Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim präsentiert im Kronenzentrum ihr Adventskonzert

Sorgfältig ausgewählte Werke: Wolfgang Bauer und die Kammersinfonie

Bietigheim-Bissingen. Für manches Ohr gehören Trompetenklänge zur Vorweihnachtszeit wie Lebkuchen und Spekulatius, Bratäpfel und Zimtsterne, Adventskranz und Kerzenlicht. Dass die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim (SKB) zu ihrem diesjährigen Adventskonzert mit Wolfgang Bauer einen Virtuosen der Trompete eingeladen hat, fügt sich also ins jahreszeitliche Bild. Das Trompetenkonzert Es-Dur (Hob VIIe:1) von Joseph Haydn hat der langjährige Professor an der Musikhochschule Stuttgart bereits 2006 mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn aufgenommen, von souveräner Geläufigkeit zeugte auch seine Wiedergabe mit der SKB am Samstagabend. Der demonstrative Charakter der Musik kommt nicht von ungefähr: Anton Weidinger hat die drei Sätze 1796 in Auftrag gegeben, um die Möglichkeiten der von ihm erfundenen Klappentrompete aufzuzeigen; bis heute zählt das erste Konzert für dieses Instrument zum Standardrepertoire der Trompetenliteratur. Erweitert um Halb- und Ganztonschritte jenseits der Naturtonreihe, präsentiert sich die Trompete darin als vollwertiges Melodieinstrument, bis hin zu chromatischen Durchgängen im Allegro und fast streicherartigem Legato im kantablen Andante. Ohne oberflüssige Exaltation gestaltete Bauer diese technisch anspruchsvollen Passagen, was die plakativen Züge in Haydns Demo-Konzert wohltuenderweise moderierte.

Nun wäre dies kein Adventskonzert der SKB, hätte sich die Darbietung im Rahmen des Erwartbaren erschöpft. Ihr Dirigent Peter Wallinger ist ein Freund überraschender Kombinationen: Stets verbinden seine Programme sorgfältig ausgewählte Schlüssel und Gipfelwerke der Klassik mit weniger bekannten oder auch obskuren Stücken. Nicht allzu viel weiß man über den böhmischen Violinisten und Komponisten Johann Baptist Georg Neruda (1707 – 1780), das „Concerto per Corno Primo“ gilt als das heute populärste Werk des Dresdner Hofkapellmeisters. Im galanten Stil gehalten, fordert es einen Meister des Clarinspiels, müssen die hohen Lagen auf diesem Diskanthorn doch wie bei der Barocktrompete vollständig mittels der Ansatztechnik realisiert werden. Indes blieb Bauer diesbezüglich zu mindest bei der Aufführung im Kronensaal – das Konzert wurde tags darauf in Mühlacker wiederholt – unterhalb des Möglichen, wirkte sowohl hinsichtlich der Intonation als auch der Präzision seiner Einsätze gehemmt. Dies fiel umso mehr ins Gewicht , als die SKB seine Soloexpositionen, die tendenziell wie instrumentale Opernarien angelegt sind, unter Wallingers konziser Stabführung lebendig, transparent und klar konturiert einzubetten bemüht war.

So aber wurde das zwischen den beiden Konzerten platzierte Moderato aus Peteris Vasks’ „Musica adventus“, so auch der Titel des Adventskonzerts, zum heimlichen Höhepunkt des Abends: In höchster kammermusikalischer Konzentration und Sammlung durch die Streichergruppen, allen voran Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi, exzellent realisiert, evozieren lang gehaltene Liegetöne in der 1996 vollendeten Bearbeitung des 3. Streichquartetts des lettischen Komponisten die Weite nordischer Landschaften, während im Pianissimo knackende Pizzicati und mit dem Bogenholz erzeugte Klänge vor diesem Horizont Bilder kristalliner Kälte aufziehen lassen, irgendwo zwischen Sibelius Pärt.

Im langen Schatten der Neunten steht von heute aus gesehen Beethovens 1814 uraufgeführte Sinfonie Nr. 8 in F-Dur, ihre vermeintliche Konventionalität, der Eindruck heiterer Lebensfreude, ist pure Fassade. Vielmehr wirkt der Umgang des ertaubenden Komponisten mit der Tradition hier vielfach gebrochen, nachgerade von bitterem, sardonischen Lachen erfüllt. Mal auf engstem Raum, mal mit ausgebreitetem Schwung schäfte Wallinger die enormen gestischen und dynamischen Kontraste der ausladenden Ecksätze wie des kuriosen „Allegretto scherzando“ und des parodistischem „Tempo di Menuetto“. Epische Sinfonik als kammermusikalisches Kondensat. Auch wenn an ein, zwei heiklen Anschlussstellen noch Luft nach oben bestand, eine höchst ansprechende, eindrucksvolle Vorstellung dieses gleichermaßen ambitionierten wie qualifizierten Kammerochesters.

Harry Schmidt

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