12.12.17, Mühlacker Tagblatt
Und überall ist Mozart
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In der Reihe „MühlackerConcerto“ entführt die Süddeutsche
Kammersinfonie Bietigheim in die faszinierende Welt der Klassik
Mühlacker. Kaum zu überbieten waren die musikalischen Veranstaltungen am vergangenen Wochenende in Mühlacker und der Region. Peter Wallinger und seine Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim hatten am Samstag in den Uhlandbau eingeladen. „Faszination Klassik“ war das Konzert mit gutem Grund überschrieben: Es wurde ein faszinierender Abend. Wahre Klangteppiche breiteten die Musiker aus. Unter der zupackenden Führung ihres Dirigenten bündelten sie eine bunte Vielfalt an Interpretationen zu einem harmonischen Ganzen. Tschaikowskys „Mozartiana“ zu Beginn, Mendelssohn Bartholdys „Italienische“ als Schlussakkord und in der Mitte, wie eingerahmt, Mozarts Violinkonzert G-Dur, auch das „Strasburger Concert“ genannt mit der brillanten Geigerin Ursula Schoch, die dem Konzertabend besonderen Glanz verlieh.
„Dass ich mein Leben der Musik geweiht habe, verdanke ich Mozart“, äußerte Tschaikowsky 1878, wie im Begleittext zum Programmheft nachzulesen war. Mit diesen kleinen Texten wird den Zuhörern ein erster Zugang zu den Werken geboten. Auch die Einführung durch die Flötistin Dr. Christiane Dollinger macht damit vertraut, und so ausgerüstet stand dem verständnisvollen Genuss nichts mehr im Wege. Als Hommage an Mozart und zum Gedenken an den 100. Jahrestag der Prager Uraufführung des „Don Giovanni“ hatte Tschaikowsky 1887 vier kleine, eher unbekannte späte Kompositionen seines Idols in einer „Mozartiana-Suite“ zusammengefasst. Schon in diesem ersten Vortrag zeigten die Musiker ihr Können und große Ausdruckskraft, spürbar in allen vier Sätzen. Sanfte Zwiesprache zwischen Bläsern und Streichern, eingebunden helle Klänge einer Harfe und Flötentriller, ein inniges „Ave verum“ und dann der Schlusssatz mit Mozart „querbeet“ begeisterten die Zuhörer. Dabei auch nicht zu überhören der Wohlklang der Violine am ersten Pult.
Als Glanzpunkt des Abends gestaltete sich der Auftritt von Ursula Schoch, Solistin in Mozarts Violinkonzert G-Dur, KV 216. Die aus Sachsenheim stammende Geigerin vorzustellen, ist müßig, hatte die einstige Schülerin von Peter Wallinger doch in Mühlacker fast ein Heimspiel. Ganz still wurde es im Saal. Nichts außer ihrer singenden Violine und ein mit Fingerspitzengefühl begleitendes Orchester schienen den Raum zu füllen. Um den Schluss vorwegzunehmen: „Traumhaft schön. Das Orchester ist an ihr gewachsen“, fasste ein Zuhörer seine Empfindungen zusammen.
Ein beherztes Allegro setzt Mozart an den Beginn, und nicht zu überhören ist, dass das Orchester zunächst das Thema „an sich reißt“, die Solistin dann danach greift und eine lebhafte Entwicklung dem Satz Farbe verleiht. Mit inniger Zartheit gestaltete Schoch das Andante, als wollte sie Welten öffnen, so weittragend waren ihre melodiösen Klangbögen.
Von tänzerischer Ausgelassenheit zeugt das abschließende Rondeau Allegro. Es gab keine Lage, der die Solistin nicht gerecht wurde. Ihr Spiel war brillant und berührend vom ersten bis zum letzten Bogenstrich.
Ohne Zugabe durfte Ursula Schoch die Bühne nicht verlassen. Und vielleicht kann man sagen: Sie krönte ihre Darbietung mit weiten, singenden Melodien in der Wiedergabe von Tschaikowskys „Souvenir d’un lieu cher“, geschrieben für Solovioline und Orchester. Der Beifall wollte nicht enden.
Nach der Pause trumpfte das Orchester temperamentvoll mit der Sinfonie Nummer 4 A-Dur, genannt die „Italienische“, von Felix Mendelssohn Bartholdy auf. Auch in diesem Werk „geisterte“ Wolfgang Amadeus Mozart durch die Notenzeilen und untermalte auf seine Art italienische Lebensfreude. Wuchtige Klänge beeindruckten zu Beginn, schwelgender Bläserklang dominierte im Moll des Andantes, ein sinnliches Moderato bildete einen Kontrast zum wild und ausgelassen interpretierten Schlusssatz „Saltarello“.
Eva Filitz
weniger12.12.17, Ludwigsburger Kreiszeitung
Klassik frisch entstaubt
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Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim spielt mit Geigerin Ursula Schoch
Bietigheim-Bissingen. Mit 575 Besuchern komplett ausverkauft war der Kronensaal, als Peter Wallinger und seine Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) am Sonntagabend antraten. In der frühen Adventszeit wirkt eine Veranstaltung wie „Faszination Klassik“ ohnehin schon ideal platziert, auch wenn der Titel für manche Ohren vielleicht etwas zu pauschal nach Klassik Compilation im Drogeriemarkt geklungen haben mag. Doch neben geschicktem Timing dürften mehrere Faktoren zu diesem schönen Erfolg beigetragen haben. So genossen nicht nur Wallinger und sein 1984 gegründetes Orchester den Heimspielvorteil.
Auch für die in Ludwigsburg geborene und in Sachsenheim aufgewachsene Violinistin Ursula Schoch, die 1990 bei den Schlossfestspielen ihr solistisches Debüt gab und nach Jahren bei den Berliner Philharmonikern seit 2000 Konzertmeisterin des Königlichen Concertgebouw Orchesters Amsterdam ist, stellte der Auftritt mithin eine Visite in der alten Heimat dar. Hinzu kommt, dass die SKB als Projekt- wie als Auswahlorchester gleichermaßen gelten darf: Die Musikerinnen und Musiker sind allesamt Profis, ob als Mitglied renommierter Ensembles wie Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi vom Lotus String Quartet, namhafter regionaler Orchester oder fortgeschrittene Studierende. Dass das Niveau des aus so hochtaltentierten wie -motivierten Mitgliedern bestehenden Ensembles deshalb doch einiges über dem Anspruch eines Amateurorchesters rangiert, liegt auf der Hand.
Mit dem Violinkonzert in G-Dur (KV 216), das der seinerzeit 19-jährige W.A. Mozart 1775 in Straßburg geschrieben hat, stand nicht weniger als ein Gipfelwerk klassischer Musikliteratur im Mittelpunkt des Programms. Impulsiv die Tutti-Eröffnung im Kopfsatz, Wallingers distinkte Schlagtechnik vermittelte Schwung und Genauigkeit zugleich. Der frechen Vorwegnahme ihres Themas durch das 28-köpfige Orchester begegnete Schoch mittels souveränder Zuspitzungen im zeizvollen Tändeln und Flirten mit den Stimmgruppen. Elektrisierend virtuos präsentierte sie die liedahaften Wendungen der Kadenz. Von lyrischer Leichtigkeit das Adagio, Schochs Kantilenen wie auf orchestralem Samtgebettet, ein pastorales ldyill.
Angriffslustig und verspielt dagegen das Rondeau: Das Hin und Her zwischen Violine und Orchester ließ fast ans Opernfach denken, auch hier begeisterte die frische Transparenz, mit der Schoch und die SKB Mozarts schier überbordenden Melodiereichtum auf die Bühne brachten.
Als Dirigent mit Fingerspitzengefühl erwies sich Wallinger auch in den vier Sätzen von E Mendelssohn Bartholdys 1833 uraufgeführter Sinfonie Nr. 4 in A-Dur (op. 90). Zügige Tempi anschlagend, stieg Wallinger bei Kulminationspunkten der „Italienischen“ auf Zehenspitzen, hob manchmal gar kurz ab. Gestochen klar konturiert die exzellente Wiedergabe der SKB, fulminant die finalen Forti der Ecksätze. Extrem gelungen die Gestaltung des Andante con moto, präzise wie ein Uhrwerk das tickende Ostinato des Streicherapparats. Klangscharfsinnig formuliert auch das Presto des Saltarello - jede Faser in Wallinger nun ganz Formwille. Der beeindruckend geschlossene und gleichzeitig wendige Ensembleklang ist so sinfonisch wie nötig, dabei aber so kammermusikalisch wie möglich. Fabelhaft, wie Wallinger mit seinen lebendigen Interpretationen auch kanonische Klassik von ihren Staubschichten befreit.
