„All’Italiana“ hat Peter Wallinger die beiden „Sommerlichen Serenaden“ der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim, in Sachsenheim und Lienzingen am Wochenende überschrieben. In zwei der vier Violinkonzerte von Antonio Vivaldis „Die vier Jahreszeiten“ gab Maryana Osipova ihr umjubeltes Debüt als Solistin der SKB.

Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim beim Auftritt in Sachsenheim Foto: Alfred Drosse

SACHSENHEIM/BIETIGHEIM/LIENZINGEN. Besser hätten die Bedingungen kaum sein können: Das aktuelle Hochdruckgebiet Cigdem sorgte dafür, dass die beiden als „Sommerliche Se­renade“ angekündigten Konzerte der Süd­deutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) am vergangenen Wochenende zumindest dem ersten Teil des Formattitels vollumfäng­lich gerecht wurden: Mehr Sommer geht kaum. Dem entsprechend präsentierte sich der Innenhof des Sachsenheimer Wasser­schlosses am Samstagabend komplett aus­verkauft, gut besucht war auch die Matinee in der Lienzinger Frauenkirche tags darauf.
lm Vergleich zum trutzigen Turm der Pe­terskirche ragt deren schlanker Dachreiter wie ein Zahnstocher empor: Als Friedhofska­pelle am Ortsrand hat die einstige Marien­wallfahrtskirche den wechselhaften Lauf der Zeiten relativ unbeschadet überdauert – zur weitgehend im Originalzustand erhaltenen spätgotischen Bausubstanz gehört auch die auf 1482 datierte, mit einem Gebet, Ranken und Girlanden geschmückte Holzdecke des Tonnengewölbes über dem Kirchenschiff, die zu den bemerkenswerten akustischen Quali­täten des außerordentlich stimmungsvollen Raums nicht unwesentlich beiträgt.
Passgenau zur Hitzewelle hat Peter Wallin­ger zwei der als „Die vier Jahreszeiten“ über­aus bekannten Violinkonzerte auf den Spiel­plan gesetzt, in denen Antonio Vivaldi 1725 beredte musikalische Bilder für das Anstei­gen der Temperaturen (und Temperamente) gefunden hat. Bravourös gestaltet Maryana Osipova das Vogelstimmgezwitscher im Kopfsatz von „Der Frühling“ im Dialog mit Konzertmeisterin Swantje Asche-Tauscher und den weiteren 14 Musikerinnen und Mu­sikern der SKB – die ungemein mitteilsame, konzise Körpersprache der in Moskau und Karlsruhe ausgebildeten Primgeigerin des Frankfurter Eliot Quartetts habe ihn dazu be­wogen, hier auf ein Dirigat zu verzichten, so der Orchestergründer im Gespräch mit dieser Zeitung.
Nichts deutet indes darauf hin, dass dieses Konzert um ein Haar ausgefallen wäre: Akute Rückenbeschwerden zwangen die italieni­sche Violinistin Rebecca Raimondi am Don­nerstagabend, ihre Auftritte mit der SKB ab­zusagen. Binnen weniger Stunden war es Wallinger daraufhin gelungen, mit Osipova eine hinreichend qualifizierte Einspringerin für die erkrankte Solistin zu rekrutieren. In­nig zelebriert die Russin das Frühjahrsschä­feridyll im „Largo e pianissimo“, ausgelassen den Hirtentanz im finalen „Allegro“. Die Sommergewitterstretta im „Allegro non mol­to“ entlockt einer einzelnen Besucherin ei­nen wohltemperierten Jubelruf. Dass Osipova sich für den großen Beifall mit einer Repri­se des Largos bedankt, unterstreicht eine zwar eher zwischen Wiener Klassik und Romantik zu verortende, aber dennoch reizvolle Tendenz in ihrer Interpretation dieser Ba­rockevergreens.
Hellwach und hochkonzentriert musizierte Wallinger mit einer ausgezeichnet disponier­ten SKB auch den entsprechenden Rahmen des „All’ltaliana“ überschriebenen Pro­gramms: Sowohl Ottorino Respighis „Antiche Danze ed Arie“ (1931) als auch Nino Rotas „Concerto per Archi“ (2007) erklangen in nicht nur (weitestgehend) makelloser, son­dern vor allem auch lebendig-inspirierter Wiedergabe. Bestechend insbesondere die Homogenität und Transparenz des Ensemb­leklangs in der neoklassizistisch-impressio­nistischen Partitur von Respighi, grandios ge­steigert die „Siciliana“, fulminant das Fortis­simo-Crescendo der „Passacaglia“. Wallin­gers Deutungen vereinen exquisites Form­empfinden mit differenzierter, geistreicher Durchdringung des Materials zu einer stets originellen, frischen Lesart. Pauschalklang­angebote gibt es ja ohnehin bereits mehr als genug.

Autor: Harry Schmidt

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