20.12.18, Bietigheimer Zeitung
Erhabener Glanz, zarte Innerlichkeit
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Der Ausnahme-Trompeter Wolfgang Bauer und die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim spielten unter der Leitung von Peter Wallinger im Kronenzentrum. Von Dr. Dietmar Bastian
Zweierlei Horizonte verbinden sich mit dem Wort Advent (Ankunft): Das von den Römern geknechtete jüdische Volk hoffte auf die Ankunft des Messias, eines Königs, Erlösers und Befreiers. Das in einer Futterkrippe im Stall geborene Knäblein hingegen, von dem die Evangelisten im Neuen Testament berichten, entsprach nun ganz und gar nicht dieser Vorstellung, sondern offenbarte den Willen Gottes, dass das Starke im Schwachen Gestalt annehmen und mächtig werden sollte. Genau diese Widersprüchlichkeit griff das Programm „Musica Adventus“ auf, das der Leiter der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim, Peter Wallinger, am Samstagabend im Kronenzentrum zur Aufführung brachte.
Wallinger hatte den grandiosen Trompeter Wolfgang Bauer engagiert, der gleich zwei Solokonzerte spielte: Johann Baptist Georg Nerudas „Concerto für Diskanthorn und Streichorchester“ sowie das bekannte Trompetenkonzert Es-Dur von Joseph Haydn, dessen „Ohrwurmthemen“ wohl viele Zuhörer schon auf den Lippen führten. Die optisch sehr jung wirkende Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim musizierte auf gewohnt hohem Niveau, begleitete klangschön und transparent und hob den heiter-festlichen Charakter der Werke hervor.
Strahlend und eindringlich
Kein Zweifel, dass der vielfach ausgezeichnete Wolfgang Bauer, der weltweit unterwegs ist und eine Professur in Stuttgart inne hat, ein Großer seines Fachs ist. Beim Konzert von Neruda, das noch heute als einziges Werk des ansonsten fast vergessen Frühklassikers aufgeführt wird, traf Bauer genau jenen galanten Ton, den der damalige Zeitgeist evoziert hatte. Den Haydn spielte er auswendig, mit großer Strahlkraft und Eindringlichkeit. Hier hätte man sich vielleicht gewünscht, dass Bauer die Nebenthemen und Überleitung zurücknimmt und nicht durchgängig forciert.
Doch genau die leiseren Töne, die ebenso zum Advent gehören, gab es auch: Peteris Vasks‛ „Musica Adventus I“ war die eigentliche Überraschung des Abends. In eindrucksvoll-zarten Klanggesten und fein gesponnenen Tongeweben nimmt das Stück des zeitgenössischen lettischen Komponisten jene geheimnisvollen Vorgänge auf, die das Geschehen im Stall ausmachen. Im Choralzitat „Vom Himmel hoch“ macht Vasks deutlich, das er jenem inneren Licht nachspürt, das uns im Advent erreichen möchte. Sehr gerne hätte man nicht nur den 1. Satz, sondern die komplette etwa 25-minütige „Musica Adventus“ gehört, doch dies hätte den Rahmen gesprengt.
Die bekanntesten der neuen Sinfonien Beethovens werden sehr häufig gespielt, die anderen leider viel zu wenig. Dieses Schicksal ist auch dem Schlussstück des Abends, der achten Sinfonie in F-Dur, beschieden. Dabei muss man dieses an überraschenden Modulationen und harmonischen Experimenten so reiche Werk eigentlich im Zusammenklang mit der Neunten hören, in der Beethoven endgültig eine musikalische Zeitenwende herbeiführt. Man hätte der Kammersinfonie und Bauer volle Reihen gewünscht, denn es war ein denkwürdiger Musikabend, der wunderbar in ein Adventwochenende hineingepasst hat.
weniger12.12.18, Pforzheimer Zeitung
Trompeter Wolfgang Bauer begeistert beim Concerto im Mühlacker Uhlandbau
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Mühlacker. In höchsten Lagen säuseln und zupfen die Streicher. Man meint, ferne sphärische Engelsstimmen zu hören und fühlt sich bestätigt, als bei stärker werdendem Streicherton Melodie-Fragmente des Weihnachtschorals „Vom Himmel hoch, da komm‘ ich her“ zu vernehmen sind.
Peteris Vasks „Musica adventus“, die unter Peter Wallingers Leitung von der sueddeutschen kammersinfonie bietigheim zart und einfühlsam interpretiert wird, gibt dem Auftakt der neuen Cocerto-Reihe im Mühlacker Uhlandbau sein Motto und stimmt sinnfällig auf die Vorweihnachtszeit ein.
Im Mittelpunkt des Konzertgeschehens steht freilich der exzellente Stuttgarter Trompeter und Echo-Klassik-Preisträger Wolfgang Bauer mit virtuos-festlicher Bläser-Musik. Im Concerto per Corno Primo von Johann Baptist Neruda für kleines Diskanthorn und Streicher entfaltet der Solist barocke Klangpracht in ihrer ganzen Farbigkeit: Im rasanten Wiegeschritt wirbeln die Skalen und Läufe des einleitenden Allegro-Satzes. Das breit ausgezogene Largo bestimmen fließende Linien. Im Vivace glänzt das Horn mit jagdlichen Tonfolgen.