Harry Schmidt
weniger11.12.17, Pforzheimer Zeitung
Geigerin Ursula Schoch beim MühlackerConcerto im Uhlandbau
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Mühlacker. Betont temperamentvoll setzt die Orchester-Exposition ein und geht mit drängender Spiel-Rasanz zügig voran. Wenig später tritt der Ton der Sologeige energisch mit demselben Klang-Schlenker herein, wendet sich elegant und leuchtet in subtilen Figuren über dem Orchester, deklamiert charaktervoll kurz vor der Reprise und glänzt in virtuoser Kadenz. Mit Verve eröffnen auf diese Weise Peter Wallinger und seine sueddeutsche kammersinfonie bietigheim sowie die Solistin Ursula Schoch das Violinkonzert G-Dur, KV 216, von Wolfgang Amadeus Mozart im Mühlacker Uhlandbau.
Nach diesem mitreißenden Allegro-Auftaktsatz zelebriert Schoch in lang durchgezogen, weichen Legatobögen das Adagio, lässt ihre Geige mit sinnlichem Timbre zu gezupften Streicherbässen und Bläsern singen und entfaltete ein betörend sehnsüchtiges Melos zum fließend vibrierenden Orchesterklang. Der Schlusssatz mündet mit Spiellaune und befreiendem Humor in ein tänzerisches Allegro ein.
Musikalischer Leckerbissen
Die fällige Zugabe offeriert einen musikalischen Leckerbissen, eine stimmungsvoll melancholische Melodie aus Pjotr Iljitsch Tschaikowskys „Souvenir d’un lieu cher“ für Violine und Orchester.
Tschaikowsky trifft Mozart
Wie im „Faszination Klassik“ überschriebenen zweiten Programm der MühlackerConcerto-Spielzeit Mozart und Tschaikowsky zusammenfinden, demonstrieren Wallinger und sein Ensemble mit der Orchestersuite Nr. 4, op. 61 des russischen Meisters. Denn Tschaikowskys auch „Mozartiana“ genannte Suite, die den Konzertabend einleitete und in der auch eine Harfe mit silbrigem Klang-Geglitzer und trillernde „Zauber“-Flöten zum Einsatz kommen, zeigt vor allem im abschließenden Variationen-Satz ein von allerhand Mozart-Zitaten durchsetztes, musikantisches Klangfarbenspiel.
Nach der Pause setzt sich die von Wallinger motivierend geleitete Kammersinfonie mit einer fulminanten Wiedergabe der 4. Sinfonie in A-Dur, op. 90, der „Italienischen“ von Felix Mendelssohn Bartholdy in Szene. Schwungvolle Klang-Wucht prägt den ersten Satz (Allegro vivace). Eindringlich wirken im d-Moll-Andante die akzentuiert punktierten Unisono-Linien, lieblich-schmeichelnd eine Lied-Melodie im dritten Satz, durchschlagend von der Pauke begleitet der dahin strömende Volkstanz des Finales. Auch dafür gibt es vom Publikum begeisterten Applaus.
Eckehard Uhlig
weniger11.7.17, Mühlacker Tagblatt
Intensives Spiel geht unter die Haut
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Das Festkonzert zum 40-jährigen Bestehen der Reihe „Musikalischer Sommer“ begeistert das Publikum in der Frauenkirche
Aufgeregtes Stimmengewirr herrscht in der Kirche, viele kennen sich seit Jahren und freuen sich auf das bevorstehende Konzert. Es ist ein besonderes, denn es ist das Festkonzert, mit dem „40 Jahre Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche gefeiert werden.
Mühlacker-Lienzingen. An den örtlichen Gegebenheiten hat sich in vier Jahrzehnten nicht viel geändert, auch jetzt müssen die Beteiligten rund um das Konzertgeschehen alles alleine bewerkstelligen, vom Herrichten der Kirche bis zum Aufräumen am Schluss. Den Konzertort, die Frauenkirche, haben viele Menschen liebgewonnen. Die Musiker schätzen sie aufgrund ihrer Akustik, die trägt, aber die Klänge nicht verschmiert, sondern klar bleiben lässt. Gekommen ist am Sonntagvormittag auch viel Prominenz: Um das Jubiläum mitzufeiern, sind Landrat Karl Röckinger, der Mühlacker Oberbürgermeister Frank Schneider, Jürgen Meeh von den Stadtwerken Mühlacker und Vertreter der Scheuermann-Stiftung anwesend. Der OB begrüßt die Gäste und ist sichtlich stolz darauf, dass Mühlacker so etwas Herausragendes wie den „Musikalischen Sommer“ aufweisen kann. Der Dank an Peter Wallinger und dessen Familie sowie an die Sponsoren, ohne die auch diese Konzertreihe nicht bestehen könnte, kommt von Herzen, und obwohl er selbst bisher nur wenig Zeit gefunden habe, wünsche er sich mindestens 40 weitere Jahre und hoffe, in Zukunft ein paar mehr Konzerte miterleben zu dürfen.
Mit jugendlichem Elan dirigiert Peter Wallinger die von ihm gegründete Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim, die aber im Eingangsstück, der Sinfonie A-Dur Wq 184 von Carl Philipp Emmanuel Bach sonst eher ungewohnte kleinere Schwächen in der Intonation zulässt. Dann aber erklingt das Werk frisch und zupackend, und man merkt den Instrumentalisten die Freude an, die sie trotz aller Ernsthaftigkeit bei der Musik empfinden.
Daniel Koschitzki bringt das kleinste der im Einsatz befindlichen Instrumente mit. Was er aber als Distelfink mit seiner Sopranino in Antonio Vivaldis Konzert „Il Gardellino“ zwitschert und pfeift und trillert, das versetzt das zahlreich erschienene Festpublikum in fasziniertes Erstaunen. Die Kammersinfonie erweist sich dabei nicht einfach nur als Mitläufer, sondern als gleichwertiger Partner, der mit ebenso viel Witz und Vermögen dem kleinen, lebhaften Distelfink eine bunte, farbenreiche Bühne bietet. Nach dem hinreißenden zweiten Satz fasst ein Zuhörer den wohl zahlreich vorhandenen Gedanken in Worte: „Ist das schön!“ Dem ist nichts hinzuzufügen außer dem stürmischen Applaus, der über die Ausführenden hereinbricht.
Nina Rota, ein Komponist aus dem 20. Jahrhundert, ist mit seinem „Concerto per Archi“ vertreten. Klangvoll und mit Nachdruck spielt die Kammersinfonie, angeführt von einem fordernden Wallinger, und sie verstehen es gut, die verschiedenen Charaktere auszudeuten. So necken und tanzen sie, schaffen Atmosphäre, spielen sich gegenseitig die Bälle zu und berauschen sich und das Publikum mit einer Intensität, die unter die Haut geht.
Nach der Pause erklingt mit dem 4. Brandenburgischen Konzert von Johann Sebastian Bach das Lieblingsstück zahlreicher Anwesender. An Daniel Koschitzkis Seite spielt seine Duopartnerin Andrea Ritter die zweite Blockflöte, und Sachiko Kobayashi, die zuvor engagiert und souverän die Konzertmeisterin der Kammersinfonie war, übernimmt die Solo-Violine. Die drei Solisten harmonieren so gut, als hätten sie nie etwas anderes getan, als miteinander zu musizieren, und beweisen dabei ein Niveau, das eines Festkonzertes mehr als würdig ist. Die Kammersinfonie nimmt den Geist der drei Solisten auf und reagiert sensibel auf deren Interpretation. Manchmal wünscht man sich vielleicht etwas mehr Zurückhaltung des Tutti, aber der Begeisterung des Publikums und auch der Musiker setzt das keine Grenzen.
Dieses Festkonzert zeigt, worauf es Peter Wallinger ankommt: Kleinode der Musikgeschichte erfahrbar und vertraute Musik neu erlebbar zu machen, dazu besondere Musiker und Ensembles, und das im kleinen Kulturdenkmal Frauenkirche, in dem sich die Musiker ebenso zu Hause fühlen wie die zahlreichen, zum Teil langjährigen begleitenden Zuhörer.
