Die junge Pianistin Magdalena Müllerperth aus Schmie, die derzeit in den USA studiert, ist heute im Mühlacker Uhlandbau zu hören
Lampenfieber? Die Gefahr, dass Magdalena Müllerperth heute beim Konzert im Uhlandbau von dieser Bühnenkrankheit befallen wird, scheint eher gering. Zu gut vorbereitet ist sie, zu souverän meistert die 19-jährige Pianistin die musikalischen Herausforderungen, die ihr zwischen Studium in New York und Heimspiel im Enzkreis begegnen.
Nicht erst, seit Sie in Amerika studieren, geben Sie auf internationalem Parkett Konzerte. Was bedeutet da das „Heimspiel“ im Uhlandbau für Sie?
Das Konzert ist auf jeden Fall etwas Besonderes für mich. Ich gehe auf die Bühne, wissend, dass im Saal viele Bekannte sitzen, Nachbarn, Freunde. Und wenn man das Publikum so deutlich vor Augen hat, hat man irgendwie das Gefühl, mit noch mehr Liebe als sonst zu spielen, zumal auch viele Menschen da sein werden, die ich seit längerer Zeit nicht gesehen habe.
Ist der Erwartungsdruck größer als bei anderen Auftritten?
Nein, die Erwartungen sind immer hoch. Spiele ich irgendwo in der Fremde, muss ich das Publikum dort ganz neu überzeugen, habe ich einen Auftritt in der Region, so möchte ich diejenigen, die mich früher schon bei guten Konzerten gehört haben, nicht enttäuschen. Auf jeden Fall finde ich es besonders schön, in meiner Heimat zu spielen. Das ist mir wichtig.
Seit rund zwei Jahren studieren Sie in New York. Wie würden Sie Ihre eigene Entwicklung in dieser Zeit einschätzen?
Ich denke, ich bin selbstständiger geworden in Bezug auf die Interpretation. Ich gestalte meine Programme eigenverantwortlich und habe durch den Unterricht in Musiktheorie, Musikgeschichte und anderen Fächern, durch Konzertbesuche und den Kontakt mit anderen Musikern ein größeres Verständnis für die Stücke und die vielen, vielen Ebenen der Musik gewonnen. Darüber hinaus habe ich stark am Klang und an der Technik gearbeitet. Sicher habe ich noch einen Weg zu gehen, aber ich glaube, viel gelernt zu haben, um eine eigenständige Künstlerin zu werden.
Waren Sie es, die das Schumann-Konzert für den Auftritt im Uhlandbau ausgesucht hat?
Ja, das war meine Idee, über die sich der Dirigent Peter Wallinger aber auch sehr gefreut hat. Ich finde, das Schumann-Klavierkonzert ist in seiner Idee das romantischste Konzert der Romantik, das unheimlich viele Emotionen und Pathos enthält, wobei die Gefühle nie aufgesetzt wirken. Mir gefällt die Kommunikation mit dem Orchester, die manchmal fast kammermusikalische Züge trägt, und dann gibt es natürlich wunderschöne Melodien.
Schöne Musik werden Sie aber nicht nur in Mühlacker präsentieren. Welche Projekte stehen in den kommenden Monaten an?
Im Sommer sind viele Rezitals geplant, für die ich jetzt anfangen werde, das Repertoire einzustudieren. Außerdem werde ich zusammen mit der George-Enescu-Philharmonie erneut Schumann spielen – unter anderem in der Liederhalle in Stuttgart.
Wenn Sie nicht gerade Konzerte geben, sind Sie Musikstudentin in New York. Wie sieht Ihr Leben dort aus?
Ich wohne direkt in Manhattan und teile mir dort eine kleine Wohnung mit einer Sängerin. Das hat sich alles recht gut eingespielt. Ich telefoniere häufig mit meinen Eltern und mit meiner Schwester, und in den Semesterferien und auch sonst, wenn es sich ergibt, komme ich heim nach Schmie.
Was vermissen Sie am meisten?
