Die traditionellen Adventskonzerte der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim am Wochenende begeistern mit Sebastian Manz als Solist in Mozarts Klarinettenkonzert. Auf den von Peter und Simon Wallinger angekündigten Weinberg-Zyklus mit allen vier Kammersinfonien des polnisch-jüdischen Komponisten gibt es schon mal einen Vorgeschmack.
BIETIGHEIM-BISSINGEN. Zum dritten Mal gestaltet Peter Wallinger ein Konzertprogramm gemeinsam mit seinem Sohn Simon Wallinger, zum ersten Mal seit drei Jahren findet ein Adventskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) wieder ohne Einschränkungen live vor Publikum statt; wie gewohnt samstags im Kronenzentrum, tags darauf im Uhlandbau in Mühlacker. Dass Wallinger aus diesem Anlass erneut Sebastian Manz ein geladen hat, mit dem ihn eine lange künstlerische Zusammenarbeit verbindet – zuletzt war der Soloklarinettist des SWR Symphonieorchesters hier im Neujahrskonzert der SKB zu hören-, dürfte nicht unerheblich zur positiven Resonanz beigetragen haben.
Der 36-jährige Klarinettist gilt auch international als einer der Virtuosen seines Instruments. Mit Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert (KV 622), einem der letzten Werke, die der Komponist in seinem Todesjahr 1791 vollendet hat und das gewissermaßen am Beginn der gesamten Gattung steht, ist Manz, der 2008 den1. Preis des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD gewann, sozusagen per Du. Doch nicht nur zum A-Dur-Konzert, sondern auch zum Ort der Aufführung unterhält der Enkel des russischen Geigers Boris Goldstein eine besondere Beziehung: Hier im Kronensaal hat Manz seine Frau kennengelernt.
Der festlich-galanten Hochstimmung im Kopfsatz nimmt er sich mit hörbarem Vergnügen an, die Leichtfüßigkeit seiner Kantilene wirkt frappierend mühelos: Dieses Allegro ist Spielfreude pur. Grandios, wie Wallinger mit der SKB den Schwung mitnimmt, als Manz das Parlando seiner Legato-Girlanden zu einem Forte steigert.
Überhaupt scheint die Chemie zwischen Dirigent, Orchester und Solist zu stimmen: Die Begeisterung für diesen Mozart ist jedem der Gesichter abzulesen. Dem Bühnencharakter der Musik trägt Manz mit tänzerischer Beweglichkeit Rechnung, luxuriös eingebettet in einen so transparenten wie homogenen Ensembleklang. Dann wieder wartet die SKB hellwach und blitzschnell mit einem überfallartigen Tutti auf.
Eine neue Dimension von Körperlichkeit
Emotion, nicht Technik bestimmt das vielen aus „Jenseits von Afrika“ bekannte Adagio, wundervoll gelingen die heiklen Anschlüsse und die Klangverschmelzung. Dennoch dürfte die pastorale Träumerei in manchen Ohren überraschend anders klingen: Manz spielt das im Gegensatz zu Jack Brymer, der in der Filmmusik zu hören ist, auf einer Bassettklarinette – dem Instrument, für das Mozart dieses Konzert wohl ursprünglich geschrieben hat. Gerade durch die tiefen Register ergibt sich eine neue Dimension von Körperlichkeit. Das finale Rondo vereint tänzerische mit kantablen Anlagen, manchen der Couplets verleiht Manz geradezu klezmerartige Züge. Eine Kadenz benötigt diese Juwel indes nicht: Mozart hat alles, was einen Klarinettisten handwerklich glänzen lassen könnte – Hochgeschwindigkeitsläufe und -skalen, komplexe Dynamik- und Phrasierungskontraste, immense Intervallsprünge-, bereits der Partitur eingeschrieben – hier und heute in einer inspirierten Interpretation, bei der sich Manz auf Brillanz reimt.
Den „fast enthusiastischen Applaus“ (Manz) quittiert der sympathische Musiker mit dem 2. Satz aus Mozarts Klarinettenquintett (KV 581) als Zugabe, Konzertmeisterin Swantje Asche-Tauscher, Andrea Langenbacher (Violinen), Tomoko Yamasaki (Viola) und Chihiro Saito (Cello) sekundieren in diesem Larghetto, das dem zuvor gehörten Adagio als Vorlage diente.
Ein Ohrenspitzer erster Güte ist der Mittelsatz der 2. Kammersinfonie (Op. 147, 1987) von Mieczyslaw Weinberg, der nahe zu vergessen war und vor allem durch Gidon Kremers Aufnahmen für ECM ins Bewusstsein der Musiköffentlichkeit zurückgefunden hat: grandiose Musik, grandios interpretiert von Peter Wallinger mit der SKB. Dass das Pesante moderato nach einer kurzen Vorstellung des polnisch-jüdischen Komponisten durch Simon Wallinger wiederholt wurde, leuchtet dagegen nicht unbedingt ein. Auf den angekündigten Weinberg-Zyklus mit allen vier Kammersinfonien des Schostakowitsch-Wegbegleiters darf man sich gleichwohl freuen.
Landläufig etwas unterschätzt dürfte auch Joseph Haydns Sinfonie Nr. 81 sein: Simon Wallingers lebendige wie formbewusste Deutung mit der SKB lässt sich jedenfalls als klares Plädoyer für diese letzte der sogenannten Esterházy-Sinfonien anhören, die zwar innerhalb der Konventionen der Gattung operiert, doch entsprechende Hörerwartungen immer wieder unterläuft.
Autor: Harry Schmidt