Peter Wallinger begeht am Freitag gleich zwei Jubiläen auf einmal. Ursula Schoch, Konzertmeisterin des Königlichen Concertgebouw-Orchesters Amsterdam, glänzt mit einer hinreißenden Wiedergabe von Beethovens Violinkonzert in D-Dur.

Geigerin Ursula Schoch und Dirigent Peter Wallinger sind ein eingespieltes Team. Foto: Bastian

Mühlacker. Was Peter Wallinger in Bietigheim und Mühlacker künstlerisch auf die Beine gestellt hat, ist überaus beeindruckend. Dr. Johannes Bastian vom Förderverein „Mühlacker Klassik“ nannte in seiner Begrüßung den Musiker einen „herausragenden Kulturträger in der Region“ und bescheinigte ihm „enormes Durchhaltevermögen und Energie“. Wallinger habe vor 20 Jahren den Uhlandbau aus dem Dornröschenschlaf erweckt und die im frühen 20. Jahrhundert begründete Konzerttradition neu belebt.

Mit Gründung der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim im Jahr 1984 war der Grundstein für zahllose Konzerte im Raum Bietigheim-Bissingen gelegt. 2004 kam zur Konzertreihe „Musikalischer Sommer in der Frauenkirche Lienzingen“ die Reihe „MühlackerConcerto“ im Uhlandbau hinzu, Initiativen, die der Region wunderbare Veranstaltungen beschert haben, ohne die die vergangenen Jahrzehnte um vieles ärmer verlaufen wären.

Das Festkonzert am Freitagabend lag Peter Wallinger wohl sehr am Herzen. Dies war im ausverkauften Uhlandbau atmosphärisch deutlich zu spüren. Das mit über 30 Musikerinnen und Musikern groß besetzte Orchester, darunter Doppelholz (jeweils zwei Querflöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte) und Doppelblech (zwei Trompeten, zwei Hörner) und Schlagwerk, war bestens vorbereitet und ließ erahnen, wie viel Freude es macht, unter Wallinger zu musizieren.

Dem bestens vernetzten Musiker gelingt es immer wieder, vielversprechende junge Talente und Preisträger zu verpflichten. Und wenn es besonders glücklich verläuft, treten diese mehrfach in Erscheinung – so wie die großartige, aus dem Raum Bietigheim stammende Geigerin Ursula Schoch, die als Solistin der Solokonzerte von Johannes Brahms, Felix Mendelssohn, Ludwig van Beethoven, Max Bruch und Wolfgang Amadeus Mozart immer wieder zu erleben war. Neben zahlreichen Soloauftritten auf den großen Bühnen der Welt ist sie seit der Saison 2000/2001 Konzertmeisterin des berühmten Königlichen Concertgebouw-Orchesters Amsterdam.

„Peter Wallinger ist ein herausragender Kulturträger der Region mit enormem Durchhaltevermögen.“ Dr. Johannes Bastian, Förderverein „Mühlacker Klassik“

Wallingers Motto und künstlerische Zielsetzung, „Neue Musik vertrauter und vertraute Musik neu erlebbar zu machen“ lässt in Konzerten einmal stärker das Neue, das andere Mal mehr das Vertraute hervortreten. Beim Jubiläumskonzert am Freitag dominierte eindeutig das Vertraute, Bekannte. Eine Konzerteinführung konnte aufgrund von Baumaßnahmen nicht stattfinden, war aber auch nicht notwendig, denn die zur Aufführung gelangenden Werke waren bestens bekannt.

Vor der Pause gab es Tänze – von Antonin Dvořák, Jean Sibelius und Johannes Brahms. Sinfonische Tänze sind beim Publikum besonders beliebt, denn sie vereinen schlichte, leicht eingängige Melodien, die zu kreisen scheinen, reizvolle Rhythmen, starke Kontraste und immer wieder überraschende Klangfarben. Im slawischen Duktus spielte die Kammersinfonie zwei herrliche Tänze des „böhmischen Musikanten“ Antonin Dvořák, einen tiefgründigen „Valse triste“ des Finnen Jean Sibelius und drei sattsam bekannte „Ungarische Tänze“ von Johannes Brahms, die orchestrierte Übertragungen von Klavierstücken sind und ihm einst zu Weltruhm verholfen haben.

Wallingers Interpretation trumpfte nicht auf, sondern suchte nach einer transparenten Wiedergabe, einem feinsinnigen Herausschälen der Höhepunkte und einer Betonung des tänzerischen Charakters. Es gab schalkhafte Passagen, den warmen Sound der tiefen Streicher und eine hurtige Stretta am Ende des sechsten Tanzes.

Nach der Pause folgte eines der gewichtigsten Violinkonzerte der Literatur, das Konzert in D-Dur opus 61 von Ludwig van Beethoven. Das dreisätzige Werk ist per se kein typisches Solokonzert, sondern eher eine Sinfonie mit obligater Violinstimme. Doch es fehlt nicht an geigerischem Glanz und großer Geste, an einem kecken Widerspiel zwischen Solo und Tutti, an hochvirtuosen Kadenzen mit exponierten Doppelgriffen, die der Solistin beziehungsweise dem Solisten alles abverlangen.

Ursula Schoch spielte ganz wunderbar, fernab jeder Effekthascherei. Sie verfügt über einen exquisiten, farben- und obertonreichen Ton mit Wärme in der Höhe und Substanz in der Tiefe.

Ihr Spiel erinnert an keine Geringere als an Ann-Sophie Mutter. Nichts spielt Schoch flüchtig, alles hat Format, Leichtigkeit und Schwere zugleich, nichts ist vordergründig. Das ist Geigenspiel auf Weltniveau, woran auch ihr Instrument, eine Violine von Guadagnini aus dem Jahr 1755, einen nicht unwesentlichen Anteil trägt. Das Publikum war begeistert und spendete im Stehen Applaus, der mit einer Zugabe, einem Largo von Johann Sebastian Bach, belohnt wurde.

Autor: Dr. Dietmar Bastian

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