Eines der beliebtesten Trompetenkonzerte ist Joseph Haydns Es-Dur-Konzert (Hob. VII e 1). Alle bedeutenden Trompeter haben es im Repertoire. Dabei nimmt Bauers meisterliche Interpretation in Mühlacker gewiss eine Spitzenposition ein. Die chromatischen Gänge, Triller und staccatierten Figurationen im ersten Satz (Allegro) werden mit makelloser Technik und Klarheit bewältigt. Von der Kammersinfonie sanft untermalt, singt im Andante eine empfindungsreich galante Bläser-Melodie, die im Piano lyrischen Charakter aufzeigt. Im Finale strahlt fanfarenartiges Forte. Die begeisterten Zuhörer erklatschen sich eine Zugabe: eine Berceuse des seinerzeit berühmten russischen Trompeters Wassili Brandt (1869-1923).
Ratternde Rhythmen
Bemerkenswerte Klangenergien entwickelt Wallingers Ensemble bei der Wiedergabe von Ludwig van Beethovens achter Sinfonie (in F-Dur, op. 93). Die Interpreten verzichten auf übertriebenes Pathos und konzentrieren sich in dem kontrastreichen Werk mit dynamischer Wucht auf einen von Fall zu Fall energisch gesteigerten Ausdruck. Fast solistisch agieren immer wieder die Bläsergruppen. Im Finale wird die Pauke mit ratternden Rhythmen und drängenden Tempi in den instrumentalen Diskurs eingebunden. So formen Wallinger und seine Instrumentalisten eine tönende Architektur, spannungsreich akzentuiert und straff durchgezogen. Der heftige Applaus ist überfällig.
Eckehard Uhlig
weniger11.12.18, Mühlacker Tagblatt
Die volle Bandbreite ausgelotet
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Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim präsentiert am zweiten Adventssonntag ein festliches Programm im Uhlandbau
Mit dem Konzert für Diskanthorn und Streicher von Johann Baptist Georg Neruda war wohl mit Bedacht ein fulminanter Einstieg gewählt worden, als die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim am vergangenen Sonntag im Uhlandbau konzertierte.
Mühlacker. Der Solist des Werkes, der mehrfach ausgezeichnete Trompeter Wolfgang Bauer, verstand es, seinem Instrument einen energischen und doch weichen Klang zu entlocken, ja ihm fast schon eine Stimme zu verleihen, die in ihrem melodischen Fluss den Streichern um nichts nachstand und mit dem differenzierten Orchesterklang überzeugend harmonierte.
Einen reizvollen Kontrast im Programm der Reihe „Mühlacker Concerto“ bildete das Moderato aus der „Musica adventus“ des zeitgenössischen lettischen Komponisten Peteris Vasks. Der zarte Einsatz der Streicher wirkte geradezu schüchtern und zurückhaltend. Fließend und dynamisch illustrierte das Orchester auf dieser Basis eine ausgedehnte Entwicklung. Immer wieder schien sich vor den leisen Streicherklängen im Hintergrund eine organische Bewegung gleich einem leisen Protest zu erheben, der jedoch gleich wieder verebbte. Das fast schon perkussive Spielen mit dem Bogenholz rief dabei den Eindruck einer kalten und einsamen Winterlandschaft hervor. Erst in Verbindung mit Fragmenten des Weihnachtsliedes „Vom Himmel hoch, da komm ich her“, die sich zunehmend herauskristallisierten, entlud sich das Stück in einem vielschichtigen, eigentümlichen Höhepunkt.
Lebhafter wurde es wieder mit dem Trompetenkonzert Es-Dur von Joseph Haydn. In drei Sätzen bewies Wolfgang Bauer auch in diesem Stück sein hohes Niveau als Trompeter. Mal kraftvoll, fanfarenhaft oder musikalische Kapriolen schlagend, mal mit ruhiger Linienführung präsentierte er die volle Bandbreite an Ausdrucksmöglichkeiten des Instruments. Das Finale glich einem prächtigen Feuerwerk. Mit der Berceuse des russischen Komponisten und Trompeters Vassily Brandt verabschiedete der Solist sich und das Publikum in die Pause.
Im zweiten Teil folgte dann Ludwig van Beethovens 8. Sinfonie. Hier überzeugte das Orchester mit vollem Klang und stimmiger Dynamik – beste Voraussetzungen für eine gelungene Interpretation des heiteren, vielschichtigen Werks in vier Sätzen. Der Wechsel zwischen dramatischen Spannungsbögen und ruhigeren Passagen gelang fließend. Durch das dynamische, expressive Dirigat von Peter Wallinger erhielt das Orchester entscheidende rhythmische Impulse. Für den stürmischen Beifall bedankte sich das Ensemble mit einer kurzen Zugabe, ehe es das Publikum in den Abend entließ.
