Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim überzeugt bei den Neujahrskonzerten

Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim in Mur. Foto: Ramona Theiss

MURR. Ein sorgsam abschattiertes, gewissenhaft-verhaltenes und doch umso wirkungsvoller in leuchtend klar gezeichneten Konturen aus der Dunkelheit von Jahreszeit und Weltenlauf hervortretendes Glimmen und Glosten — hochspannend und von der Aura des Klandestinen umgeben wie das Chiaroscuro in einem Gemälde von Georges de La Tour wirkt die Farbe dieses ersten Neujahrskonzerts der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) im Murrer Rathaus. Anderntags stehen die Termine in Mühlacker und Bietigheim an. Auch in Murr blickt diese Veranstaltung auf eine über 20-jährige Tradition zurück, entsprechend gut besucht präsentierte sich der Bürgersaal der Gemeinde – ganz offenkundig stellt das Neujahrskonzert der SKB hier ein erstrangiges gesellschaftliches Ereignis im kommunalen Kulturkalender dar.

Spannend bis zuletzt blieb es auch hinter den Kulissen: Erst eine Stunde vor dem Auftritt war Barbora Hulcovä wieder eingetroffen – die Tschechin hatte zwischen Proben und Konzertwochenende noch Engagements in Basel zu absolvieren -, nun sitzt sie da mit ihrer Theorbe, umringt vom Halbkreis der in 13-köpfiger Besetzung angetretenen SKB, als Peter Wallinger den Taktstock hebt, um mit der „Aria“ aus Johann Sebastian Bachs „Goldberg-Variationen“ (BWV 988) das erste Konzert seines 1984 gegründeten Orchesters im noch jungen Jahr zu eröffnen. Würdevoll und grazil, in schlichter Schönheit schreitet dieser einer gravitätischen Sarabande verwandte Instrumentalsatz einher – ein apollinischer Auftakt, angemessen andächtig und behutsam gestaltet.

„Hört dieses. Hier ist Musik“ — mit diesem Wort des Pianisten James Rhodes, das Bach dem unter Komponisten gemeinhin vorherrschenden „Hier bin ich“- Marktgeschrei gegenüberstellt, war das Programm überschrieben, Werke des Thomaskantors bildeten den verbindlich-verbindenden roten Faden darin. Diesem und anderen Gedanken über dessen Musik gab Maiken Wallinger Ausdruck, die bereits seit langem an der Gestaltung des literarischen Anteils der Neujahrskonzerte beteiligt ist. Von Die Zeit-Autor Alard von Kittlitz stammt der vielleicht instruktivste: „Es gibt in dieser Musik kein Oben und Unten. Kein Haupt und Neben, kein Groß und Klein. (…) Im Kontrapunkt ist alles eins.“

Präsenz und Resonanzvermögen

Hörbar illustriert wurde diese Einschätzung durch die sechsstimmige Proto-Fuge aus dem „Musikalischen Opfer“ (BWV 1079), ausgezeichneten Eindruck im von Wallinger mit Übersicht gestalteten „Ricercar. á 6.“ wie auch im weiteren Verlauf hinterließ Konzertmeisterin Andrea Langenbacher, als Stimmführerin der 2. Violinen seit langem ein vertrautes Gesicht in den Reihen des SKB, vorzüglich in der heiklen Balance von Präsenz und Resonanzvermögen.

Dem im Ricercar angelegten Rückbezug auf die Renaissance trug Wallinger mit zwei Tanzsätzen John Dowlands Rechnung, mit geradezu jugendlichem Elan geformt die dem seinerzeitigen König von Dänemark gewidmete Galliarde, noch dynamischer die George Witehead zugeeignete Allemande.

In Dowlands berühmtem „Flow my tears“ gelang Wallinger eine wundervolle, ganz dem Titel entsprechende Wiedergabe mit der SKB und Sopranistin Juliane Brittain, die auch Henry Purcells „If music be the food of love“ und „Music for a while“ sehr ansprechend interpretierte.

Wahre Begeisterungsstürme erntete dann Bachs „6. Brandenburgisches Konzert“ mit den Bratschensolistinnen Andrea Lamoca Alvarez und Lilia Rubin nach der Pause, atmosphärisch gerahmt durch Sibelius „Impromptu Op.5“ und, analog zu den „Goldberg-Variationen“, die finale Reprise der „Aria“, die nun, obgleich in den Notenwerten unverändert, den Charakter eines Wiegenlieds anstelle eines Vorhangs annimmt. Ein tiefgründiger Kontrapunkt in Sachen Neujahrskonzert.

Autor: Harry Schmidt

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