Die Ruhe. In New York ist das Leben schnell, hektisch, die Straßen sind gerade zur Rushhour unglaublich voll. Manhattan und Maulbronn – das sind in gewisser Weise schon Extreme.
Apropos Maulbronn: Sie sind Musikbotschafterin der Stadt. Wie lässt sich diese Funktion über einen Ozean hinweg aufrechterhalten? Stehen Sie in Kontakt mit Bürgermeister Felchle?
Ja, ich schicke ihm manchmal E-Mails und berichte ihm, wie es mir geht. Und wenn in Maulbronn festliche Veranstaltungen anstehen, spiele ich, wenn möglich, für die Stadt. Darüber hinaus verstehe ich meine Rolle als Botschafterin auch so, dass ich in New York von meiner Heimat erzähle. Wenn ich gefragt werde, woher ich komme, erzähle ich vom Kloster und zeige Bilder. Es gibt so viel zu berichten über diese tolle Stadt. Ich bin stolz auf meine Heimat und finde, dass wir hier in einer der schönsten Regionen Deutschlands leben.
Sie feiern im September Ihren 20. Geburtstag. Empfinden Sie dies als Einschnitt in Ihrer Entwicklung vom vielzitierten Wunderkind zur erwachsenen Künstlerpersönlichkeit?
Als Wunderkind habe ich mich nie gesehen, denn zum einen bin ich mit anderen jungen Musikern aufgewachsen, die auch sehr gute Leistungen bringen. Zum anderen war mir schon immer bewusst, dass es viel gibt, an dem ich noch arbeiten möchte. Insofern empfinde ich mich auch heute nicht als „Wunder“. Das Ende der Teenager-Zeit bedeutet zwar, dass jetzt kein Schüler mehr auf der Bühne steht, sondern ein erwachsener Mensch, der mehr Verantwortung trägt, aber ich habe auch einen größeren Erfahrungsschatz als früher, weiß mehr und kann deshalb selbstbewusst auftreten.
Wie behält die Künstlerin, die stundenlang übt und sich mit anderen Künstlern austauscht, den Bezug zum ganz normalen Leben?
Den Bezug zum Alltag verliere ich nicht, dafür sorgt schon beispielsweise das Schleppen der Einkaufstüten hoch in den sechsten Stock, wo meine Wohnung liegt. Auch Sport mache ich ab und zu gern, und an den Wochenenden findet sich durchaus auch einmal Zeit und Gelegenheit, um auszugehen. Ansonsten übe ich, gehe zur Schule, höre mir Konzerte an, lese, singe. Ich führe ein sehr musikalisches Leben, und ich habe das Gefühl, dass ich, je mehr Musik ich mache, desto mehr Spaß daran habe, weil ich in vielen Bereichen spannende neue Einblicke gewinne.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie schon als 15-Jährige nach Amerika gegangen sind?
Mir war früh klar, dass ich irgendwann ein Jahr im Ausland verbringen wollte. Das Klavierspielen solange aufzugeben, kam aber nicht infrage. Also hat meine Karlsruher Klavierlehrerin, Professor Sontraud Speidel, den Kontakt zu Professor Alexander Braginsky hergestellt, der in Minnesota unterrichtet und ein Projekt betreut, in dessen Rahmen Nachwuchsmusiker gefördert werden. Ich war dann vor Ort, um mir für einen späteren Zeitpunkt die Schule und das Umfeld anzusehen, aber im Grunde war alles schon für mich vorbereitet. Ich erhielt sofort ein Stipendium, so dass ich früher als eigentlich geplant, noch während der zehnten Klasse, in die USA gegangen bin. Ich war dann zunächst auf einer Privatschule und konnte dort einen Abschluss erwerben, der es mir auch in Deutschland ermöglicht, ein Studium aufzunehmen.
Hätte ich dann nicht meinen heutigen Lehrer Jerome Rose getroffen, wäre ich möglicherweise nach dem Ende der Schulzeit nach Deutschland zurückgekommen. So aber wollte ich unbedingt bei ihm in New York studieren, denn er hat mich bei einem Sommerkurs tief beeindruckt.
