Nr. 6 D-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart einen vielversprechenden Musikgenuss erwarten.
Frisch, schwungvoll und temporeich der Auftakt mit dem Brandenburgischen Konzert Nr. 3 von Johann Sebastian Bach, bei dem das Orchester gleich seine engagierte, jugendlich frische und höchst talentierte Spielweise bewies. Ganz anders im Anschluss das Werk „Fratres“ des 1935 geborenen estnischen Komponisten Arvo Pärt für Streicher mit Percussion. Schwebend, fast hypnotisch die Klänge der Streicher, getragen von einem durchgehenden Kontrabass und gegliedert durch regelmäßige Akzente von großer Trommel und Klangstäben. Unwillkürlich meinte man, nordische Weiten mit Nebelschwaden und Birkenwäldern vor Augen zu haben, so eindringlich die Interpretation des Stückes, das auch von gregorianischen Gesängen inspiriert ist.
Mit dem Norweger Edvard Grieg blieb das Orchester in nördlichen Gefilden. Sein Werk „Våren“ oder „Letzter Frühling“ aus der Zeit zwischen 1877 und 1880 entstammt der Hochromantik und wurde äußerst einfühlsam und hoch sensibel gespielt. Der silbrig-seidige Streicherton des Orchesters kommt in solchen Stücken besonders zur Geltung. Gleichermaßen feinfühlig und mit viel Gefühl für die Nuancen wurde als letztes Stück vor der Pause die Romanze C-Dur des finnischen Komponisten Jan Sibelius interpretiert.
Ein Höhepunkt des Konzertes war sicherlich gleich nach der Pause Tschaikowskys „Andante cantabile“, arrangiert für Violoncello und Streicher… Als Solistin brillierte hier Chihiro Saito, Mitglied des äußerst renommierten „Lotus String Quartet“ und seit vielen Jahren auch in der sueddeutschen kammersinfonie bietigheim dabei. Ihr gelang es, vor dem Hintergrund des differenzierten Orchesterklangs der nahezu schwelgerischen, einprägsamen Melodie viel Gefühl und Ausdruck zu verleihen. Gleich anschließend folgte „Der Gesang der Vögel“ („El Cant dels Ocells“) des weltberühmten katalanischen Cellisten und Komponisten Pablo Casals (1876 bis 1973). Das Stück ist ein altes Weihnachtslied aus Katalonien, in dem mehr als dreißig Vogelarten die Geburt Christi feiern. Casals, der sich für Menschenwürde, Brüderlichkeit und Frieden einsetzte, emigrierte 1936 nach Frankreich und beendete alle seine Exilkonzerte seit 1939 mit diesem Lied, wie auch beispielsweise ein Konzert im November 1961 im Weißen Haus vor Jackie und John F. Kennedy oder vor der UN-Vollversammlung. Chihiro Saito gelang eine überaus schlichte und ergreifende Interpretation, die der Intention des Werkes eindrucksvoll gerecht wurde.
Schlusspunkt des Konzertabends bildete die Serenade Nr. 6 in D-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart, bei der das Orchester seine ganze Versiertheit und Klasse noch einmal unter Beweis stellte. Als Solisten setzten Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi, Violonist Sorin Capatina, Bratschistin Tomoko Yamasaki und Kontrabassist Simon Wallinger im Solo- und Zusammenspiel strahlende und virtuose Glanzpunkte.
Bereichert wurde der Konzertabend von den Wortbeiträgen des Bildhauers und Autors Hatto Zeidler aus Knittlingen bei Maulbronn. In frei vorgetragenen Reflexionen zu einzelnen Werken trug er Erhellendes und Aufschlussreiches über Entstehung und Hintergründe einiger Stücke vor, so zum Beispiel wie Johann Sebastian Bach viele seiner Werke im kleinen Haushalt mit sechs Kindern geschaffen hat. Auch mit den Gedichten von Rainer Maria Rilke, Gustav Schwab und Erich Kästner setzte Zeidler mit seiner humorvollen, lebendigen Vortragsweise thematisch passende Akzente zur Musik der Kammersinfonie. Am Schluss des Abends machte sich die Begeisterung des Publikums in langanhaltendem, lebhaftem Beifall Luft, mit dem Dirigent, Musiker und Vortragender für einen begeisternden Konzertabend belohnt wurden. Für Dirigent, Solisten und für alle Musiker gab es Blumen. Dafür und für den warmen Applaus bedankten sich die Musiker bei den Zuhörerinnen und Zuhörern mit einer Zugabe.