Sina Willimek
weniger11.12.18, Ludwigsburger Kreiszeitung
Episch, nordisch, kurios
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Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim präsentiert im Kronenzentrum ihr Adventskonzert
Bietigheim-Bissingen. Für manches Ohr gehören Trompetenklänge zur Vorweihnachtszeit wie Lebkuchen und Spekulatius, Bratäpfel und Zimtsterne, Adventskranz und Kerzenlicht. Dass die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim (SKB) zu ihrem diesjährigen Adventskonzert mit Wolfgang Bauer einen Virtuosen der Trompete eingeladen hat, fügt sich also ins jahreszeitliche Bild. Das Trompetenkonzert Es-Dur (Hob VIIe:1) von Joseph Haydn hat der langjährige Professor an der Musikhochschule Stuttgart bereits 2006 mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn aufgenommen, von souveräner Geläufigkeit zeugte auch seine Wiedergabe mit der SKB am Samstagabend. Der demonstrative Charakter der Musik kommt nicht von ungefähr: Anton Weidinger hat die drei Sätze 1796 in Auftrag gegeben, um die Möglichkeiten der von ihm erfundenen Klappentrompete aufzuzeigen; bis heute zählt das erste Konzert für dieses Instrument zum Standardrepertoire der Trompetenliteratur. Erweitert um Halb- und Ganztonschritte jenseits der Naturtonreihe, präsentiert sich die Trompete darin als vollwertiges Melodieinstrument, bis hin zu chromatischen Durchgängen im Allegro und fast streicherartigem Legato im kantablen Andante. Ohne oberflüssige Exaltation gestaltete Bauer diese technisch anspruchsvollen Passagen, was die plakativen Züge in Haydns Demo-Konzert wohltuenderweise moderierte.
Nun wäre dies kein Adventskonzert der SKB, hätte sich die Darbietung im Rahmen des Erwartbaren erschöpft. Ihr Dirigent Peter Wallinger ist ein Freund überraschender Kombinationen: Stets verbinden seine Programme sorgfältig ausgewählte Schlüssel und Gipfelwerke der Klassik mit weniger bekannten oder auch obskuren Stücken. Nicht allzu viel weiß man über den böhmischen Violinisten und Komponisten Johann Baptist Georg Neruda (1707 - 1780), das „Concerto per Corno Primo“ gilt als das heute populärste Werk des Dresdner Hofkapellmeisters. Im galanten Stil gehalten, fordert es einen Meister des Clarinspiels, müssen die hohen Lagen auf diesem Diskanthorn doch wie bei der Barocktrompete vollständig mittels der Ansatztechnik realisiert werden. Indes blieb Bauer diesbezüglich zu mindest bei der Aufführung im Kronensaal – das Konzert wurde tags darauf in Mühlacker wiederholt - unterhalb des Möglichen, wirkte sowohl hinsichtlich der Intonation als auch der Präzision seiner Einsätze gehemmt. Dies fiel umso mehr ins Gewicht , als die SKB seine Soloexpositionen, die tendenziell wie instrumentale Opernarien angelegt sind, unter Wallingers konziser Stabführung lebendig, transparent und klar konturiert einzubetten bemüht war.
So aber wurde das zwischen den beiden Konzerten platzierte Moderato aus Peteris Vasks’ „Musica adventus“, so auch der Titel des Adventskonzerts, zum heimlichen Höhepunkt des Abends: In höchster kammermusikalischer Konzentration und Sammlung durch die Streichergruppen, allen voran Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi, exzellent realisiert, evozieren lang gehaltene Liegetöne in der 1996 vollendeten Bearbeitung des 3. Streichquartetts des lettischen Komponisten die Weite nordischer Landschaften, während im Pianissimo knackende Pizzicati und mit dem Bogenholz erzeugte Klänge vor diesem Horizont Bilder kristalliner Kälte aufziehen lassen, irgendwo zwischen Sibelius Pärt.
Im langen Schatten der Neunten steht von heute aus gesehen Beethovens 1814 uraufgeführte Sinfonie Nr. 8 in F-Dur, ihre vermeintliche Konventionalität, der Eindruck heiterer Lebensfreude, ist pure Fassade. Vielmehr wirkt der Umgang des ertaubenden Komponisten mit der Tradition hier vielfach gebrochen, nachgerade von bitterem, sardonischen Lachen erfüllt. Mal auf engstem Raum, mal mit ausgebreitetem Schwung schäfte Wallinger die enormen gestischen und dynamischen Kontraste der ausladenden Ecksätze wie des kuriosen „Allegretto scherzando“ und des parodistischem „Tempo di Menuetto“. Epische Sinfonik als kammermusikalisches Kondensat. Auch wenn an ein, zwei heiklen Anschlussstellen noch Luft nach oben bestand, eine höchst ansprechende, eindrucksvolle Vorstellung dieses gleichermaßen ambitionierten wie qualifizierten Kammerochesters.