Ohne den Tatendrang des Initiators und Festivalleiters allerdings hätte sich die Konzertreihe nicht auf ihren heutigen Standard entwickeln können. Auch nicht ohne starke Partner an ihrer Seite, und so betitelt Dr. Johannes Bastian vom Förderverein „Mühlacker Klassik“ die Konzertreihe „Musikalischer Sommer“ und auch das Pendant im Winter „MühlackerConcerto“ zu Recht als das Lebenswerk Peter Wallingers.
Irene Schallhorn
weniger10.07.17, Pforzheimer Zeitung
Festkonzert „40 Jahre Musikalischer Sommer“ in Lienzingen
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Mühlacker-Lienzingen. Solisten und Orchester musizierten furios. Das herausragende Ereignis beim Festkonzert „40 Jahre Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche war natürlich der Auftritt des Blockflötisten Daniel Koschitzki, seines Zeichens Echo-Klassik-Preisträger, der schon mehrfach in Konzerten mit Peter Wallingers sueddeutscher kammersinfonie bietigheim begeisterte.
In Antonio Vivaldis Concerto „Il Gardellino“ (Der Distelfink) für Sopranino-Flöte und Orchester op. 10 Nr. 3 entzündete der Solist in den Allegro-Ecksätzen ein musikantisches Brillantfeuerwerk an Farben und Formen, an kunstvoll verzierten Sprüngen und Läufen oder nachhallend „schlagenden“ Rufen, eben lautmalerisch silberhell trillernden und zwitschernden Vogel-Liedern – passend zum gleichnamigen Bild des Barockmalers Carel Fabritius. Im langsamen, sehr zart intonierten und nur von Cembalo und Cello begleiteten „Cantabile“-Mittelsatz erinnerte die Sopranino-Vogelstimme mit Wehmutsgesang an die verlorene Freiheit des domestizierten kleinen Distelfinken, denn er bleibt mit einer Kettchen-Schnur an seinen Hochsitz gefesselt. Ein zauberhaft-fantastisches Klangfest ging von dieser Interpretation aus.
Johann Sebastian Bachs Brandenburgisches Konzert Nr. 4 G-Dur (BWV 1049) war in Originalbesetzung mit solistischer Violine (Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi) und zwei solistischen Barockflöten (Koschitzki und Andrea Ritter) zu hören. Gleich der erste Satz eröffnete mit wiegender Flötenmelodik, dann übernahm die Geige die Führung. Immer wieder standen sich Streicher-Tutti und Solistengruppe im Dialog gegenüber. Alle Stimmen und Linien blieben unerhört transparent, auch in temperamentvollen Aufschwüngen oder feinen Echo-Wirkungen. Gewohnt stilsicher, mit sauberen Phrasierungen und facettenreichen Klangfarben interpretierte das Orchester unter Wallingers aufmerksam-motivierender Leitung auch zwei weitere Werke des Festprogramms. Nicht zum ersten Mal überraschten Wallinger und sein Ensemble mit Werken von Carl Philipp Emanuel Bach. Diesmal beeindruckten in dessen Sinfonie A-Dur, Wq 184, vor allem die konzertante Strahlkraft, Dynamik und Rasanz der Komposition, deren Aufführung wie eine Fest-Ouvertüre wirkte. Und Nino Rotas „Concerto per Archi“ erfreute trotz einiger schmerzhaft-moderner Dissonanzen mit wellenförmigem Fluss der Klangströme und leidenschaftlichen Steigerungen. Eine musikalische Matinee mit Glücksmomenten in würdigem Ambiente.
Eckehard Uhlig
weniger10.07.17, Bietigheimer Zeitung
Die Musik als launisches Kind
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Sachsenheim Die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ spielte im Lichtenstern-Gymnasium ein vielschichtiges und tiefgründiges Konzert. Von Sandra Bildmann.
Das Live-Erlebnis gewinnt in Zeiten der dauerhaften Verfügbarkeit und Reproduzierbarkeit an Bedeutung. Nicht nur der Klangeindruck unterscheidet sich vom Musikhören über Boxen zuhause: Das Konzert der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ unter Dirigent Peter Wallinger am Freitagabend im Foyer des Lichtenstern-Gymnasiums zeigte eindrucksvoll, wie sich durch die Musik Räume öffnen können. Wer sich darauf einlies, konnte sich selbst besser kennen. Das traditionelle Open Air-Sommerkonzert des Orchesters fand in diesem Jahr aufgrund der Bauarbeiten nicht im Schlosshof statt, und war auch wegen der unsicheren Wetterlage nach drinnen verfrachtet worden.
Wuselnde Solisten-Finger
Zum Auftakt spielte das sechzehn-köpfige Ensemble Carl Philipp Emanuel Bachs Sinfonie in A-Dur. Danach wuselten die Finger von Solist Daniel Koschitzki über seine Sopranino-Flöte. In Vivaldis Concerto „Il Giardellino“ konnte der Echo-Klassik-Preisträger sein perfektes Spiel zeigen.
Die Luftzufuhr war fein austariert: nicht zu viel, aber ausreichend, damit der Ton schwingen und klingen konnte. Der Reichtum an Obertönen auf Basis des Präzisen uns sauberen Spiels vervielfachte das Tonvolumen, so dass die Flöte nicht unterging, sondern klar die Chefrolle spielte. Das Orchester grundierte fein. Nach der Pause erntete das Orchester mit den Solisten Andrea Ritter und Daniel Koschitzki (bei der Flöte) sowie Sachiko Kobayashi (Violine) bei Bachs viertem Brandenburgischem Konzert eine Menge Applaus vom begeisterten Publikum, so dass sie die Schlussfuge noch einmal wiederholten.
Mit Nino Rotas „Concerto per Archi“ aus den 1960er Jahren übersprang das Ensemble virtuell über zwei Jahrhunderte Musikgeschichte. Besonders der zweite Satz, das Scherzo, machte richtig Laune - auch weil das Orchester unter Wallinger die verschiedenen Stilistiken und Charaktere der Abschnitte deutlich voneinander abgrenzte. So wirkte das Scherzo tatsächlich wie ein Scherz mit vielen verschiedenen Facetten. Zunächst schien es, als ob die Musik ihren eigenen Kitsch karikiert, als ob sie sich nicht recht entscheiden könne, ob die ihn nachahmen oder sich ihm entgegen stellen soll.
Bezirzender Walzer
Die Musik kam als launisches Kind daher, das betont hässlich sein will, postwendend in eine vorgegaukelte heile Welt abtaucht. Kaum stellte sich der Zuhörer auf einen verdrießlichen, lethargischen Trott ein, bezirzte ihn urplötzlich ein Walzer. Die scharfen Dissonanzen hielten dem nicht stand, mussten sich ergeben. Der Satz endete unvermittelt im Irgendwo. In dieser Welt verschwammen die Grenzen von Ernst, Hohn und Ironie. Da bestand Anschluss zur Realität. Wer sich solchen Assoziationen öffnete, konnte in dem vor Kontrasten strotzenden Werk von Nino Rota auf Selbstfindungs-Tour gehen.
Der Komponist kupferte - wie in zeitgenössischer Methodik durchaus üblich - bei kompositorischen Wegbereitern ab. Auch wenn Rota eher im Filmmusik-Genre zuhause war, hat er die Entwicklung in der „klassischen“ Musik nicht missachtet. Spannungsaufgeladen und unbequem will die Musik im vierten Satz sein, bitte nicht zu gefällig. Wie Filmmusik klingt sein Stück für Streicher nicht, stattdessen mehr wie die musikalische Untermalung einer Lebensgeschichte mit Höhen und Tiefen. Ohne Vorwarnung ist Schluss. Rotas Musik hat das Publikum auf eine Reise mitgenommen und in einer anderen Welt ausgesetzt. Die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ unter Wallinger spielte dieses Spiel hervorragend. Langweilig war das überhaupt nicht. Dieses Live-Erlebnis schuf kreative Freiräume mit einer Relevanz für das eigene Leben.
