Werke des Meisters bildeten den Rahmen für das Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in Murr.
MURR.Kann Musik helfen, mit düsteren Perspektiven der Gegenwart besser zurechtzukommen? Zweifellos weckt Musik Emotionen. Beim traditionellen Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in Murr setzte das Ensemble auf einen großen Namen: Johann Sebastian Bach. Maiken Wallinger, die moderierte, kennzeichnete seine Musik als „etwas Wohltuendes, Verbindendes, sogar Friedenstiftendes,“ gewissermaßen eine Kraft, die gegen die Unbilden der Zeit hilft. Sie zitierte den zweiten Bach-Sohn Emanuel: „Musik soll Herzen in Bewegung setzen.“
Ein Zitat des Pianisten James Rhodes über Bachs Musik war das Motto des Abends: „Hört dieses. Hier ist Musik.“ Unter der bewährten Leitung von Peter Wallinger spielte die Kammersinfonie Stücke des Komponisten, darin eingebettet weitere Werke von Komponisten vor allem aus dem frühen Barock. Die 13 Streicherinnen und Streicher nahmen die Besucher im Bürgersaal mit auf eine klangvolle Reise. Das Publikum erlebte emotional dichte Musik und starke Auftritte von Solistinnen.
Eine dieser Solistinnen war Barbora Hulcova, eine Künstlerin aus Prag, die auf historischen Lauteninstrumenten musiziert. Sie trat mit einer Theorbe auf, einer eindrucksvollen, großen Basslaute aus dem Frühbarock. Deren tiefe und dunkle Stimme bereicherte nicht nur das Orchester bei einer Reihe von Stücken. Hulcova begleitete auf der Theorbe auch die Sopranistin Juliane Brittain. Die freischaffende Künstlerin, die mehrere Jahre in Großbritannien gelebt hat, sang drei alte englische Lieder.
So zum Beispiel „Flow my tears“ von John Dowland, der von 1536 bis 1626 lebte. Brittain traf mit ihrer ausdrucksstarken Stimme einfühlsam den melancholischen Grundton dieses Liedes. Die Sopranistin bewies mit „If music be the food of love“, komponiert von Henri Purcell (1659 – 1695), das breite Spektrum ihres Könnens: Sie interpretierte dieses Lied voller Gefühl, unterstrich mit ihrer Gestik Passagen wie „I must perish by your charms unless you save me in your arms“ – Ich müsste durch deinen Liebreiz sterben, wenn du mich nicht in deinen Armen rettest.
Das Thema des Abends aber war und blieb Bach. Die Aria aus den Goldberg-Variationen gab den Rahmen für das gesamte Konzert. In der Besetzung mit der Theorbe spielte das Orchester Bachs Ricercare à 6; die Instrumente vereinigten sich zu einem großartigen Klanggemälde.
-Ein rundum gelungenes, teils überraschendes, lehrreiches und hochklassiges Neujahrskonzert, vom Publikum mit viel Beifall bedacht.-
Ein Höhepunkt war das Brandenburgische Konzert Nummer 6 B-Dur, eine anspruchsvolle Komposition Bachs mit kleiner Besetzung: Zwei Solo-Violen, gespielt von Andrea Lamoca-Alvarez und Lilia Rubin, setzten mit ihren tiefen Tönen ein, Celli und Kontrabass und auch die Theorbe antworteten und variierten. Sehr bewegend das Allegro zum Auftakt, angetrieben von der Spielfreude der beiden Solistinnen. Melancholische Gefühle rief das Adagio hervor, bevor das abschließende Allegro in ein großartiges Finale mündete. Heftiger Beifall belohnte das starke Spiel der Künstlerinnen und Künstler.
Auch das einzige neuere Stück des Abends, das Impromptu op. 5 des finnischen Komponisten Jean Sibelius, weckte intensive Gefühle. Obwohl es nur ein paar Minuten dauert, gibt es doch sehr unterschiedliche Stimmungslagen wieder: ein Klangbild, inspiriert von der ursprünglichen Natur des skandinavischen Landes, Sehnsucht und Nachdenklichkeit, aber auch ausgelassene Freude. Das Orchester meisterte alle Wechsel virtuos. Eindrucksvoll verklangen am Ende selbst Celli und Kontrabass wie in einem kaum noch hörbaren Hauch.
Noch einmal erfüllte Bachs Musik den Saal, zum Ausklang mit der Aria, wie ein Gruß des Komponisten zum Abschied.
Fazit: Ein rundum gelungenes, teils überraschendes, lehrreiches und hochklassiges Neujahrskonzert in Murr, vom Publikum mit viel Beifall bedacht. Waltraut Menzel vom Kulturamt der Gemeinde überreichte Blumensträuße an die Akteurinnen und Akteure. Peter Wallinger kommt nun schon seit mehr als 20 Jahren für diese Konzerte nach Murr – und so Menzel: „Wir hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt.“ Gewiss doch: Bachs Musik setzt Herzen in Bewegung, und die Süddeutsche Kammersinfonie hat sie dem Publikum gekonnt nahegebracht.
Autor: Arnd Bäucker