Harry Schmidt
weniger10.07.18, Mühlacker Tagblatt
Wirkungsvolle Tongemälde
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Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim tritt in der Lienzinger Frauenkirche gemeinsam mit dem Klarinettisten Sebastian Manz auf
Mühlacker-Lienzingen. Am Sonntagvormittag war die Lienzinger Frauenkirche erneut ein Anziehungspunkt für viele Musikfreunde. In ihrer Reihe „Musikalischer Sommer“ hatte die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim mit ihrem Dirigenten Peter Wallinger zum Konzert geladen. Als Gast sorgte Sebastian Manz für wahre Beifallsstürme, der mit seiner Klarinette alles machte, was mit diesem sensiblen Instrument überhaupt nur anzustellen ist. Das Programm bot jedoch auch den Streichern reiche Möglichkeiten, ihr Können, ihr harmonisches Zusammenspiel unter dem einfühlsamen, aber auch zwingenden Diktat ihres Dirigenten zu beweisen. Solopassagen der ersten Geige, von Viola und Violoncello ließen allemal aufhorchen.
Eröffnet wurde die vormittägliche Konzertstunde mit einem Orchester-Quintett Es-Dur in drei Sätzen von Josef Mysliveček. Dieser Komponist kam 1734 in Prag zur Welt und starb 1781 völlig verarmt in Rom. Nachzulesen ist, dass Mysliveček in Italien einst der bestbezahlte Opernkomponist war und als „il divino Boemo – der göttliche Böhme“ gefeiert wurde. Er war Zeitgenosse Mozarts, mit dem er freundschaftliche Kontakte gepflegt haben soll. Unter beschwingter Führung setzte das Orchester zu einem heiteren Allegro con brio an, im nachfolgenden Largo dann mit dominierenden Passagen der ersten Geige. Der Beginn des dritten Satzes Presto schien sich in den ersten Takten ein wenig an Mozart zu orientieren. Mit beherzten Tempi, melodischen Dialogen zwischen erster Geige und Viola, furiosem Aufspielen des Orchesters mit starken Bässen, dann wiederum mit dem Ausloten der dynamischen Möglichkeiten bis hin zu zartem Piano endete dieser „böhmische Teil“ des Konzerts und hinterließ beste Eindrücke. Allein 28 Opern hat Mysliveček komponiert, dazu ein reiches Werk an Vokalmusik aus Messen, Oratorien, Kantaten. Er hat Sinfonien, vielseitige Konzerte, umfangreiche Kammermusikwerke, dazu noch Werke für Klavier und Violine geschaffen. Heute sind sein Name und seine kaum zu zählenden Kompositionen vergessen. Dankenswert, dass es Orchester gibt, die sich dieses reichen Erbes annehmen.
Dann betrat der Star des Konzerts die Bühne. Was soll man über einen Künstler schreiben, der in seinem Metier alle Preise und höchste Auszeichnungen, die es zu gewinnen gibt, gehortet hat? War der Beifall für das Orchester schon herzlich und anhaltend, so wurde Sebastian Manz bereits gefeiert, ehe nur ein Ton aus seiner Klarinette erklang. Viele der Zuhörer hatten ihn wohl bereits bei seinen Auftritten in Mühlacker im Dezember 2011, dann im Juli 2015 und im März 2017 gehört, verteilten also keine Vorschusslorbeeren, sondern sie wussten, was sie von diesem Tonkünstler erwarten durften. Und er enttäuschte sie nicht. Er vertiefte sich mit Hingabe in das Klarinettenkonzert B-Dur von Johann Stamitz, ebenfalls Zeitgenosse Mozarts. Mit lebhaftem Körpereinsatz unterstrich er die Wirkung seiner Tongemälde. Es entfaltete sich ein harmonisches Zusammenspiel mit dem Orchester, mal fragend, mal fordernd, wechselnd zwischen hellstrahlendem Klang und dunklen, warmen Akkorden. Dann gab es eine längere Solopassage, in der die große Meisterschaft nicht nur durch die Geschwindigkeit seiner Finger sicht- und hörbar wurde, auch die exakte Atemtechnik war dem vollendeten Klangbild dienlich. Das Orchester zeigte seine Brillanz in einer stets einfühlsamen Begleitung.
Nicht auf dem Programm stand eine kleine Einführung vom fachlich bestens vertrauten Solisten in „Klarinettenkunde“ des 18. Jahrhunderts. „Die damalige Klarinette hatte nur fünf Klappen, nicht wie die heutige 24“, erklärte Manz, „Es musste viel improvisiert werden, und es bleibt letztlich den Interpreten überlassen, was am Ende dabei herauskommt. Da kann ich mich so richtig austoben auf meinem Instrument. Gut 70 Prozent der Töne sind so im ersten Darmstädter Konzert von Carl Stamitz im Original nicht vorhanden“, lautete eine kleine Vorwarnung ans Publikum. Den dritten Satz, ein Rondo aus besagtem Klarinettenkonzert Es-Dur, interpretierte Manz dann auch so, dass es einen vom Hocker reißen konnte. Da schaute er kaum auf sein „Notenblatt“, denn dies war ohnehin ein zeitgemäßes Tablett, und umgeblättert wurde mit einem Kick auf ein Fußplättchen. Als Dank für den nicht enden wollenden Beifall stimmte er seelenvoll ein Adagio von Mozart an. Noch einmal ließ er die Zuhörer an der ganzen Klangschönheit seiner Klarinette teilhaben.
