Beim Frühjahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim im Uhlandbau überzeugt Simon Wallinger als Dirigent.
Mühlacker. „La Passione“ war der Titel des Frühjahrskonzerts 2022 der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim im Uhlandbau Mühlacker, bei dem Werke von vier Komponisten und einem Dichter vorgestellt wurden. Dabei nannte keiner von ihnen seine Arbeit „La Passione“.
Schwungvoll, geradezu feurig begann es mit dem „Prélude“ zur Oper „Carmen“, die heute zu den am meisten gespielten Werken des Genres gehört. Dabei hatte sie bei der Uraufführung 1875 nur geringen Erfolg, denn die Geschichte war ihrer Zeit voraus, und auch von der Musik waren nicht wenige überfordert und empfanden sie nur als lärmend. Dagegen bot jetzt in Mühlacker Simon Wallinger, der in diesem Konzert das „vollständige Dirigat übernahm, nachdem Peter Wallinger die Probenphase krankheitshalber nicht beginnen konnte“, mit seiner kongenialen Interpretation einen in jeder Beziehung gelungenen Einstieg in das diesjährige Frühjahrskonzert.
Dann kam Friedrich Schiller mit seinen neun vierzeiligen trochäischen Strophen in Kreuzform zu Wort. 1801 geschrieben, mit dem Blick auf den Kampf zweier Großmächte um die Weltherrschaft, ist dieses Gedicht auch heute noch oder wieder aktuell. Vorgetragen wurde es von dem 55-jährigen Johann Michael Schneider, der mit seiner Ausbildung, zum einen als Schauspieler, zum anderen als Musiker mit einem Violinstudium, geradezu die idealen Voraussetzungen für eine Mitwirkung in dem vorgegebenen Rahmen mitbrachte. Nach diesem „Antritt des neuen Jahrhunderts“ rezitierte er später noch „Die Worte des Wahns“ von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1799.
Zuvor war jedoch Christoph Willibald Gluck an der Reihe, und zwar mit dem Larghetto „Der Geist ermahnt Don Juan“ und dem Allegro „Die Hölle öffnet sich“ aus der Ballettmusik zu „Don Juan“. Dabei handelt es sich um eine eigens für ein Ballett geschaffene Komposition, das 1761 in Wien, choreografiert von Gasparone Angiolini, uraufgeführt wurde. Zunächst langsam, behutsam, fordernd, dann furios, aufreizend, teils erschreckend erklangen die zwei Sätze der Ballett-Komposition.
Danach brachte die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim das Werk zur Aufführung, das dem ganzen Konzert den Titel gab und das auch in diesem Fall so bezeichnet wurde. Dabei nannte Joseph Haydn diese Arbeit, die er 1768 schrieb, während er als Kapellmeister beim Fürsten Nikolaus I. Esterházy angestellt war, lediglich „Sinfonia in F minor“. Der Titel „La Passione“ geht vielmehr auf einen Eintrag in der Abschrift eines Leipziger Kopisten um 1790 zurück. Im Haydn-Verzeichnis der Züricher Neujahrsblätter von 1831 wird das Werk als „La Passione oder Trauersinfonie“ aufgeführt. Später taucht dann auch noch der Titel „Il Quakero di bel’humore“ auf. Auf jeden Fall ist die Sinfonie Nummer 49 f-Moll die einzige Sinfonie Haydns in der für die damalige Zeit ungewöhnlichen „Passionstonart“ f-Moll, die sich dazu durch differenzierte Dynamik und Rhythmik sowie starke Intervallsprünge auszeichnet. Etwas traurig, dann lebhafter und freudiger werdend, erklang das Adagio, beschwingt, heiter, leichtfüßig das Allegro di molto. Beim spielerischen Menuett sah man die nur musikalisch vorhandenen Akteure geradezu in tänzerischen Bewegungen vor sich. Einer Sturmmusik glich das Presto-Finale der Sinfonie, deren Ausdruckshaltung der Musikhistoriker Ludwig Finscher als extrem dramatisch bezeichnete und die vielleicht sogar einmal als Bühnenmusik herhalten musste.
Nach der Pause hörte man die von Wolfgang Amadeus Mozart 1779 in Salzburg komponierte Sinfonia concertante Es-Dur KV 364, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts weniger bekannt war. In seinem Bemühen, der Viola einen Platz als Soloinstrument zu schaffen, nahm der englische Bratschist Lionel Tertis das Werk in sein Programm auf und spielte es 1924 mit dem Geiger Fritz Kreisler.
Diese Parts übernahmen jetzt die Japanerinnen Tomoko Yamasaki (Viola) und Sachiko Kobayashi (Violine). Zusammen mit der Kammersinfonie interpretierten sie – unter der ebenso sensiblen wie ausdrucksstarken musikalischen Leitung von Simon Wallinger – die Komposition, von der nicht wenige Passagen als Filmmusik in verschiedenen Streifen verwendet wurden. Fröhlich, unterhaltsam, lustig und lebhaft erklang das Allegro maestoso, eher bedächtig, nachdenklich stimmend das Andante, bei dem vor allem die Solistinnen brillierten, und schließlich beschwingt heiter das Presto-Finale.
Autor: Dieter Schnabel