Konzert der „Sueddeutschen Kammersinfonie“ in der Lienzinger Frauenkirche wird zum besonderen Erlebnis für das begeisterte Publikum.
Mühlacker-Lienzingen. Die Matinee am Sonntag im Rahmen des „Musikalischen Sommers“ in der Lienzinger Frauenkirche ist zu einem musikalischen Hochgenuss geworden. Die „Sueddeutsche Kammersinfonie Bietigheim“ unter Leitung von Junior-Dirigent Simon Wallinger erfreute die Gäste mit einem auserlesenen Programm. Die „Sommerliche Serenade“, so der Titel, führte auch in neue Gefilde konzertanter Musik.
Zum Auftakt erklang das Allegro aus der Kammersinfonie Nr. 1 op 145 von Mieczyslaw Weinberg (1919 bis 1986), einem jüdisch-polnischen Komponisten. „Wer ihn hört, ist begeistert von den großartigen Melodien, von der Vielfalt an Klängen und musikalischen Ideen“, ist in der Konzertliteratur nachzulesen. Diese Meinung teilt Simon Wallinger. Er hat sich auf Entdeckungsreisen begeben und ist fündig geworden. Seither ist es ihm ein wichtiges Anliegen, Werke dieses Komponisten bekannt zu machen.
Schon beim Adventskonzert 2022 im Uhlandbau hatte er einen Weinberg-Zyklus angekündigt und mit einer abwechslungsreichen und pointierten Interpretation des „Moderato“ aus der Kammersinfonie Nr. 2, op. 147 eine erste Kostprobe geliefert. Zur Eröffnung der Sommer-Serenade erklang das Allegro aus der Kammersinfonie Nr. 1 op. 145 von Weinberg. Zunächst fast behutsam und weich angestimmt, wusste der Komponist doch schnell aufregende Akzente zu setzen, die bereits ein umfangreiches Können der Musikerinnen und Musiker forderten. Mit der Folge von lieblich melodiösen Passagen hin zu mächtigen Tongemälden in höchsten Lagen und furiosem Aufspiel, dann wieder Hinabgleiten in tiefe düstere Klang-Ebenen war mehr Kontrast kaum möglich. Am Ende schien ein leises Fragezeichen zu stehen: Prägen die Kriegserlebnisse, die Ermordung der Familie, sein eigener Überlebenskampf die Kompositionen?
Trotz der sommerlichen Ankündigung bewegte sich auch die nachfolgende Kammersinfonie von Dimitri Schostakowitsch (1906 bis 1975) (Bearbeitung Rudolph Barschai) in dunkel gefärbtem C-moll. Das beginnende Largo ergeht sich in tiefer Klage, der das Allegro molto mit temperamentvoller Klangwucht ein Ende setzt. Fröhlich hüpft ein Allegretto dazwischen, ehe nach eruptiven Klangbildern weitschwingendes, singendes Legato in den beiden abschließenden Largo-Sätze einen im Pianissimo unendlich sanft entschwindenden Schlusspunkt setzt. Auch dieser russische Komponist hat seine ganz persönliche Handschrift. Er hatte, wie sein Freund Weinberg, unter politischen Repressalien zu leiden, musste zeitweise auch um sein Leben fürchten. Still blieb es im Kirchenraum nach diesem berührenden Finale und es dauerte eine Weile, ehe Wallinger den Taktstock senkte. Das Publikum hatte verstanden, was er damit sagen wollte und wartete mit dem Beifall, bis die Haltung des Dirigenten den Applaus erlaubte. Dieser fiel dann umso begeisterter aus.
Zurück in gewohnt klassische Klangwelten eines Franz Schubert (1797 bis 1828) nahm Konzertmeisterin Maryana Osipova die Zuhörer mit, heiter klangen die beiden Sätze des Rondos A-Dur D 438. Osipova ist die Primaria des renommierten Eliot-Quartetts. Heiter klangen die beiden Sätze des Rondos A-Dur D 438. Allein die Dur-Tonlage sorgte schon für hellere Färbung. Innig, mit zartem Bogenstrich intonierte die Solistin das Adagio. Klangprächtig schwang sie sich im Allegro giusto zu schwindelnden Höhen auf. Ihr durch und durch exzellentes Spiel unterstrich das Orchester noch mit seiner einfühlsamen Begleitung. Die Matinee endete mit der Suite für Streicher op. 1 a-moll des dänischen Komponisten Carl Nielsen (1865 bis 1931). Im zweifachen Andante und Allegro, Intermezzo und Finale konnten die Musikerinnen und Musiker nochmals ihr Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Intentionen des Komponisten präsentieren. Jubelnder Applaus füllte das Kirchenschiff. War es da verwunderlich, dass die Solistin nochmals zu ihrer Violine griff und der Dirigent nach seinem Taktstock? Alles in allem: Ein in allen Facetten beglückendes Konzerterlebnis. Schöner kann ein Sonntag nicht beginnen.
Autorin: Eva Filitz