Mit Leoš Janacek stimmte die Kammersinfonie einen vierten böhmischen Komponisten an. Sechs Sätze aus der „Suite für Streicher“ boten den Musikern Gelegenheit, das Publikum ein weiteres Mal von der Fülle, der Präzision, der Harmonie und der lebhaften Spielfreude, gepaart mit fundiertem Können an den Instrumenten, zu überzeugen. Eine Konzertstunde ging zu Ende, die lange nachklang.
Eva Filitz
weniger10.07.18, Pforzheimer Zeitung
Bläser-Laufwerk im Affenzahn: Klarinettist Sebastian Manz
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Frühjahrskonzert der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim mit Pianist Markus Bellheim
Mühlacker-Lienzingen. Am 3. Dezember 1778 schrieb Mozart an seinen Vater: „Ach, wenn wir nur (für die fürstbischöfliche Kapelle in Salzburg) auch Clarinetti hätten! Sie glauben nicht, was eine Sinfonie mit Clarinetten einen herrlichen Effect macht.“
Er hatte das Blasinstrument zum ersten Mal in Mannheim bei der dortigen Hofkapelle in Kompositionen von Johann Stamitz und dessen Sohn Carl kennengelernt und war begeistert. Begeistert waren auch die Besucher des „Musikalischen Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche, wo Peter Wallingers „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ einen Teil dieser Werke zusammen mit dem preisgekrönten Ausnahme-Klarinettisten Sebastian Manz aufführte.
Das dreisätzige Klarinettenkonzert B-Dur von Stamitz Vater (1717-1757) eröffnete mit solistischen Skalen im „Allegro moderato“ und einer facettenreichen Solo-Kadenz. Dann folgte ein „Adagio“, das mit weichen Haltetönen und leuchtenden Klangbögen über der Orchester-Grundierung stimmungsvollen Klarinetten-Sologesang zelebrierte – der war so schön wie im langsamen Satz von Mozarts (Jahre später komponierten) Klarinettenkonzert. Im Finalsatz des Stamitz-Werke („Poco presto“) beeindruckten die fein ausdifferenzierten Lautstärke-Abstufungen und – wie in den voraufgegangenen Sätzen – das auf genaue Tempi achtende, einfühlsame Zusammenspiel des Solisten mit dem von Wallinger geleiteten Streichorchester. Im tänzerischen „Rondeau“ aus dem Es-Dur-Klarinettenkonzert von Stamitz Sohn (1745-1801) ging Manz bis an alle spielerisch-technischen Grenzen, denn der Affenzahn mit dem er wirbelnde Läufe absolvierte, war geradezu überirdisch.
Als Zugabe für die „Klatscharbeit“ des Publikums musizierten er und die Kammersinfonie Wolfgang Amadeus Mozarts zauberhaftes „Adagio“ KV 580A, eine Vorarbeit zum Klarinettenkonzert – auch, um nochmals das Mannheimer Bekehrungs-Erlebnis des späteren Wiener Meisterklassikers zu illustrieren. Eingerahmt wurden die solistischen Höhepunkte mit der Wiedergabe des Orchester-Quintetts Es-Dur von Josef Mysliveček (1734–1781), dem „Divino Boemo“, den auch Mozart schätzte. Und von einer temperamentvollen Interpretation der Suite für Streicher von Leos Janáček (1854-1928), wobei unter Wallinger am Dirigentenpult die kontrastreichen Charaktere der sechs Suitensätze mit feinem Gespür für unterschiedlichste Rhythmen und Farben exzellent herausgearbeitet wurden.
Eckehard Uhlig
weniger09.07.18, Ludwigsburger Kreiszeitung
Akustischer Blütenstaub
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Sebastian Manz brilliert mit Klarinettenliteratur der ersten Stunde und Interpretationen
SACHSENHEIM. Nachdem die Premiere 2017 aufgrund der unsicheren Wetterlage ausfallen musste, hat es nun geklappt mit dem Open Air des Sommerkonzerts der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB). Mit rund 140 Besuchern präsentiert sich der Serenadenhof des Lichtenstern-Gymnasiums am frühen Samstagabend lediglich passabel gefüllt. Ein wenig verwunderlich, ist mit Sebastian Manz doch ein Klarinettist zu Gast, mit dem die SKB bereits häufiger zusammengearbeitet hat, zuletzt im vergangenen Jahr bei einem gefeierten Auftritt im Kronensaal mit Mozarts Klarinettenkonzert in A-Dur (KV 622). Zudem ist er ein hochdekorierter Ausnahmevirtose, der unter anderem 2008 mit dem seit 40 Jahren zum ersten mal wieder vergebenen ersten Preis des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD sowie mit drei Echo-Klassik-Preisen ausgezeichnet wurde.
