Sebastian Manz begeistert in der Lienzinger Frauenkirche.
Mühlacker-Lienzingen. Zahlreich erschienen die Zuhörer zur Matinee am Sonntag in der Frauenkirche in Lienzingen. Peter Wallinger und seine „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ eröffneten das sommerliche Konzert mit Mozarts Divertimento KV 137. Runde, volle Klänge erfüllten den Kirchenraum, und die gut aufeinander abgestimmte Kammersinfonie folgte wachsam den dezenten Vorgaben ihres Dirigenten Wallinger. Frisch und lebhaft spielten sie zum zweiten Satz auf, warfen sich die musikalischen Motive wie imaginäre Bälle zu und hatten sichtbar Freude daran, miteinander zu spielen. Der dritte Satz geriet dann gar zu einem sommerlichen Tanz. Federnd erklang die Musik und wiegend bewegten sich die Tanzpartner in den dahin getupften Sommerfarben.
Ein Moment der Ruhe – dann erschien Sebastian Manz. Ein Mann mit einem verschmitzten Lächeln und strahlenden Augen, der auf Anhieb sympathisch wirkte. Wenige Takte Vorspiel des Weberschen Klarinettenkonzerts füllten den Raum, dann erklang ein unglaublich feiner, reiner Klarinettenton, der die ganze Kirche in noch wärmeres, goldeneres Licht tauchte. Manz spielte sein Instrument auf natürlichste Weise, sehr klar und stellte sich dabei doch nicht in den Vordergrund. Er nahm die Kammersinfonie Wallingers mit und übertrug seine unbändige Lust an der Musik auf das Orchester und das Publikum. Gemeinsam trieben sich die Musiker zu Höhenflügen an, die das Publikum zum berechtigten Zwischenapplaus hinriss. Manz faszinierte durch seine äußerst lebendige Spielweise, sein Instrument fügte sich nur allzu willig seinen Fingern. Trotzdem blieb dem Virtuosen die Zeit, mit Dirigent Wallinger und der Konzertmeisterin Sachiko Kobayshi in Kontakt zu bleiben, sich mit kleinen Gesten abzusprechen und das Konzert dadurch zu einem Gesamtkunstwerk gelingen zu lassen. Der letzte Satz geriet dann gar zu einem furiosen Ritt über Sommerwiesen, die noch mit frischem Morgentau überzogen waren – ein wahrer Genuss für alle Zuhörer, die nach Lienzingen in die Kirche gekommen waren.
Das Adagio Des-Dur von Heinrich Josef Baermann sollte, so Manz in seiner kurzen Ansprache, eigentlich die Zugabe sein. Er erklärte auch, dass das Werk wegen seines eigenwilligen, melodramatischen, harmonisch extravaganten Mittelteils irrtümlich Richard Wagner zugeschrieben wurde. Nachdem die Ohren durch den Experten so angespitzt waren, war es natürlich ein leichtes, den in wunderbarerer Weise vorgetragenen Beweis dann auch zu hören.
Als Zugabe spielte Manz, nicht unvorbereitet wie er augenzwinkernd zugab, zwei Kompositionen aus den Klarinettenstücken von Igor Strawinsky. Unprätentiös und ganz der Musik dienend ließ er die Hirtenmelodie erklingen und erzählte schelmisch von der Katze auf morgendlicher Vogeljagd. Manz’ Art zu spielen beseelte seine Klarinette und ließ sie lebendig werden. Die Kammersinfonie gestaltete den zweiten Teil des Konzerts im Alleingang. Othmar Schoecks „Sommernacht“, dem das gleichnamige Gedicht von Gottfried Keller zugrunde liegt, katapultierte die Zuhörer mühelos in eine sternklare Sommernacht und ließ die schwere und zugleich leichte Arbeit auf dem Feld spürbar werden. Chihiro Saito spielte das Solocello beruhigend schön, bevor die Burschen wie die Musik heimlich in den Sommermorgen entflohen. Zum Abschluss der fulminanten Matinee erklang die engagiert vorgetragene Streichersinfonie Nr. 10 von Felix Mendelssohn Bartholdy, die dem Konzert einen runden Ausklang gab.
Irene Schallhorn