Als Soloklarinettist des SWR-Symphonieorchesters und mehrfacher Echo-Preisträger ist Sebastian Manz international gefragt. Morgen steht der 36-Jährige mit der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim beim Neujahrskonzert im Uhlandbau in Mühlacker auf der Bühne.
FRAGEN VON HARRY SCHMIDT
STUTTGART/BIETIGHEIM-BISSINGEN. Der Kalender von Sebastian Manz ist eng getaktet. Soeben hat er das Stuttgarter Funkhausverlassen, wo eine Probe für ein Konzert in Dortmund anstand. In einer Stunde wird der Klarinettist mit Peter Wallinger und der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) in der dortigen Kelter das Programm des Neujahrskonzerts einstudieren, das morgen im Uhlandbau in Mühlacker stattfinden wird. Weil „coronabedingt“ weder in Murr noch in Bietigheim gespielt werden könne, hat Wallinger erneut eine Video-Aufzeichnung angekündigt. Auf der Fahrt nach Bietigheim spricht Manz nicht nur über seine musikalischen Präferenzen und Grenzen westlicher Klangvorstellungen, sondern verrät auch, wo er seine Frau kennengelernt hat.
Herr Manz, als Solist werden Sie entscheidend am Neujahrskonzert der SKB in Mühlacker mitwirken. Wie ist es dazugekommen?
SEBASTIAN MANZ: Ich glaube, ich habe mit niemand so oft zusammengearbeitet wie mit Peter Wallinger – wir kennen uns schon seit mehr als zehn Jahren und haben bereits einige Programme zusammen auf die Bühne gebracht, zuletzt eine Stamitz-Exkursion. Vielfach bearbeite ich die Stücke auch. Die Arrangements, aus denen Wallinger nun eine Auswahl für dieses Neujahrskonzert getroffen hat, habe ich ihm schon vor längerer Zeit in Aussicht gestellt. Jetzt ist er relativ spontan, im Dezember, auf mich zugekommen und wir konnten uns rasch auf eine konkrete Programmfolge verständigen.
Auf dem Programm stehen, neben dem Lento aus der „Partita“ für Streicher von Gideon Klein, einem im KZ Fürstengrube ums Leben gekommenen tschechisch-jüdischen Komponisten, unter anderem die „Fantasia“ aus Carl Maria Webers Klarinetten-Quintett, Astor Piazzollas „Café 1930“ und ein „Israeli Suite Medley“. Wie ist dieser weitgespannte Programmbogen entstanden?
Insgesamt trägt die Auswahl natürlich auch dem Format eines Neujahrskonzerts Rechnung. Tatsächlich habe ich alle Stücke, an denen ich beteiligt bin, selbst arrangiert. Und wenn ich von Arrangements spreche, sind das meistens auch halbe Eigenkompositionen. Mit Ausnahme von Piazzolla: „Café 1930“ ist einfach eines meiner absoluten Favoritenstücke – diese Melancholie, diese Schwermut. Das ist musikalisch so großartig emotional verpackt! Da sind zwar immer wieder Tango-Elemente drin, aber im Grunde hat Piazzolla hier seinen ganz eigenen Stil gefunden, eine Kombination aus Jazz- und klassischen Elementen – sehr lyrisch, sehr expressiv.
Wie fügt sich Webers Klarinetten-Quintett hier ein?
Auch der zweite Satz aus Webers Klarinetten-Quintett hat etwas nachdenkliches. Wir werden die „Fantasia“ mit mehreren Streichern der SKB spielen – das hat dann vielleicht nicht die Flexibilität wie mit einem Streichquartett, dafür aber eine andere Power. Das Klarinetten-Quintett wurde von Weber ja ursprünglich als Klarinettenkonzert konzipiert. Weil es nicht aus Notwendigkeit, sondern aus innerer Berufung entstand, ist jeder Satz ein Juwelstück geworden. Die „Fantasia“ etwa wirkt wie eine improvisatorisch angelegte Arie.
Und im Aspekt der Kantabilität haben Sie wiederum eine Verbindung zwischen Weber und Klezmermusik entdeckt?
Genau. Im „Israeli Suite Medley“ habe ich drei Klezmer von Helmut Eisel, einem langjährigen Wegbegleiter von Giora Feidman, zusammengefasst. Da ist eine ganz andere Klangauffassung im Spiel als die Ausgeglichenheit, um die sich unsere klassische Ausbildung bemüht, eine, die der menschlichen Stimme unglaublich nahekommt. Zudem spiegelt sich hier auch die Geschichte des von der jüdischen Familie Emrich errichteten Uhlandbaus.
Mit Gershwins „Promenade – Walking the dog“ steht ein Stück auf dem Plan, das auf Ihrer Homepage auch als Video zu sehen ist – inklusive Hund! Haben Sie wieder einen Vierbeiner engagiert?
Ich würde am liebsten in jeder Aufführung einen Hund über die Bühne laufen lassen (lacht). Aber diesmal belasse ich es bei einem Triller an dieser Stelle.
Welche besonderen Herausforderungen stellen diese Partien für Sie dar?
Zunächst mal, sich auf die schiere Bandbreite der Musik einzulassen und dann authentisch im Moment abrufen zu können. Mit Notenspielen ist es ja nicht getan– man muss die Sachen als Musiker auch wirklich erleben. Auch keine Scheu zu haben, klassische Konventionen hinter sich zu lassen – allzu oft sind wir noch Sklaven unserer eigenen Regeln. Nicht zuletzt das immer neue Zusammenwachsen von Solist und Ensemble.
Als Solo-Klarinettist des SWR-Symphonieorchesters sind Sie in der Region gutbekannt. Haben Sie darüber hinaus einen besonderen Bezug zum Ludwigsburger Kreisgebiet?
Durchaus! (lacht) Als wir 2017 im Kronenzentrum geprobt haben, schrieb mich eine Klarinettenlehrerin an, ob sie mit ihren Schülerinnen zur Generalprobe kommen könne. Und wie es der Zufall so will, ist sie jetzt meine Frau.
INFO: Am 13. Januar um 20 Uhr wird das Neujahrskonzert der SKB im Uhlandbau Mühlacker mit begrenzter Besucherzahl stattfinden. Voranmeldung unter Tel. 07043/958393. Der Mitschnitt ist ab 16. Januar unter www.sueddeutsche-kammersinfonie.de abrufbar.