Mit Werken von Johann und Carl Stamitz hatte Manz Klarinettenliteratur der ersten Stunde mitgebracht. Das Klarinettenkonzert des böhmischen Komponisten Johann Stamitz (1717-1757), der zum Gründer der Mannheimer Schule wurde, zählt zu den frühesten in der Musikgeschichte. In seiner einheitlich den Affekt pastoraler Zuversicht ausstrahlenden Wirkung besitzt das B-Dur Konzert deutlich erkennbar noch barocke Züge. Mit butterweichem Ansatz, vogelleichten Trillern und jubilierendem Diskant gestaltet Manz seinen Part im Allegro moderato, ein schwirrendes Ostinato in der Kadenz. Langgezogene Haltetöne eröffnen das Adagio, gefolgt von lyrischem Legato. Hauchzart der extemporierte Teil.
Sympathische und verbindliche Künstlerperönlichkeit
Im rasanten Walzer des Poco presto geht Manz federnd in die Knie, wendet sich nach links, nach rechts - schon die Publikum wie Orchester gleichermaßen zugewandte Körpersprache erzählt viel über diese so sympathische wie verbindliche Künstlerpersönlichkeit. Noch mehr erfährt man zwischen den Werken von Manz persönlich: Von Carl Stamitz, dem Sohn des Mannheimer Hofkapellmeisters, seien elf Klarinettenkonzerte überliefert, denen bereits eine ganz andere Virtuosität eigne. Vieles bleibe darin der individuellen Ausgestaltung des Interpreten überlassen. Dies zeigt sich im Rondeau, dem dritten Satz des siebten der elf Klarinettenkonzerte von Stamitz jr. Mehr als 70 Prozent dessen, was er spielt, habe er den kantablen Themen hinzugefügt, hochindividuell seine Ad-lib-Passagen, akustischer Blütenstaub und fließende Akkordbrechungen, in einer fulminant zugespitzten Strettaendend. Den Applaus der Zuhörer quittiert Manz mit einer wundervollen Zugabe: süßholzatemdurchströmt eine Bearbeitung von Mozarts Adagio (KV 580a), die ferne Antwort der Violinen, Vogelgezwitscher in den Bäumen des umliegenden Parks.
Bei alldem agiert die SKB, das von Peter Wallinger vor mehr als 30 Jahren gegründete Projektorchester, so feinfühlig und diskret, dass man ihre Anwesenheit fast vergessen könnte. Und doch garantiert ihr souveräner, sorgfältiger und sensibler Zugriff, ihr schlanker und wendiger Ensembleklang dem Solisten ein stabiles Parkett. Dafür wurde die Qualität der SKB bereits in dem zur Eröffnung gegebenen Orchesterquinetett in Es-Dur des tschechischen Mozartzeitgenossen Josef Myslivecek (1734-1781) - auf Spitze getanzt hebt das Allegrio con brio an, auch das Largo metrisch durchpulst, berückend das Presto - und im Anschluss mit Leoš Janàceks 1877 entstandener „Suite für Streicher“ nochmals vollends deutlich. Bei dem zwischen Spätromantik und Vormoderne changierenden Werk des Mähren gelingt Wallinger und der SKB eine durchgehend pointierte, in den Ecksätzen und im Presto streckenweise sensationelle Wiedergabe.
Harry Schmidt
weniger09.07.18, Bietigheimer Zeitung
Unerschütterliche Begeisterung für die Klassik
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Konzert Die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ und Klarinettist Sebastian Manz spielten in Sachsenheim
Sachsenheim. Was in der Vergangenheit selten klappte, konnte diesmal umgesetzt werden: das Sachsenheimer Sommerkonzert als Open Air. Gut 80 Besucher waren am Samstagabend ins Lichtenstern-Gymnasium gekommen, um sich die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ unter ihrem Dirigenten Peter Wallinger und den Ausnahmeklarinettisten Sebastian Manz anzuhören.
Manz ist einer der ganz Großen der Klassik-Szene, momentan Solo-Klarinettist beim SWR Symphonieorchester, als solist international gefragt. Ein solcher Status verleitet viele Musiker dazu, einen imaginären Zaun um sich herum zu bauen, und sich abzuschotten. Die Vermeintliche Unantastbarkeit der Künstler macht es einem Fan-Kult ungemein schwer - doch genau der mag wichtig für den Fortbestand der Szene sein. „Wir sind selbst Schuld“, meinte Sebastian Manz im Gespräch mit der BZ zu diesem Thema.
Dabei kann man ihm am allerwenigsten einen Vorwurf machen - im Gegenteil. Sebastian Manz stand nach seinem Auftritt in T-shirt und kurzer Hose auf der Wiese des Lichtenstern-Gymnasiums, unterhielt sich mit seinen Fans, erzählte ihnen von der Notwendigkeit des Sports für einen Musiker und von den Vorteilen eines digitalen Notenblatts.
