Ein märchenhaftes Neujahrskonzert im Uhlandbau in Mühlacker: Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim unter der Leitung von Peter Wallinger begeistert erneut mit einem höchst fantasievollen Programm und herausragenden Solisten.
Mühlacker. Der Andrang zum diesjährigen Neujahrskonzert der Reihe „Mühlacker Concerto“ war – trotz des nasskalten Wetters – enorm. Dies ist aus mindestens zwei Gründen allerdings nicht weiter verwunderlich: Zum einen sind die Konzerte Anfang Januar längst im kulturellen Gedächtnis der Stadt verankert, und zum anderen wussten die Zuhörerinnen und Zuhörer, dass Peter Wallinger immer wieder für pfiffige Ideen und musikalische Überraschungen gut ist.
Gelungen war die Matinee ebenfalls in mehrfacher Hinsicht: Das Programm „…es wird einmal“ beinhaltete traumhaft schöne Musik aus Fantasieopern wie „Orfeo“ von Claudio Monteverdi, „The Fairy Queen“ und „Dido and Eneas“ von Henry Purcell und „Andromeda liberata“ von Antonio Vivaldi.
Die Ausführenden, die 13-köpfige Kammersinfonie, der umwerfende Altus/Countertenor Nils Wanderer und der großartige Cellist Arthur Cambreling, waren so glänzend disponiert und musizierten derart brillant, dass sie vom Publikum wie Popstars gefeiert wurden. Wer die Konzerte Wallingers schon eine Weile verfolgt, kennt den Sprecher Johann-Michael Schneider bereits, der in diesem Format schon öfter zu erleben war. Ihm oblag am Sonntag die angenehme und mit großem Erfolg gemeisterte Aufgabe, in das rätselhafte Motto des Konzerts „…es wird einmal“ einzuführen und zwischen den sechs gespielten musikalischen Werken sinnfällige Lyrik einzuflechten.
Die Musik und die ausgewählten Texte widmeten sich – so der gemeinsame Nenner – dem Mysterium der Natur und der Jahreszeiten und rückten Fantasiegeschichten und märchenhafte Musik in einen metaphorischen Zeithorizont des Seins, Vergehens und Werdens. Aus der Formel „…es war einmal“ wurde deshalb ein „…es wird einmal“, weil es ewige Muster sind, die der Musik, der Poesie und der Geschichte zugrunde liegen und den Fortlauf der Zeit gleichsam aufheben.
Die musikalisch-literarische Programmfolge begann mit Tänzen aus Monteverdis „L‘Orfeo“, der ersten Oper der Musikgeschichte überhaupt, und aus Purcells „The Fairy Queen“ nach Shakespeares Sommernachtstraum. Die Süddeutsche Kammersinfonie, diesmal als reiner Streicherapparat, spielte verheißungsvoll, mit einem wunderbar austarierten Klang. Die 13 Streicherstimmen gingen nicht in nebulösen Klangsümpfen unter, sondern gewährten einen glasklaren Durchblick. Peter Wallinger wagte extreme, besonders eindrucksvolle Pianostellen.
Wer den Altus/Countertenor Nils Wanderer auf der Bühne live erlebt hat, wird dies so schnell nicht wieder vergessen. Nicht nur seine Stimme ist einzigartig und technisch makellos, seine gesamte Bühnenpräsenz ist – fast möchte man sagen – magisch. Er versinkt geradezu in einer Rolle und wird eins mit ihr und der Musik. In berauschender Schönheit erklang der wundervolle Dialog zwischen der Solovioline (brillant gespielt von der Konzertmeisterin Rebecca Raimondi) und dem vielfach ausgezeichneten Nils Wanderer in Vivaldis „Sovente il Sole“. Auch der Todesgesang der Dido aus Purcells Oper gelang so großartig, dass Wanderer dem Publikum, das völlig aus dem Häuschen geraten war, Händels „Lascia ch’io pianga“ zugeben musste. Doch das war am Sonntag noch nicht alles. Als weitere handfeste Überraschung folgte nach der Pause der französische Cellist Arthur Cambreling, der einer Familie mit weltweit angesehenen Musikern entstammt, mit Joseph Haydns Cellokonzert in C-Dur. Der junge, ebenfalls vielfach ausgezeichnete Cellist spielte das dreisätzige Opus mit virtuos-anpackendem Zugriff, technisch tadellos und mit einer herrlichen Tongebung. Glänzende Solokadenzen mit gewagten Flageolett-Tönen ließen das Publikum den Atem anhalten. Begeisterte Bravorufe erhielt auch er. Zum Schluss gab es noch die rasanten Rumänischen Volkstänze von Béla Bartók. Nicht nur die Natur war am Ende der Matinee glücklich wie in dem Gedicht von Rainer Maria Rilke „Natur ist glücklich“ – wunderbar rezitiert von Johann-Michael Schneider –, auch das Publikum war es.
Autor: Dr. Dietmar Bastian