Wie weit ist Ihr Studium gediehen?
Ich bin jetzt im zweiten Jahr. Da die konzeptionelle Ausrichtung mittlerweile in Deutschland ähnlich ist, habe ich die Option, nach dem Bachelor-Abschluss hier weiterzustudieren.
War für Sie von Anfang an klar, dass Sie Musikerin werden wollen?
Ja. Meine Eltern erzählen, dass ich, als ich drei Jahre alt war, einmal in die Küche kam und verkündete, Pianistin werden zu wollen. Sie haben das damals natürlich nicht sonderlich ernst genommen. Ich war aber hartnäckig und habe mir zu meinem fünften Geburtstag ein Klavier gewünscht, was mir dann auch zugesagt wurde. Eine Woche vorher habe ich meinen Vater an sein Versprechen erinnert, und er besorgte auf die Schnelle ein altes Klavier, auf dem ich dann tatsächlich angefangen habe zu spielen. Und bis heute habe ich damit nicht aufgehört.
Im Gegenteil: Sie arbeiten jetzt sogar mit einem professionellen Management zusammen . . .
Ja, eine große Agentur hat mich unter Vertrag genommen, was ich als große Ehre für mich einordne. Für mich bedeutet diese Zusammenarbeit ein Plus an Verantwortung, denn es geht nun bei meinen Konzerten nicht nur um mich selbst, sondern ich repräsentiere auch den guten Namen meiner Agentur. Und diese hat mir bereits einmalige Auftrittschancen ermöglicht, etwa im Festspielhaus in Baden-Baden, was ein großartiges Erlebnis für mich war. So etwas ist ohne eine professionelle Agentur nicht möglich.
Wenn Sie nun die ganz großen Bühnen erobern, muss sich der Musikfreund aus dem Enzkreis dann Sorgen machen, dass Ihr Auftritt heute Abend im Uhlandbau möglicherweise auf lange Sicht das letzte Heimspiel gewesen sein könnte?
Nein, ich werde sicher in absehbarer Zeit wieder in der Nähe auftreten. Beispielsweise wird es Konzerte in Karlsruhe und Stuttgart geben. In der Region leben so viele Musikinteressierte, dass ich auch in der Zukunft immer wieder hierher zurückkehren werde. Aber nichtsdestotrotz: Ein Konzertbesuch heute Abend lohnt sich bestimmt. Nicht nur für mich ist der Auftritt etwas Besonderes. Auch Schumanns Klavierkonzert ist einfach einzigartig.
Zur Person
Magdalena Müllerperth
Die Pianistin wurde 1992 in Pforzheim geboren und erhielt mit fünf Jahren ihren ersten Klavierunterricht. Im Alter von acht Jahren wurde sie zunächst Schülerin, ab 2003 Jungstudentin von Professor Sontraud Speidel an der Hochschule für Musik in Karlsruhe. Ab November 2007 studierte sie bei Professor Alexander Braginsky an der Hamline University, St. Paul/Minnesota. Seit September 2010 setzt sie ihre Studien bei Professor Jerome Rose am Mannes College in New York fort. Die junge Künstlerin errang zahlreiche Preise bei nationalen und internationalen Wettbewerben. Seit 2007 ist sie Jugendmusikbotschafterin der Stadt Maulbronn.
Magdalena Müllerperth konzertierte bereits in ganz Deutschland sowie in Dänemark, Belgien, Italien, Österreich, Tschechien, Russland, Frankreich, Schweiz, in der Ukraine und den USA. 2008 gab sie sechs Konzerte mit dem Minnesota Orchestra. Im selben Jahr wurde sie als Solistin zu den Stuttgarter Philharmonikern eingeladen. 2009 gab sie ihr Debüt bei den Klosterkonzerten Maulbronn und im Dezember 2009 in der Liederhalle in Stuttgart. (pm)
Carolin Becker