Große Ausstrahlung
Bei seinem Auftritt ergriff er wie selbstverständlich das Wort, fütterte das Publikum mit Hintergrundinformationen zu den Stücken, erklärte, warum er für die Zugabe eine andere Klarinette holen muss. Vor allem aber strahlte Manz, Jahrgang 1986, nach vielen Jahren in diesem Metier eine Begeisterung für seinen Job aus.
Bevor er am Samstag an der Reihe war, spielte die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ Josef Mysliveceks „Orchesterquintett in Es-Dur“. Der Böhme Myslivecek, Zeitgenosse und Freund des viel berühmteren Wolfgang Amadeus Mozart, komponierte in heiterer Klassik-Manier. Diesen stilistischen Geist legte die „sueddeutschte kammersinfonie bietigheim“ unter Peter Wallinger unprätentiös, aber klangvoll offen.
Obwohl die Werke, die am Samstagabend aufgeführt wurden, in einem Zeitraum von über einhundert Jahren entstanden sind, ergänzten sie sich hervorragend zu einem stimmigen Programm. Zwischen den reinen Orchesterstücken interpretierte Sebastian Manz gemeinsam mit dem 16-köpfigen Orchester das „Klarinettenkonzert in B-Dur“ von Johann Stamitz sowie den dritten Satz aus dem „1. Darmstädter Konzert“ von Stamitz’ Sohn Carl. Als Zugabe spielte Manz das „Adagio KV 580a“, bei dem Mozart den Melodieanfang seines berühmten „Ave Verum“ wiederverwertet hat.
Sebastian Manz macht Musik offenbar nicht um ihrer selbst Willen, sondern weil er seinen Zuhörern etwas mitteilen möchte. Der gebürtige Hannoveraner verfügt über eine außergewöhnliche Bühnenpräsenz und das liegt bei Weitem nicht nur an seinem großen Bewegungsradius. Auch beim Open-Air-Konzert im Lichtenstern-Gymnasium fesselte er nicht nur die Ohren, sondern auch die Augen des Publikums.
weniger03.05.18, Vaihinger Kreiszeitung
Klavierkonzert mit finalem Klangfeuerwerk
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Eckehard Uhlig
weniger02.05.18, Mühlacker Tagblatt
„Suite française“ zum Abschluss
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Saisonfinale der Klassikreihe „MühlackerConcerto“: Musiker meistern höchst anspruchsvolle Aufgaben.
Ein Programm „voller Farben, voller Leidenschaft und Esprit“ war zum Saisonende der Klassikreihe „MühlackerConcerto“ angekündigt. Tatsächlich erlebten die Besucher am vergangenen Samstagabend im Uhlandbau Mühlacker einen faszinierenden Konzertabend, betitelt mit „Suite française“.
Mühlacker (pm). Den Titel hat der Veranstalter der Konzertreihe gewählt in Anlehnung an den lesenswerten, gleichnamigen Roman von Irène Némirovsky; gespielt wurden Werke von Claude Debussy und Maurice Ravel, die als die Hauptvertreter des französischen Impressionismus gelten.
38 Musikerinnen und Musiker der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ und Markus Bellheim, der sich als hervorragender Klaviersolist zeigte, haben sich unter der Leitung von Peter Wallinger dieser höchst anspruchsvollen Aufgabe angenommen – und sie bravourös gemeistert. Eine Einführung in die hierzulande nicht eben geläufigen Werke gab in gewohnt kurzweiliger und zugleich kompetenter Weise die Musikwissenschaftlerin und Flötistin Dr. Christina Dollinger.
Ein betörendes Flötensolo, klangschön zelebriert von Verena Guthy-Homolka, eröffnete den Abend und führte hinein in die Sinneswelt eines Panflöte-spielenden Fauns an einem schwülen Sommertag. 1894 schreib Debussy sein „Prélude à l’après-midi d’un faune“, angeregt von der Atmosphäre des gleichnamigen Mallarmé-Gedichts, und läutete mit nie zuvor gehörten, farbig-schillernden, von der Harfe unterstützten Klangschattierungen den musikalischen Impressionismus ein.
Völlig andere Töne werden in Ravels Klavierkonzert G-Dur angeschlagen. Ein Peitschenknall zu Beginn des ersten Satzes löst ein buntes an eine Zirkusarena erinnerndes Treiben aus mit Klangkaskaden und allerhand folkloristischen Anspielungen, auch solchen des Jazz. Meisterhaft bewältigte Markus Bellheim, der als Professor an der Münchner Musikhochschule lehrt, den hochvirtuosen Solopart. Im Wechsel mit dem Klavier mischten die Musiker der Kammersinfonie, insbesondere die Bläser, mit halsbrecherischen Soloeinlagen in den rasanten Ecksätzen kräftig mit. In stärkstem Kontrast dagegen der schwerelos schwebende zweite Satz, in dem die Zeit still zu stehen scheint. Ein ausdrucksvoll vorgetragenes Englischhorn-Solo gesellt sich zur fast schon gläsern wirkenden Melancholie des ausgedehnten Klavierparts hinzu. Ein Feuerwerk wird schließlich von Solist und Orchester im furiosen letzten Satz entfacht. Ein Ragtime folgte als Zugabe und demonstrierte noch einmal die pianistischen Qualitäten von Markus Bellheim.
