Sebastian Manz brilliert mit Klarinettenliteratur der ersten Stunde und Interpretationen
SACHSENHEIM. Nachdem die Premiere 2017 aufgrund der unsicheren Wetterlage ausfallen musste, hat es nun geklappt mit dem Open Air des Sommerkonzerts der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB). Mit rund 140 Besuchern präsentiert sich der Serenadenhof des Lichtenstern-Gymnasiums am frühen Samstagabend lediglich passabel gefüllt. Ein wenig verwunderlich, ist mit Sebastian Manz doch ein Klarinettist zu Gast, mit dem die SKB bereits häufiger zusammengearbeitet hat, zuletzt im vergangenen Jahr bei einem gefeierten Auftritt im Kronensaal mit Mozarts Klarinettenkonzert in A-Dur (KV 622). Zudem ist er ein hochdekorierter Ausnahmevirtose, der unter anderem 2008 mit dem seit 40 Jahren zum ersten mal wieder vergebenen ersten Preis des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD sowie mit drei Echo-Klassik-Preisen ausgezeichnet wurde.
Mit Werken von Johann und Carl Stamitz hatte Manz Klarinettenliteratur der ersten Stunde mitgebracht. Das Klarinettenkonzert des böhmischen Komponisten Johann Stamitz (1717-1757), der zum Gründer der Mannheimer Schule wurde, zählt zu den frühesten in der Musikgeschichte. In seiner einheitlich den Affekt pastoraler Zuversicht ausstrahlenden Wirkung besitzt das B-Dur Konzert deutlich erkennbar noch barocke Züge. Mit butterweichem Ansatz, vogelleichten Trillern und jubilierendem Diskant gestaltet Manz seinen Part im Allegro moderato, ein schwirrendes Ostinato in der Kadenz. Langgezogene Haltetöne eröffnen das Adagio, gefolgt von lyrischem Legato. Hauchzart der extemporierte Teil.
Sympathische und verbindliche Künstlerperönlichkeit
Im rasanten Walzer des Poco presto geht Manz federnd in die Knie, wendet sich nach links, nach rechts – schon die Publikum wie Orchester gleichermaßen zugewandte Körpersprache erzählt viel über diese so sympathische wie verbindliche Künstlerpersönlichkeit. Noch mehr erfährt man zwischen den Werken von Manz persönlich: Von Carl Stamitz, dem Sohn des Mannheimer Hofkapellmeisters, seien elf Klarinettenkonzerte überliefert, denen bereits eine ganz andere Virtuosität eigne. Vieles bleibe darin der individuellen Ausgestaltung des Interpreten überlassen. Dies zeigt sich im Rondeau, dem dritten Satz des siebten der elf Klarinettenkonzerte von Stamitz jr. Mehr als 70 Prozent dessen, was er spielt, habe er den kantablen Themen hinzugefügt, hochindividuell seine Ad-lib-Passagen, akustischer Blütenstaub und fließende Akkordbrechungen, in einer fulminant zugespitzten Strettaendend. Den Applaus der Zuhörer quittiert Manz mit einer wundervollen Zugabe: süßholzatemdurchströmt eine Bearbeitung von Mozarts Adagio (KV 580a), die ferne Antwort der Violinen, Vogelgezwitscher in den Bäumen des umliegenden Parks.
Bei alldem agiert die SKB, das von Peter Wallinger vor mehr als 30 Jahren gegründete Projektorchester, so feinfühlig und diskret, dass man ihre Anwesenheit fast vergessen könnte. Und doch garantiert ihr souveräner, sorgfältiger und sensibler Zugriff, ihr schlanker und wendiger Ensembleklang dem Solisten ein stabiles Parkett. Dafür wurde die Qualität der SKB bereits in dem zur Eröffnung gegebenen Orchesterquinetett in Es-Dur des tschechischen Mozartzeitgenossen Josef Myslivecek (1734-1781) – auf Spitze getanzt hebt das Allegrio con brio an, auch das Largo metrisch durchpulst, berückend das Presto – und im Anschluss mit Leoš Janàceks 1877 entstandener „Suite für Streicher“ nochmals vollends deutlich. Bei dem zwischen Spätromantik und Vormoderne changierenden Werk des Mähren gelingt Wallinger und der SKB eine durchgehend pointierte, in den Ecksätzen und im Presto streckenweise sensationelle Wiedergabe.
Harry Schmidt