Sandra Bildmann
weniger10.07.17, Ludwigsburger Kreiszeitung
Barockes mit hochkarätigen Solisten
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Sueddeutsche Kammersinfonie Bietigheim begeistert mit Gästen in Sachsenheim
Sachsenheim. Die Premiere fiel aus, wenn auch nicht ins Wasser. Erstmals sollte das Sommerkonzert im Serenadenhof des Lichtenstern-Gymnasiums stattfinden, wo das beliebte klassik-Open-Air während der noch bis voraussichtlich 2019 andauernden Sanierungsarbeiten im Wasserschloss ein Ausweichquartier gefunden hat. Doch das Wetterrisiko erschien zu groß: „Am Freitagvormittag mussten wir entscheiden“, sagt Andrea Fink, die Kulturreferentin der Stadt Sachsenheim. Somit wurde, auch wenn am Abend dann kein Tropfen viel, das Foyer der weiterführenden Schule am südlichen Ortsrand zur Spielstätte der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB), die Peter Wallinger vor mehr als 30 Jahren gegründet hat. Beglückend war die traditionsreiche Veranstaltung dennoch. Mit Anna Ritter und Daniel Koschitzky hatte Wallinger für das diesjährige Konzert, das am Sonntag nochmals in Lienzingen gegeben wurde, gleich zwei hochkarätige Blockflöten-Solisten gewonnen, die sich mit ihrem Ensemble „Spark“ bereits in jungen Jahren beachtliches Renommee erworben haben: „Kammermusik auf höchstem Niveau“ jubelte die Frankfurter Allgemeine. Für ihr Debütalbum wurden sie mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet. In den drei Sätzen von Vivaldis Concerto für Sopranino und Orchester (OP. 10 Nr. 3), das den sprechenden Beinamen „Il Gardellino“, zu Deutsch „Der Distelfink“ trägt, wurde sogleich die solistische Klasse von Koschitzky hörbar: Atemberaubend die stupende Virtuosität seiner Triller und Vorhalte in den tänzerisch bewegten Ecksätzen - die Imitation der Vogelstimme ist hier programmatisch gewollt. Lediglich bei den freigestellten Solostellen machte sich die suboptimale Akustik des Foyers mit etwas undefinierten Hallzeiten leicht bemerkbar.
Gefühlvoll singendes Legato im Cantabile, begleitet nur von Akkorden und Arpeggien des Cembalos sowie Mikael Samsonow am Cello. Koschitzky steigt auf Zehenspitzen im abschließenden Allegro, messerscharf die Tutti der SKB.
Eingebettet war diese hinreißende Darbietung in einen raffinierten Rahmen: Über zwei Jahrhunderte hinweg korrespondierten die Sinfonie in A-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach, mit dem die SKB das Konzert eröffnete, und Nino Rotas „Concerto per Archi“, das der italienische Grandseigneur der Filmmusik in den Jahren 1964 und 1965 geschrieben und 1977 überarbeitet hat. Deutlich der Anklang barocker Muster in den vier Sätzen: Die motorischen Ketten und kontrapunktischen Figuren nehmen klar Bezug auf die Tradition, ohne sich jedoch als Werk des 20. Jahrhunderts zu verleugnen. Die Aria verweist auf die berühmte Air von J.S. Bach.
Fabelhafte Präzision
Für dessen Brandenburgisches Konzert Nr. 4 in G.Dur (BWV 1049) trat nach der Pause Sachiko Kobayashi, Konzertmeisterin der SKB und Primgeigerin des international renommierten Lotus String Quartet, zum Solisten-Paar Ritter und Koschitzky, die auch als Duo firmieren. Fabelhaft, mit welcher Präzision sie ihre kantablen Kantilenen ineinandergreifen lassen. An Klarheit kaum zu überbieten Wallingers Dirigat: Wo er in der Sinfonie des Bach Sohns zum Auftakt die Kontraste der galanten Partitur schärft, unterstreicht er im Konzert des Vater die elaborierte Motivarbeit der drei Solisten mit transparentem, kammermusikalisch ausgerichtetem Ensembleklang.
Harry Schmidt
weniger07.04.2017, Mühlacker Tagblatt
Wenn Bach und Händel Theater machen
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Junges Publikum hört im Mühlacker Uhlandbau kindgerecht dargebotene klassische Klänge und erlebt einen Komponistenwettstreit.
Mehrere hundert Schüler haben am Donnerstagmorgen bei zwei Aufführungen in der Reihe „MühlackerConcerto“ eine spannende Reise in die Welt der klassischen Musik erlebt.
Mühlacker. „Krach mit Bach“ war das Stück überschrieben, das im Uhlandbau mit einer hübschen Kulisse mit „Gemälden“ von drei berühmten Komponisten aufwartete: Telemann, Händel und Bach.
Finster war es zunächst auf der Bühne. Auf einmal rumpelte etwas. Aus dem mittleren Rahmen stieg Händel. Stöhnend, schimpfend ging er hinüber zum rechten Bild, stieß mit der Hand hinein, und auch da regte sich etwas. Bach, sein Zeitgenosse und, wie sich schnell zeigen sollte, Rivale auf dem Musikparkett zu ihrer Zeit, entstieg ebenfalls grollend dem Rahmen. Des Rätsels Lösung? Die Bilder hängen in einem Schlossmuseum, in dem es spukt. Und jeweils um Mitternacht werden für eine Stunde die Gemälde lebendig, und die Menschen darauf kehren in ihr Erdendasein zurück. Sofort gab es so richtig Zoff. Händel und Bach stritten ganz erbittert, wessen Musik denn nun die bessere sei, und sie waren sich auch nicht zu schade, sich teils mit recht gehässigen Bemerkungen zu attackieren und sich mit ihren Taktstöcken ein erbittertes Gefecht zu liefern. Als Zeugen mussten Fräulein Hannah an der Harfe, Fräulein Verena (Flöte) und Monsieur Frank (Fagott) musische Beweistücke jeweils mal für, mal gegen die Kontrahenten liefern. Stolz erzählte Händel von der Bootsfahrt auf der Themse, wo die Königlichen Hoheiten zum ersten Mal seine Wassermusik gehört hätten. „Und ich habe meine großen Werke in Köthen geschrieben“, konterte Bach. Dazu Händel bissig: „So klingen sie auch.“
Zunächst vergeblich bemühte sich Fräulein Constanze, die Museumsleiterin, darum, den Streit zu schlichten. Sie entpuppte sich als hervorragende Sopranistin und brachte es mit Geduld fertig, die Streithähne zu einen. Die Zuhörer bekamen Gelegenheit, mitzuentscheiden, wer denn nun der Beste sei. Am Ende klang es von der Bühne: „Wir machen jetzt alles gemeinsam, zusammen ist man nie einsam, dann gibt es auch nie wieder Streit.“ Auch diese Erkenntnis konnten, neben dem Einblick in das Werk von zwei der bedeutendsten deutschen Komponisten, die Kinder mit nach Hause nehmen.
„In einem Theater mit Musik waren wir noch nie“, erzählten vor Beginn Celine, Malin und Lena aus der Klasse 2 der Sternenfelser Schule. „Wir wollen mit dem Besuch hier den Kindern Musik nahebringen“, ergänzte Lehrerin Andrea Malzer. Fünf ihrer Schülerinnen spielen Flöte, ein Schüler hat Klavierunterricht.
Flötistin Verena Guthy-Homolka, Hannah Pfeiffer an der Harfe und Frank Lehmann von der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim intonierten transparent bekannte Stücke der beiden Streithähne, jeweils der „Stimmung“ angepasst. Ihnen zuzuhören, war ein Genuss. Auch die kleinen Zuhörer lauschten gespannt. Etwas fremdelten sie wohl mit den Liedern der Museumsdirektorin, alias Sopranistin Meike Leluschko. Da zeigten sich die Großen im Saal mehr angetan. Aber am Applaus ließen es auch die Kleinen nicht fehlen und äußerten lautstark ihre Begeisterung, wenn Bach und Händel sie um Rat fragten oder sie abstimmen sollten, wer denn nun der bessere Künstler von beiden sei.
Von der Pyrmonter Theater Companie schlüpften Jörg Schrade und Carl-Herbert Braun in die Rollen der Komponisten und ließen beider Museumsschlaf vergessen. Die Dritte in ihrem Bunde war Meike Leluschko.
Bereits seit über zehn Jahren organisiert Peter Wallinger, Dirigent der Kammersinfonie, die Zusammenarbeit mit ihnen und bietet „Klassik für Kinder“ als Musiktheater an. Die zweite Vorstellung gestern Vormittag besuchten Illinger Stromberg-Schüler, Kinder aus Ötisheim und von der Lomersheimer Blumhardt-Schule, zusammen wieder 300 an der Zahl. Beide Aufführungen waren ausverkauft.
