Virtuose Solistin im Festkonzert zum 40-jährigen Bestehen der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim war die Geigerin Ursula Schoch. Mit der Konzertmeisterin des Amsterdamer Concertgebouworkest verbindet Orchesterleiter Peter Wallinger eine lange Zusammenarbeit.

Extraportion Schwung: Peter Wallinger dirigiert die SKB. Foto: Andreas Becker

BIETIGHEIM-BISSINGEN. Seit 40 Jahren leitet er dieses Orchester. 1984 hat Peter Wallinger, seinerzeit noch als Musikerzieher an den Ellental-Gymnasien tätig, die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim (SKB) aus der Taufe gehoben. Fünf bis sechs Konzertprogramme erarbeitet das Projektorchester im Jahr, mindestens zwei davon werden pro Saison im Kronenzentrum als Teil des städtischen Veranstaltungsbetriebs gespielt und bereichern den Kulturkalender der Großen Kreisstadt nicht unwesentlich.

Weitere Spielstätten der SKB sind das Rat- und Bürgerhaus in Murr, der Uhlandbau in Mühlacker und die Liebfrauenkirche in Lienzingen – auch die dortigen Konzerte strahlen weit in die Region hinaus. Jahr für Jahr dokumentiert Wallinger seine ausgefeilten Konzertprogramme auch auf CD, die Reihe dieser Aufzeichnungen ist zu einem prächtigen Kompendium kammersinfonischer Preziosen herangewachsen.

Dennoch hat es fast den Charakter einer Premiere: Mit 430 Besuchern wirkt der Kronensaal gut bis bestens ausgelastet. Ein Grund für den großen Zuspruch: Aus Anlass des Jubiläums hat das städtische Kulturamt das „Festkonzert“ der SKB ins Konzertabonnement aufgenommen – sogar prominent als Spielzeitabschluss, wie Michaela Ruof betont. Ob das Commitment auch in die Zukunft weist? „Mal so, mal so“, laute diesbezüglich die Devise, so die Amtsleiterin im Gespräch.

Zuletzt war ein Konzert des Orchesters, das den Namen Bietigheim seit vier Dekaden als Bestandteil in seinem eigenen führt, als „kulturelles Markenzeichen unserer Stadt“ (Rouf in ihrer Begrüßung der Festkonzertgäste) vor 20 Jahren Teil des städtischen Abonnementprogramms gewesen.

Der Witz in der Partitur

Plastisch und pointiert gestaltete Wallinger die erste Hälfte, mit einer Extraportion lässigem Schwung federn Dvoráks „Slawische Tänze“ heran, festlich-folkloristisch im Gestus der „Furiant“, die Nr. 8 aus dem Opus 46 (1878), ein Presto in g-Moll, dessen rhythmische und dynamische Kontraste unter den Händen des Dirigenten mit wunderbaren Holz- und Blechbläserfarben koloriert erklingen. Atmende, erblühende Schlagfiguren beleben auch die Nr. 2 aus dem erst eine Dekade später entstandenen Opus 72. Direktes Vorbild Dvoráks waren die „Ungarischen Tänze“ von Brahms, in Orchesterfassungen der Nr. 1, Nr. 5 und Nr. 6 serviert Wallinger mit einer hervorragend disponierten SKB, angeführt von Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi, gänzlich unmuseale Deutungen, kitzelt den Witz aus der Partitur und umschifft alle lauernden Klassikhit-Repertoire-Klippen. 40 Jahre jung – Chapeau!

Auf tänzerische, sehnig gespannte Motorik und schlanke, quicklebendige, hochtransparente Klangästhetik bedacht, con brio, zuweilen auch mit Verve, jedoch unter Verzicht auf plakative Wirkung und ohne je zu breit aufzutragen, rührt Wallinger die imaginäre Trommel, geht in die Knie, dämpft die 1. Violinen mit der Linken. Isolierung und Ohrenspitzer zugleich dazwischen Jean Sibelius’ „Valse triste“: Auch die Bühnenmusik zu Arvid Järnefelts Drama „Kuolema“ (Der Tod) gerät so spannend und plastisch, als wäre es Szene. Je dünner die Luft (in den Bergen, im Norden), je näher die Morgenröte auch (im Osten), desto mehr ist Wallinger in seinem Element.

Einer hochalpinen Gipfelbesteigung tatsächlich nicht unähnlich dann Beethovens Violinkonzert nach der Pause. Mit keiner Solistin hat Wallinger häufiger zusammengearbeitet als mit der in Ludwigsburg geborenen Ursula Schoch. Seit mehr als 20 Jahren Konzertmeisterin des Amsterdamer Concertgebouworkest, ist die Geigerin ein so oft wie gern gehörter Gast in den SKB-Konzerten. „Rutsch’ mal ein bisschen, ich brauch’ mehr Platz“, bedeutet die Violinistin im schulterfreien, taubenblauen Abendkleid Wallinger mit einer kurzen Handbewegung. Ohne Worte verbunden und verbindlich bleibt ihre Kommunikation auch im D-Dur-Konzert. 1806 im Theater an der Wien uraufgeführt, gilt Beethovens Opus 61 als eines der bedeutendsten Werke seiner Gattung. Monumental bereits der Kopfsatz: Das Orchester bewältigt fast einen halben Sonatensatz allein, bevor die Solovioline im „Allegro ma non troppo“ einsetzt und die Themen in Figurationen transformiert. Schochs (gewissermaßen weniger von der romantischen als von der barocken Seite aus) erlesene Interpretation betont die kantable Rhetorik, gebärdet sich eher als Klangrede denn als Klangmalerei, dabei teilt die Virtuosin mit der vor allem in der Mittellage mit außergewöhnlichem Wohlklang ansprechenden Guadagnini von 1755 auch im Variationssatz („Larghetto“) und im finalen Rondo (gleich einer klugen Primadonna) hervorragend ein. Exquisit!

Autor: Harry Schmidt

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