125 Jahre Elser Gruppe: Jubiläumskonzert des Mühlacker Tagblatt im Uhlandbau bietet ein besonderes klassisches Highlight
„Der Anblick des lichterprangenden Saales war herrlich. Die Musik war eine Erquickung. Die Stimmung der Gäste war festlich gehoben.“ Sätze wie diese aus dem Artikel zur Uhlandbau-Eröffnung, den der Dürrmenz-Mühlacker Bote am 29. Oktober 1921 seinen Leser präsentierte, könnten in etwas schlankeren Worten auch heute in seiner Nachfolger-Zeitung Mühlacker Tagblatt stehen. Den vielen Sternstunden, die die Besucher seither im Gebäude erlebt haben, hat die Elser Gruppe mit ihrem Jubiläumskonzert eine weitere hinzugefügt.
Mühlacker. Fritz und Adolf Busch, Rudolf Serkin und Carl Orff: Der Uhlandbau hat in seiner Geschichte große Stars der Musikszene gesehen. Stars der Zukunft gehörte am Samstagabend die Bühne.
Die aus Schmie stammenden Pianistinnen Marina und Magdalena Müllerperth, längst auf internationaler Ebene erfolgreich, wurden bei ihrem mit Spannung erwarteten Heimspiel von rund 450 Zuhörern gefeiert. Niemand freute das mehr als Hans-Ulrich Wetzel, den Geschäftsführer der Elser Gruppe Druck und Medien, der den Auftritt der Künstlerinnen im Rahmen der Reihe „Mühlacker Concerto“ von langer Hand vorbereitet hatte. Das Jubiläumskonzert, der Auftakt zu weiteren Veranstaltungen zum 125-jährigen Bestehen der Elser Gruppe, finde nicht zufällig im Uhlandbau statt, verwies Wetzel auf die bedeutende Rolle, die das Haus von Beginn an in der Berichterstattung gespielt habe. Im Artikel zur Eröffnung hatte der Geschäftsführer zudem einen ganz persönlichen Bezug entdeckt: Hedwig Händle, die Schwester seines Großvaters, habe damals einen dichterischen Festgruß vorgetragen.
Gedichte bekamen die Gäste im ausverkauften Haus, darunter Oberbürgermeister Frank Schneider, Bürgermeister Winfried Abicht und Regierungsdirektor Karl-Heinz Zeller vom Enzkreis, nicht zu hören, dafür aber die „Leidenschaft der Töne“. Dieses Konzertmotto hatte Dirigent Peter Wallinger ausgerufen, der mit der Unterstützung engagierter Sponsoren den Uhlandbau vor rund einem Jahrzehnt aus dem Dornröschenschlaf geweckt hat. Für diesen „überaus wichtigen kulturellen Anstoß“ gebühre Wallinger „ein außerordentlich großer Dank“, betonte Hans-Ulrich Wetzel.
Der Initiator der Festivals „Musikalischer Sommer“ und „MühlackerConcerto“ gab den Dank umgehend in Gestalt dreier Perlen der romantischen Musik zurück. Die „Ungarischen Tänze“ Nummer 1, 5 und 6 von Johannes Brahms werden wegen ihres Ohrwurm-Potenzials häufig gespielt. Ihnen mehr als die bekannten Facetten zu entlocken, gleicht einer Herausforderung, der sich Peter Wallinger und seine in allen Stimmen hochkarätig besetzte Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim vom ersten Takt an gewachsen zeigten. So fielen die präzise platzierten Einwürfe der Holzbläser ebenso angenehm auf wie die Freude der Streicher am exotisch anmutenden Kolorit, für das Brahms etwa mit Akzenten auf unbetonten Taktzeiten, übermäßigen Intervallen oder der Anweisung sorgt, entgegen gängiger Spielkonventionen den Ton auf der zweiten Bogenhälfte stark anschwellen zu lassen. Bei allem Temperament, das die Musiker unter Wallingers Leitung entfalteten, blieb der Klang durchlässig genug, um die zarten Töne der Triangel vernehmen zu können.