Eva Filitz
weniger07.04.2017, Pforzheimer Zeitung
In der Reihe „MühlackerConcerto“ kriegt Bach Händel mit Händel
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Mühlacker. Wer war denn nun der bessere Komponist, Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich Händel? Im Musiktheaterstück „Krach mit Bach“ für Kinder werden sich die beiden Streithähne darüber einfach nicht einig. Das gemeinsame Schülerkonzert der Pyrmonter Theater Companie mit Musikern der sueddeutschen kammersinfonie bietigheim bildete den Abschluss der laufenden Saison 2016/2017 der Reihe „MühlackerConcerto“.
Kindern klassische Musik vorzustellen sei ihm ein großes Anliegen, betont Peter Wallinger, Veranstalter und Leiter der sueddeutschen kammersinfonie bietigheim. Auf lustige und kindgerechte Weise passierte das in dem Stück. Der Schauspieler Carl-Herbert Braun spielte dabei Georg Friedrich Händel und Jörg Schade mimte Johann Sebastian Bach.
Zwei ganz unterschiedliche Typen, die um Mitternacht in einem Museum von Museumsführerin Meike Leluschko (Sopran) zum Leben erweckt werden. Verena Guthy-Homolka (Flöte), Frank Lehmann (Fagott) und Hannah Pfeiffer (Harfe) von der sueddeutschen kammersinfonie bietigheim begleiteten das Theaterstück musikalisch. Viele Stücke der beiden Komponisten wurden gespielt, bis sie am Ende wieder in Freundschaft in ihren in dem Museum aufgehängten Bildern verschwanden.
Über 600 Kinder der Grundschulen in Diefenbach, Illingen, Lomersheim, Mühlhausen, Ötisheim und Sternenfels kamen zu den beiden Vorstellungen am Donnerstagvormittag.
Volker Henkel
weniger14.03.2017, Mühlacker Tagblatt
Beeindruckende Gemälde aus Noten
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Die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ und Solist Sebastian Manz bieten im Uhlandbau einen „Konzertanten Bühnenzauber“.
Am Samstag zog mit den 30 Musikern der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ unter ihrem Dirigenten Peter Wallinger der Frühling in den Uhlandbau ein. „Konzertanter Bühnenzauber“ war das Programm überschrieben, das die Zuhörer zu Beifallsstürmen hinriss.
Mühlacker. Die Sinfonie Nummer 6 in D-Dur „Le Matin“ von Joseph Haydn bietet an diesem Abend einen wunderbaren Auftakt, um auf die zu erwartenden musikalischen Genüsse einzustimmen. Mit den weit ausholenden Klangbildern der Streicher drängt sich im ersten Satz Adagio förmlich das Bild auf, wie die Sonne strahlend über den Horizont aufsteigt. Beschwingte Flötentöne lassen Vogelgezwitscher erklingen, die Natur wird wach, untermalt und getragen vom warmen Klang der Holzbläser. Immer wieder lassen in den nachfolgenden Sätzen Adagio, dem heiteren Menuett und dem äußerst lebhaft und mit großer Spielfreude dargebotenen Allegro Soli einzelner Instrumente aufhorchen, virtuos perlende Flöten, heiter und kokett, dazu eine singende Oboe, Fagott und Cello kaum weniger souverän in den tieferen Lagen. Mit kräftigem Applaus belohnt das Publikum nach diesem erfrischenden Beginn die Musiker, die gleich zu Beginn mit ihrer mitreißenden Art zu musizieren verdeutlichen, dass sie den Zuhörern an diesem Abend ein musikalisches Kleinod bieten wollen.
Zwei weitere Perlen sind im Programm zu finden. Wenn sich auch alles um den Star des Abends reißt, den Ausnahmeklarinettisten Sebastian Manz, der in Mühlacker eines der bekanntesten und beliebtesten Solokonzerte von Mozart spielt, nämlich das Klarinettenkonzert A-Dur, so verdienen doch alle Musiker im Orchester eine Würdigung ihrer Leistung.
Schon das Instrument des Solisten ist eine Besonderheit. Selten nur ist die Bassettklarinette in so vollendet gespielter Manier zu hören. Sebastian Manz ist ein Künstler mit Ausstrahlung. Die Art, wie er sein Instrument handhabt, mit dem Körper mitschwingt, seinen Tongemälden so Nachdruck verleiht, einfach eins ist mit sich und seiner Klarinette, hat ihm höchste Auszeichnungen eingebracht. Mit einer Leichtigkeit, die Ihresgleichen sucht, erklingen in seiner Mozart-Interpretation perlende Läufe, ein gehauchtes Pianissimo, aufreizende Crescendi. Weit reicht der Atem und zaubert berauschend lange Klangbögen in die totale Stille im Saal. Beim zweiten Satz, dem innig geblasenen Adagio, möchte man nur noch die Augen schließen und sich auf einer Woge des Wohlklangs davontragen lassen. Von warmem, sensiblem Streicherklang umrahmt, kehrt der Solist von Höhenflügen zurück, greift hauchzart das Anfangsthema wieder auf, ehe er nach einem zweiten lebhaften Allegro frisch und lebenslustig den Vortrag beenden will. Mitnichten! Das Publikum überschüttet den Künstler mit Beifall, lässt ihn nicht gehen. Und so kann Manz nicht anders, als noch eine Zugabe zu bieten. Sinnigerweise wählt er zwei der „Drei Stücke für Klarinette“ von Igor Strawinsky, wieder mit Elan und Verve dargeboten, beweist damit erneut seine Virtuosität und leitet zum dritten Komponisten des Abends über, eben jenem Strawinsky.
Dessen Suite für Orchester „Pulcinella“, dem Gnom der italienischen Commedia dell arte“ gewidmet, rundet das Programm des Frühlingskonzerts mit spannenden Klanggebilden in acht Sätzen mit reichlich Abwechslung im Hinblick auf Tempi, Tonlagen und Ausdruck sehr gelungen ab. Posaune und Kontrabass liefern sich ein kleines musikalisches Scharmützel, das mit leiser Heiterkeit vom Publikum registriert wird. Dieses letzte Musizieren macht die Vielseitigkeit der Bietigheimer Musiker vollends transparent.
Die Visitenkarte, die sie mit diesem Konzert hinterlassen, hat Gewicht. Ihr Dirigent Peter Wallinger hat den Uhlandbau einmal mehr zum Musentempel erhoben.
Eva Filitz
weniger13.03.2017, Pforzheimer Zeitung
Klarinettist Sebastian Manz im Mühlacker Uhlandbau
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Mühlacker. Es war ein Abend mit „konzertantem Bühnenzauber“. Schon die Eröffnungsmusik löste das ambitionierte Programm-Motto im nahezu ausverkauften Mühlacker Uhlandbau ein. Denn die von Peter Wallinger geleitete „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ präsentierte kein verzopftes Frühwerk von Joseph Haydn – sondern dessen sechste Sinfonie „Le matin“ (der Morgen) als charaktervolles, farbenfrohes Klanggemälde.
Zu Beginn seiner Kapellmeistertätigkeit auf Schloss Esterházy in Eisenstadt hatte Haydn ein kleines, aber feines Orchester vorgefunden, in dem exzellente Instrumentalsolisten saßen. Für sie hat er die Sinfonie geschrieben – also auch eine passende Komposition für Wallingers Kammersinfonie. Im Crescendo der kurzen Adagio-Einleitung malte das Ensemble einen prächtigen Sonnenaufgang, um dann in den Folgesätzen mit melodiegesättigten Soli von Violine, Kontrabass, Flöte und Fagott zu brillieren, die jeweils aus den Tutti-Gruppen hervortraten.
Mozart als Höhepunkt
Der Konzerthöhepunkt freilich war einem Großmeister vorbehalten – dem Klarinettisten Sebastian Manz, der den renommierten ARD-Wettbewerb mit einem ersten Preis gewonnen hatte und mehrfach von „ECHO-Klassik“ ausgezeichnet wurde. Entsprechend sensationell interpretierte der Solist – von der Kammersinfonie geradezu hingebungsvoll umrahmt und begleitet – Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinetten-Konzert. Selten hörte man die Bassettklarinette so entspannt und frisch, in allen verschiedenartigen Registern ihres großen Klangumfangs mit so intensiv leuchtender Ausdruckskraft, mit solch spielerischer Beweglichkeit. Geradezu lebenslustige Musikfreude prägte die beiden „Allegro“-Ecksätze mit den munter servierten, in sonore Tiefen ab- und helle Höhen aufsteigenden Achtel-Skalen. Und die auf einem Atem getragenen Melodiebögen des berühmten „Adagio“-Mittelsatzes entfalteten einen sehnsüchtigen, oft hauchig zarten Sologesang von großartiger Klangschönheit.
