Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim gestaltet eine sommerliche Matinee in der Lienzinger Frauenkirche
Einen weiten Bogen vom heiteren Barock aus Leipzig bis zur skandinavischen romantischen Erinnerung an dortige barocke Zeiten spannte Peter Wallinger mit seiner Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in der Frauenkirche.
Mühlacker-Lienzingen. Während eines sehr gut besuchten Konzerts der Reihe „Musikalischer Sommer“ erklangen am Sonntag in einer sommerlichen Matinee Werke von Bach, André Caplet, Maurice Ravel und Edvard Grieg.
Überaus erfrischend war es, zu Beginn des Programms das dritte Brandenburgische Konzert in D-Dur (BWV 1048) von dem Streichorchester zu hören. In belebtem Tempo wurde im ersten Satz unbeschwertes barockes Lebensgefühl deutlich. Vom silbrig-zarten Cembaloklang, ausgeführt von Eva Janssen, geprägt war der kurze Mittelsatz, der nur als sehr kurzes Intermezzo zum dritten Satz, einem funkelnden Allegro, überleitete, das mit warmer Streicherfülle vital dargeboten wurde.
Immer wieder überraschend und höchst erfreulich ist, dass Peter Wallinger Kompositionen in das Repertoire der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim aufnimmt, die hierzulande eher unbekannt sind oder nur äußerst selten aufgeführt werden. Am Sonntag standen gleich zwei solcher Raritäten auf dem Programm. Zunächst war „Conte fantastique“ des französischen Komponisten André Caplet zu hören. Dieses im Jahr 1919 entstandene Werk für Harfe und Streichquartett basiert auf einer Erzählung von Edgar Allen Poe, jenem amerikanischen Autor, der das Unheimliche und Dämonische in seinen Werken liebte. Der Komponist lebte von 1879 bis 1925 und bewegte sich in seinem Schaffen gerne auch im Bereich der Avantgarde. Seine Komposition ist deshalb auch deutlich geprägt von der Tonsprache, wie sie beispielsweise Arnold Schönberg artikulierte.
Für die in Paris geborene Harfensolistin Anne-Sophie Bertrand bot das Caplet-Werk vielfältige Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer hochrangigen Virtuosität und wandlungsreich einsetzbaren Spieltechnik. Der Klang der Harfe musste in dieser Komposition oft hart, rau und wenig geschmeidig sein. Schon die einleitenden Takte hatten in ihren düsteren Tonfolgen eine unheimliche Wirkung, die auch die vier in orchestraler Fülle musizierenden Streicher Sachiko Kobayashi und Katja Rohde-Paulich (Violinen), Tomoko Yamasaki (Viola) und Gen Yokosaka (Violoncello) nachdrücklich ausbreiteten.
Das zweite selten gespielte Werk war Introduktion und Allegro für Harfe, Flöte, Klarinette und Streicher, von Maurice Ravel im Jahr 1908 komponiert. Darin wirkten neben Anne-Sophie Bertrand an der Harfe die Flötistin Verena Guthy-Homolka und der Klarinettist Martin Nitschmann als Solisten mit. Das impressionistische Werk lebt von seinem Kontrastreichtum, der sich zunächst in verklärten Tonfolgen offenbart und sich dann aus bewegten Klangfiguren in dynamischen Steigerungen zu großer, farbenreicher Pracht verändert. Die drei Solisten beeindruckten mit virtuosem Spiel, das sich mit der dichten Streicherfülle zu einem spannungsreichen Hörerlebnis entfaltete.
Die Suite „Aus Holbergs Zeit“ ist eines der beliebtesten Werke von Edvard Grieg. Komponiert wurde es im Jahr 1884 aus Anlass des 200. Geburtstages des dänisch-norwegischen Dichters Ludwig Holberg. Barocke Stilelemente prägen die fünf Sätze. Die Musiker führten das Werk unter der Leitung von Peter Wallinger nuancenreich aus. Im Prelude bestach das Orchester mit temperamentvoller Gestaltung, leuchtete die träumerische Stimmung der Sarabande empfindungsreich aus, interpretierte die Gavotte anmutig und galant und kostete die weit gespannte Melodik des Andante religioso seelenvoll aus.
Der Schlusssatz „Rigaudon“ gab den Musikerinnen und Musikern die Möglichkeit, noch einmal in allem Glanz und voller Impulsivität zu musizieren.
Rudolf Wesner