Ähnlich gut disponiert agierte das Orchester in Joseph Haydns D-Dur-Klavierkonzert Hob XVIII:11. Dem frischen, von einem Quartsprung geprägten Hauptmotiv des ersten Satzes wussten die Streicher als Gegenpol fragende und von überbordendem Vibrato freie Töne entgegenzusetzen. Der Boden für die Solistin Marina Müllerperth, die im Herbst ihr Studium an der Karlsruher Musikhochschule aufgenommen hat, war bereitet. Sie griff das Thema ebenso zupackend wie bewusst artikulierend auf und kostete das Wechselspiel mit dem Orchester aus. Rasante Läufe in der rechten Hand gestaltete sie so transparent, dass das häufig in der linken Hand angesiedelte Quartmotiv genügend Raum gewinnen konnte. Von Souveränität, Selbstverständlichkeit, organischen Bewegungen und dem Verzicht auf große Gesten waren auch die beiden von der jungen Künstlerin selbst komponierten Kadenzen im ersten und zweiten Satz gekennzeichnet.
Konnte Marina Müllerperth im abschließenden Satz „Rondo all’ Ungarese“, der sich schon zu Haydns Lebzeiten großer Beliebtheit erfreute, bereits mit spritzigen Vorschlagsnoten, dynamischer Differenzierung auch in höchstem Tempo und sicher gesetzten Akzenten überzeugen, so ließ sie nach dem lange anhaltenden Beifall des Publikums in einer Zugabe ihrer Virtuosität endgültig freien Lauf. In Maurice Ravels „Alborada del Gracioso“ wirbelten die Finger wie entfesselt über die Tasten des Steinway-Flügels. Für die Fähigkeit, atemberaubend schnelle Tonrepetitionen sowohl mit unbestechlicher Präzision als auch mit der Fröhlichkeit eines aufgeweckten Singvogels umzusetzen, erntete sie erneut Bravorufe.
Sein zweites Klavierkonzert schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy während seiner Flitterwochen. Kein Wunder, dass der erste Satz die Bezeichnung „Allegro appassionato“ trägt. Die vom Komponisten geforderte Leidenschaft ließen vom ersten dunkel gefärbten D-Moll-Takt an weder die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim noch die Solistin Magdalena Müllerperth vermissen. Die 22-Jährige präsentierte sich als reife Interpretin eines anspruchsvollen Werks, die – vom Orchester mal dezent begleitet, mal ausdrucksstark angefeuert – die Emotionen in Töne fasste und dabei die technischen Anforderungen fast vergessen machte. Ihr wandlungsfähiger Anschlag erlaubte ihr ein schwebendes Legato ebenso wie harfenähnlich gezupfte Töne, perlende Läufe und wuchtig gehämmerte Oktaven. Gleichsam ein Lied ohne Worte sang die Solistin im langsamen Satz gemeinsam mit dem Orchester, in dessen Reihen die Flötistin Dr. Christina Dollinger zu finden war. Sie hatte zuvor im bis auf den letzten Platz gefüllten Turmzimmer die Werke des Konzerts vorgestellt und für den dritten Satz ein „Klavierfeuerwerk“ angekündigt. Ein solch feuriges und dennoch mit allen Vorgaben des Brandschutzes im Einklang stehendes Ereignis krönte den Abend. Magdalena Müllerperth, die nach Jahren in den USA ihre Studien nun in Berlin fortsetzt, nahm das energiegeladene Motiv des Orchesters auf und ließ wahrhaft die Funken sprühen. Dabei vergaß sie nicht, auch lyrische Passagen so zu gestalten, wie es sich der frisch verheiratete Mendelssohn vermutlich gewünscht hätte. Zu erfüllen galt es nun nur noch den Wunsch des ausdauernd applaudierenden Publikums nach einer Zugabe. Die Solistin überraschte mit Bach, aus dessen fünfter französischer Suite sie Gigue und Sarabande vortrug.
Die begeisterten Besucher nahmen mehr mit nach Hause als einen Faksimile-Druck des Dürrmenz-Mühlacker Boten vom 29. Oktober 1921: die Gewissheit, dass auch im 21. Jahrhundert Sternstunden der Musik in Mühlacker zu erleben sind.
Carolin Becker