Der jubelnde Applaus des Publikums wurde von Manz mit zwei der „Drei Stücke für Klarinette“ von Igor Strawinsky belohnt – auch eine sinnfällige Überleitung zum letzten Teil des Konzerts, der ein ganz anderes Klang-Tableau offerierte. Mit Strawinskys Orchestersuite „Pulcinella“ lieferten Wallinger und sein Orchester ein musikantisches Feuerwerk ab, das mit seinen bunten Pointen in der rasanten „Tarantella“ und komödiantischen Schleifern von Posaune und Bass im „Vivo“ ein heiteres Abbild der ränkereichen Commedia-dell’arte-Figur nachzeichnete.
Eckehard Uhlig
weniger13.03.2017, Bietigheimer Zeitung
In der Mucki-Bude der Musik
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Klarinettist Sebastian Manz spielt mit der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ unter Peter Wallinger am Freitagabend im Kronenzentrum
Wäre Sebastian Manz im medialen Showbiz tätig, könnte man ihm das Prädikat des Entertainers zusprechen. Denn was er auf der Bühne tut, ist für das Publikum in hohem Maß unterhaltend. Die Reduzierung auf Unterhaltungskunst würde dem Klarinettisten aber keinesfalls gerecht – Manz ist ein Meister auf seinem Instrument. Sein Auftreten am Freitagabend im Bietigheim-Bissinger Kronenzentrum wirkte nicht aufgesetzt, übertrieben schwülstig oder exaltiert. Stattdessen hatte es den Anschein, dass Manz seine ungehaltene Spielfreude kaum zügeln mochte. Sein Auftritt lebte, war nicht steif oder abgenudelt. Manz, Jahrgang 1986, wirkte noch unverbraucht. Und das tat gut.
Manz spielt perfekt
Im Zentrum des Abends stand das Klarinettenkonzert A-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart. Manz‘ perfektes Spiel wurde schnell zur Selbstverständlichkeit, bereits im ersten Satz neigte man dazu, dem Klarinettisten Unfehlbarkeit zu attestieren. Die wunderschönen kantablen Melodien im Adagio wurden bei Manz und der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ zu einem Sinnbild für Behaglichkeit. Das Orchester gab dem Klang hier viel Raum und Fülle, beherbergte den Zuhörer in einer endlosen Weite. Verlieren konnte sich der Zuhörer darin vielleicht schon, blieb aber vom weichen Klang der Klarinette geführt. Mozart griff mit diesem Satz tief in die Sentimentalitäten-Kiste. Wo Kitsch lauert, erschufen Sebastian Manz und die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ Harmonie.
Klassische Verspieltheit
Mozart gab in seinem Klarinettenkonzert aber nicht nur einem Soft-Boy eine Plattform, sondern komponierte im dritten Satz eine Mucki-Bude der Klarinettenkunst. Im technisch anspruchsvollen Rondo kehrt mit flinken Läufen über einen großen Tonraum die klassische Verspieltheit zurück.
Je schwieriger es offenkundig wurde, desto mehr Spaß schien Sebastian Manz an seiner Arbeit zu haben. Er genoss seinen Auftritt. Frei wirkte das alles, auch weil er nicht an Noten klebte, sondern auswendig spielte. Deutlich erkennbar: Was so spontan und locker wirkte, war keineswegs Zufall. Manz gestaltete und phrasierte sehr bewusst.
Barocke Einflüsse als Verbindung
Gerahmt wurde das Klarinettenkonzert durch Joseph Haydns sechste Sinfonie in D-Dur mit dem Beinamen „Le Matin“ und der „Pulcinella“, einer Suite für Orchester von Igor Strawinsky. Barocke Einflüsse fungierten gewissermaßen als verbindendes Element: Haydns frühe Sinfonie weist durch fugenartige und konzertierende Elemente deutliche Bezüge zur barocken Praxis auf und Strawinskys „Pulcinella-Suite“ ist ein Remix von Triosonaten und Arien des barocken Komponisten Giovanni Battista Pergolesi. Polyrhythmik und Stimm-Einsätze an vermeintlich falschen Stellen bergen hier Herausforderungen für Orchestermusiker.
Die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ schien damit mehr ihre Freude zu haben. Komödiantisches blitzte am Freitagabend indes auch immer wieder auf. Gerade im Vivo der „Pulcinella-Suite“ interagierten Posaune und Kontrabass in einem grotesken Duett und auch bei der Zugabe – zwei kurzen Stücken für Klarinette solo von Igor Strawinsky – wurde es komisch. Man solle an einen Hirten denken, der zu seinen Schafen spielt. Anschließend solle man sich ein Spiel zwischen einem Kater und Vögeln vorstellen, erklärte Manz.
Sandra Bildmann
weniger13.03.2017, Ludwigsburger Kreiszeitung
Die Leichtigkeit Mozarts als Solist verkörpert
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Bietigheim-Bissingen. Einer der verlässlichsten Indikatoren für das Niveau eines Orchesters ist die Qualität der Solisten, die mit dem Ensemble auftreten. Bei der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) war am Freitagabend im Bietigheimer Kronensaal Sebastian Manz zu Gast. Der Enkel des russischen Geigers Boris Goldstein gilt als einer der talentiertesten Interpreten seiner Generation und wurde bereits zweimal mit dem Echo ausgezeichnet.
In den drei Sätzen des Klarinettenkonzerts in A-Dur (KV 622), mit dem W.A. Mozart 1791 die Gattung mitbegründet hat und für dessen Interpretation Manz 2011 seine erste Klassik-Trophäe gewann, erfuhren die knapp 400 Besucher, warum dem so ist: ungeheuer mühelos und unbeschwert das Wechselspiel zwischen sprechend-narrativer Motivarbeit und gestisch-expressivem Passagenwerk im Kopfsatz, hauchzart die kantablen Koloraturen im populären Adagio, mit quirligem, aber nie überbordendem Witz das virtuose Rondo.
Der Leichtigkeit Mozarts begegnet man in der einnehmenden Persönlichkeit von Manz ganz unmittelbar. Das Vergnügen steht ihm ins Gesicht geschrieben. Brillant, was ihm spieltechnisch wie hinsichtlich der Differenzierung kleinster Nuancen seiner vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten zu Gebote steht. Brillant auch, was die SKB anbietet: Weit mehr als nur ein souverän geknüpftes Netz aufzuspannen leistet das vorzügliche Orchester. Vielmehr vereint Peter Wallinger Transparenz auf den Satz und Geschlossenheit des Ensembleklangs zu einem exakt austarierten, präzise getimten Organismus.
Bereits zuvor begeisterte die fast kammermusikalische Konzentration in J. Haydns Symphonie Nr. 6 in D-Dur, genannt „Le Matin“. Gelungen trotz kleinerer Unschärfen auch 1. Strawinskys Orchestersuite „Pulcinella“. Famos die Beweglichkeit der Streicher im eilenden Staccato der „Tarantella“. zirzenisch pulsierend der Dialog von Posaune und Kontrabass im jazzig humorvollen „Vivo“, zur Freude der Anwesenden als Zugabe wiederholt.
Harry Schmidt
weniger17.01.2017, Mühlacker Tagblatt
Europäische Klangwelten dienen als Mutmacher
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Neujahrskonzert mit der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ spannt einen breiten musikalischen Bogen.
Mühlacker. Ein Neujahrskonzert mit Musik aus allen Himmelsrichtungen hat am Sonntag die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ im Mühlacker Uhlandbau geboten. Ein Konzept, das gerade in stürmischen Zeiten das Augenmerk wieder darauf legt, dass wir durchaus nicht alleine stehen, da sich rings um uns herum Nachbarn befinden, die uns bereichern.
Mühlacker. Ein Neujahrskonzert mit Musik aus allen Himmelsrichtungen hat am Sonntag die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ im Mühlacker Uhlandbau geboten. Ein Konzept, das gerade in stürmischen Zeiten das Augenmerk wieder darauf legt, dass wir durchaus nicht alleine stehen, da sich rings um uns herum Nachbarn befinden, die uns bereichern.
Allzu fern schweifte die Kammersinfonie dabei nicht in die Ferne, lag das Gute doch, wie so oft, so nah. So konzentrierte sich Peter Wallinger als musikalischer Leiter auf Werke aus vier allerdings sehr unterschiedlich geprägten Ländern Europas. In einer Zeit, die von Brexit und aufkommendem Nationalismus auf der einen und von großer Hilfsbereitschaft, Offenheit und europäischen Idealen auf der anderen Seite geprägt ist, stellte das grenzüberschreitende Programm wieder einen kleinen Baustein dar, um daran zu erinnern, wie reich die Welt gemeinsam sein kann und wie vielfältig sie trotz oder gerade wegen ihrer Unterschiede doch ist.
So machte das Programm schon beim Lesen neugierig auf die Musik. Als besonderen Gast hatte sich Peter Wallinger Johann-Michael Schneider eingeladen, der als studierter Germanist und Violinist das Bindeglied zwischen Musik und Wort darstellte. In ruhiger Stimmlage ergriff er das Wort und sprach die Hoffnung aus, dass es trotz aller Dunkelheit und schweren Zeiten wieder frühlingshell werden möge. Aus Elias Canettis „Auftakt …“ zitierte er ein paar mahnende und zugleich vorab lobende Worte an das Publikum, denn kein Publikum sei so wohlerzogen wie ein Konzertpublikum, das ruhig und aufmerksam dem Geschehen auf der Bühne folge. Wobei „ruhig“ in der Erkältungszeit ein nicht ganz einfaches Unterfangen ist.
Dann aber ließ die sueddeutschen kammersinfonie ihre Instrumente mit Benjamin Brittens „Simple Symphony“ und damit einem Werk aus einem Land erklingen, das eher dem europäischen Westen zugeordnet werden kann. Energisch forsch ging es das Orchester an, während der zweite Satz zart, mal an Regentropfen, mal an ein Gitarrenensemble erinnernd, durch den Saal tanzte. Der dritte Satz schloss das Werk in lyrisch schönem Ernst ab.
Finnland stand Pate für den Norden Europas. Ein trotz der Vorwarnung durch Schneider sehr langer Text über eine Busfahrt in Finnland bereitete dennoch gut auf die nordische Weite vor. Pehr Nordgrens „Spielmannsporträts“ bereiteten der Kammersinfonie sichtbar Freude, kamen in der Ausführung aber nicht über die finnische Seenplatte hinaus und blieben eher blass. Ganz anders der feurige Süden. Auch hier führte Schneider literarisch in die ländlichen Gegebenheiten ein und zitierte aus einem Text Vittorinis, der mit einem Augenzwinkern von dem Besuch eines heimkehrenden Sohnes bei seiner Mutter in Italien berichtet. Schwärmerisch und in vollem Klang, gefühlvoll und warm rundet die Kammersinfonie mit einer Folge von Arien aus der dritten Suite der „Antiche Danze ed Arie“ von Ottorino Respighi den Ausflug nach Südeuropa ab.
Der Osten darf zum Schluss seine geheimnisvolle Schönheit enthüllen. Schneider liest aus Deszö Kosztolányis „Ein Held seiner Zeit“ die wunderbare Begegnung des fiktiven Dichters Kornél Esti mit einer erblühenden türkischen Schönheit. Béla Bartóks Rumänische Volkstänze daran anzuschließen, führt den Gedanken des Hörers quasi weiter, konnten doch der Dichter und seine türkische Schönheit gemeinsam das Tanzbein schwingen. Und zugleich rundet es den Gedanken des Konzerts ab. Denn die Verbrüderung der Völker sei, so zitiert Schneider den Komponisten, die eigentliche Idee, der er in seiner Musik dienen wolle.
Und wenn diese Idee so schön und zugleich klangvoll durch die Soloviolinistin Sachiko Kobayashi und die energisch und doch tänzerisch aufspielende sueddeutsche kammersinfonie bietigheim unter Peter Wallinger erklingt, kann man wahrhaft auf den „Europäischen Frühling“ hoffen.
Irene Schallhorn
weniger17.01.2017, Bietigheimer Zeitung
Musik von frühlingshafter Leichtigkeit
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Neujahrskonzert: Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim lädt zu einer musikalischen und literarischen Reise durch Europa ein und begeistert das Publikum in der Kelter.
Einen echten Hörgenuss versprach Bürgermeister Joachim Kölz den Besuchern in der nicht ganz ausverkauften Kelter am Sonntagabend, und er sollte recht behalten. Die Mitglieder der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim unter ihrem Dirigenten und musikalischen Leiter PeterWallinger stimmten bei ihrem traditionellen Neujahrskonzert virtuos auf die kommenden Wochen und Monate ein. „Das Konzert steht unter dem Motto ‚Europäischer Frühling‘, obwohl in unserer Stadt gerade der Winter eingekehrt ist“, leitete Bürgermeister Kölz in den Abend ein. Aber bekanntlich habe der Winter die Stadt meist nicht von allzu lange im Griff, sodass sich die Konzertbesucher bereits auf den Frühling freuen könnten. Das Motto lasse sich aber auch im übertragenen Sinne deuten. Zwischen einigen Staaten Europas herrschte im vergangenen Jahr frostige Stimmung in ihren wechselseitigen Beziehungen. „Daher hoffen wir darauf, dass in diesem Jahr bei diesen Kontakten wieder mehr der Frühling präsent ist“, betonte Bürgermeister Kölz in seiner einleitenden Ansprache.
„Wir hoffen in Europa auf mehr Frühlingspräsenz.“
Joachim Kölz · Bürgermeister
Danach ergriff Schauspieler Johann-Michael Schneider das Wort und machte den Besuchern Appetit auf Musik aus vier Himmelsrichtungen in Europa. Den Auftakt dabei machte Großbritannien mit dem bekannten Komponisten Benjamin Britten und seiner „Simple Symphony“, von der die Musiker der Kammersinfonie drei Sätze vortrugen. Besonders im zweiten Satz, dem spielerischen „Pizzicato“, zupften die Akteure vorwiegend an Violine, Kontrabass oder Violoncello. Dieses Werk, das Britten im Alter von 20 Jahren schrieb, enthält viele Passagen, die der englische Komponist schon in seiner Kindheit und Jugend arrangiert hatte. Entsprechend frisch, unbekümmert und heiter waren die Melodien, bei denen auch immer wieder auf Walzerklänge und barocke Tänze Bezug genommen wurde bis hin zum kraftvollen Finale. Zwischen den einzelnen Sätzen rezitierte Theater-Schauspieler Johann-Michael Schneider bekannte Verse von Wystan Hugh Auden, der zu den größten englischen Lyrikern des 20. Jahrhundert zählt. „Manch einer sagt, Liebe sei kindisch, mancher sagt, sie sei federleicht, für manchen dreht sie die Welt im Kreis, manch andrer findet’s zu seicht“, zitierte Schneider aus „Sag mir die Wahrheit über die Liebe“, und die Verse harmonisierten mit der beschwingten Musik Brittens.
Von England begaben sich Musiker und Besucher in den hohen Norden nach Finnland, wo Komponist Pehr Henrik Nordgren zu Hause war. Seine Streichersuite „Pelimannimuotokuvia op. 26“ intonierten die Mitglieder der Kammersinfonie in gekonnt brillanter Weise, indem sie den Charakter des Werks, mit dem sich der Komponist der Folklore widmete, schwungvoll deutlich werden ließen. Literarisch wurde die Musik umrahmt von der seltsam erscheinenden Novelle „Die Busfahrt“ der finnischen Autorin Suvi Vaarla.
Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim unter der Leitung von Peter Wallinger lud zur Reise durch Europa ein.
Vom kalten Norden ging es in den sonnigen Süden nach Italien, wo schon Komponist Ottorino Respighi mit seiner Orchestersuite aus „Antiche Danze ed Arie“ wartete. Der Italiener ließ sich bei diesem Werk von Lautenklängen aus längst vergangenen Zeiten inspirieren und hat diese neu interpretiert. Die Rhythmen der Kammersinfonie muteten bisweilen mystisch, dann wieder kraftvoll oder auch spielerisch leicht an.
Dazu las Schauspieler Schneider aus Elio Vittorinis Roman „Gespräche in Sizilien“, in dem dieser Kindheitserinnerung und die Liebe zu seinem Heimatland Italien verarbeitete. Zum Abschluss des Neujahrskonzerts stattete die Kammersinfonie noch Ungarn einen Besuch ab. Vielfältig, manchmal wild und ausgelassen waren die Klänge der „Rumänischen Volkstänze“, die Béla Bartók für Streichorchester und Solovioline komponiert hatte. Inspiriert wurde der Ungar dazu von den Melodien und Volksliedern, die er in den Dörfern Siebenbürgens gesammelt hatte, das damals noch zu Ungarn gehörte. Variantenreich waren auch die Bekenntnisse von Autor Dezsö Kosztolänyi in „Ein Held und seine Zeit“, aus denen Schneider ergänzend vortrug. Den besonderen Applaus des Publikums verdiente sich bei diesem Finale des Neujahrskonzerts Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi an der Solovioline.
Erst Stuttgarter Raum, jetzt aus 13 Nationen
Um ausgetretene Pfade zu verlassen, wurde die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim1984 von ihrem musikalischen Leiter Peter Wallinger gegründet. Er ist heute international als Gastdlrigent tätig. Inzwischen stammen die engagierten Mitglieder des Orchesters aus dem gesamten süddeutschen Raum und es sind bis zu 13 Nationen vereint. Mehrmals im Jahr schließen sich die bis zu 40 Musiker zusammen, um erlesene Konzertprogramme miteinander einzustudieren. bz
Michaela Glemser
weniger16.01.17, Marbacher Zeitung
Kammersinfonie Bietigheim gibt ein Gastspiel
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Anne-Sophie Michaelis
weniger16.01.2017, Pforzheimer Zeitung
Das überraschend andere Neujahrskonzert: „MühlackerConcerto“
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· Originelles Programm unter dem Motto „Europäischer Frühling“
· Viel Beifall für Matinee der „MühlackerConcerto“- Reihe im Uhlandbau
Mühlacker. Die vom Wiener Walzertakt geprägten traditionellen Neujahrskonzerte sind verklungen, wenn Peter Wallinger und seine sueddeutsche kammersinfonie in der MühlackerConcerto-Reihe ihre Neujahrsgrüße überbringen. Wobei die musikalisch- literarische Sonntagsmatinee im Uhlandbau inzwischen zu einer schönen Tradition geworden ist – mit einem bunt-kreativ zusammengestellten Programm.
Diesmal gab es unter dem Motto „Europäischer Frühling“ Musikstücke und Texte aus allen Himmelsrichtungen Europas, aus England, Finnland, Italien und Ungarn. Für die eingängig fein artikulierten Rezitationen der Textbeiträge war Johann-Michael Schneider vom Reutlinger Theater „Die Tonne“ zuständig.
Einleitend sorgte der Sprecher mit Elias Canettis heiteren Anmerkungen zur erstaunlichen Verhaltensweise des Konzert-Publikums für Aufmerksamkeit – „die Menschen sitzen still da und reagieren auf das laute Treiben des Orchesters mit körperlichen Restbewegungen, dem Beifall“. Zu Benjamin Brittens „Boisterous Bourrée“ aus dessen „Simple Symphony“, die vom Kammerorchester rhythmisch markant mit tonalen Kanten und Haken interpretiert wurde, passte Wystan Hugh Audens eigenwilliger Text „Das Geheimnis ist endlich gelüftet“, genauso wie zum geheimnisvoll raunenden Saiten-Gezupfe des „Playful Pizzicato“ aus derselben Sinfonie der Kurzessay „Sag mir die Wahrheit über die Liebe“.
Für Völkerverständigung
Andere sinnfällig kombinierte Collagen aus Text und Musik waren dem Thema „Reisen“ gewidmet. Suvi Vaarlas Erzählung „Die Busfahrt“, die von einer irrwitzigen Reisebegegnung in einer einsamen Gegend Finnlands berichtet, kommentierten Wallinger und seine Streicher klangfarben- und facettenreich mit „Vier Spielmanns-Porträts“ von Pehr Henrik Nordgren. Zu Kindheitserinnerungen aus Elio Vittorinis „Gespräche in Sizilien“ musizierte das Kammerensemble Sätze aus Ottorino Respighis „Antiche Danze ed Arie“, zu Leseabschnitten aus „Ein Held seiner Zeit“ des Schriftstellers Dezsö Kosztolányi „Rumänische Volkstänze“ von Béla Bartók. Die Idee der Völkerverständigung, für die sich beide ungarische Künstler leidenschaftlich einsetzten, fand in diesem Konzertarrangement einen nachhaltigen Ausdruck. Die Zuhörer honorierten das überraschend „andere Neujahrskonzert“ mit reichlich Applaus.
Eckehard Uhlig
weniger16.01.17, Ludwigsburger Kreiszeitung
330 Küsse tauen Europa auf
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Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim gastiert mit originellem Programm in Murr
Murr. „Obwohl Europa jetzt im Winter liegt – vielleicht auch im übertragenen Sinne – , verbinden wir mit dem Titel unseres Konzerts die Hoffnung und Gewissheit, dass auch wieder ein Frühling kommt“, so begrüßte Johann-Michael Schneider die knapp 200 Besucher zum Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) im Bürgersaal des Murrer Rathauses. Unter dem Motto „Europäischer Frühling“ hatte Peter Wallinger ein hochoriginelles rund 80-minütiges Programm zusammengestellt. Das verschränkte Musik des 20.Jahrhunderts von vier europäischen Komponisten aus allen vier Himmelsrichtungen kunstvoll mit kurzen Texten jeweiliger Landsleute. Die Texte wurden von Schneider zwar nicht frei, dafür aber sehr lebhaft vorgetragen.
Mit Elias Canettis leicht spöttischer Beschreibung der Rezeptionshaltung klassischer Konzertbesucher („Die Menschen sitzen regungslos da , als brächten sie es fertig, nichts zu hören“) und der daraus folgenden Beschreibung des Beifallklatschens als Tauschhandel („ein chaotischer, kurzer Lärm für einen wohlorganisierten, langen“) war ein launiger Tonfall etabliert. Schwungvoll, vielleicht zu schwungvoll steigt Wallinger in das „Boisterous Bourrée“, den ersten Satz der „Simple Symphony“ (op.4) ein – in hohem Bogen fliegt der Taktstock durch die Luft. Der Dirigent eilt schmunzelnd hinterher.
Zwischen drei Sätzen aus Benjamin Brittens ursprünglich für Schulorchester geschriebenes Werk rezitierte Schneider kurze Reflexionen von Wystan Hugh Auden, der für Britten auch als Librettist tätig war, über die Natur des Geheimnisvollen und die Beschaffenheit der Liebe.
Stricher glänzen durch dynamische Finesse
Die 17 Streicher der SKB glänzten durch geschmeidigen Ensembleklang und dynamische Finesse: Wundervoll ihr Dialog von Violinen, Bratschen, Celli und Kontrabässen im „playful Pizzicato“, das – nomen est omen – ausschließlich aus gezupften Tönen besteht. Scharf konturiert Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi die Kantilene des „Frolicsome Finale“, bevor die Bewegung des Themas wie ein Wogen durch das Halbrund der Musiker läuft.
Von Westen aus geht’s gen Norden: Ausgesprochener Klangwitz prägt das Orchesterwerk „Pelimannimuotokuvia“ (op. 26; auf Deutsch: Bilder der Spielleute) des finnischen Komponisten Pehr Henrik Nordgren, formidabel umgesetzt durch die Musikerinnen und Musiker der SKB. Ihr astraler Streicherklang in „Tuumiskelija“ (übersetzt: Der Grübler) trifft einen tief im Innersten.
So berührend wie der Auszug aus Elio Vittorinis „Gespräche in Sizilien“ geraten auch die „Arie di corte“ aus der III. Suite Ottorino Respighis „Antiche Danze ed Arie“.
Zum Abschluss des Konzerts geht es aus dem südlichen Italien in den Osten: Expressiv und poetisch, mit rustikalem Strich gezeichnet, die „Rumänischen Volkstänze“, die Béla Bartók 1905 in Siebenbürgen mithilfe eines Phonographen dokumentiert hat. 330 Küsse im Tunnel – als Rückerstattung für die 330 türkischen Lehnwörter im Ungarischen – krönen die Geschichte aus Dezsö Kostolányis „Ein Held seiner Zeit“.
Einziger Wermutstropfen: Die vorzügliche Vorstellung des hervorragenden, in diesem Fall tendenziell kammermusikalisch disponierten Orchesters endete ohne Zugabe.
Harry Schmidt
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