Wieder andere Färbungen zeigten zwei Werke Ravels nach der Pause: In eine imaginäre, längst versunkene Märchenwelt führte die „Pavane pour une infante défunte“. Wunderschön vorgetragen wurde das Solo-Horn von Reimer Kühn über den würdevollen Schritten der Pizzicato-Begleitung.
Eine letzte französische Delikatesse servierte das Orchester mit Feinsinn und Verve mit Ravels „Valses nobles et sentimentales“, dessen Titel auf Schuberts 1825 und 1827 veröffentlichte Walzerfolgen anspielt. Der Tonfall der acht Walzer reicht von „sehr zart und ein wenig schmeichelnd“ bis hin zu kühn auftrumpfenden Klangeruptionen in Ravels meisterhaft raffinierter Instrumentierung und oftmals mit maskenhaft parodistischen Zügen.
Begeisterter Beifall und als Zugabe noch mal den ersten Ravel’schen Walser beschlossen den beeindruckenden Konzertabend.
weniger02.05.18, Ludwigsburger Kreiszeitung
Gelungene Klanggemälde
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Frühjahrskonzert der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim mit Pianist Markus Bellheim
Bietigheim-Bissingen. Wie aus einem Guss präsentierte sich das Programm des traditionellen Frühjahrskonzerts der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) im Kronenzentrum. Mit vier Werken von Claude Debussy und Maurice Ravel konzentrierte sich der mit „Suite française“ überschriebene Abend ganz auf das Wirken der beiden Hauptvertreter des Impressionismus.
Die „Prélude à l’ aprés-midi d’un faune“ markierte bei ihrer Uraufführung 1894 in Paris nicht nur den künstlerischen Durchbruch von Claude Debussy als Komponist, sondern auch den Beginn eines neuen Zeitalters: Während Camille Saint-Saëns in der symphonischen Dichtung, die auf ein Gedicht von Stéphane Mallarmé Bezug nimmt, „nicht die geringste ausgesprochen musikalische Idee“ zu erkennen vermochte und meinte, die „Prélude“ sei so viel Musikstück wie die Palette eines Malers Gemälde, kam Pierre Boulez ein gutes halbes Jahrhundert später zu einer ganz anderen Einschätzung: Mit dem einleitenden Faunmotiv der Traversflöte, aus dem sich hier alles weitere entwickelt, beginne auch die Geschichte der modernen Musik.
Keine Geringe Aufgabe also, zumal dieser zarte Pianissimo-Auftakt überaus heikel ist, sowohl für Flötistin Verena Guthy-Homolka als auch für ihre Mitstreiter von der SKB. Denn nichts ist für die Musik des Impressionismus wichtiger als ihr fließender Charakter. In der flimmernden Luft verschwimmen Licht und Schatten, Traum und Wirklichkeit, Lust und Ermattung, Narration und Atmosphäre. Mit präzisen, abgezirkelten Bewegungen, Atemzügen gleich, animierte Peter Wallinger sein 1984 gegründetes Ensemble zu einer gelungenen Wiedergabe dieses Schlüsselwerks der Moderne.
Bescheinigte die zeitgenössische Musikkritik um die vorletzte Jahrhundertwende Ravels Werk noch eine direkte Abhängigkeit von Debussy, wird die Musik des 13 Jahre jüngeren doch deutlich mehr durch die Entwicklung konkreter Themen und Rhythmen geprägt. Im zwischen 1929 und 1931 entstandenen „Konzert für Klavier und Orchester“ in G-Dur hallen Eindrücke von Ravels Amerikatournee nach. Mit Markus Bellheim hat Wallinger bereits vor zwei Jahren Bartóks Klavierkonzert Nr. 3 gegeben. Sublim gestaltete der 44-Jährigen die Jazz-Themen, Ragtime-Motive und Blues-Skalen, ohne Überschwang, weder mutwillig noch mechanisch, vielmehr mit einer überlegenen Ausgeglichenheit, die ihresgleichen sucht. Das brachte insbesondere die pastorale Ruhe des Adagio assai bestens zur Geltung. Die Ecksätze wiederum profitierten von der Wendigkeit der um Posaune und Trompete verstärkten SKB. Mit einem Ragtime aus dem Umfeld von Scott Joplin verabschiedete sich Bellheim vom vom begeisterten Publikum im Kronensaal.
Formidabel gerieten auch Ravels einsätzige „Pavane pour une infante défunte“, eine weitere Ikone des Impressionismus, sowie dessen „Valses nobles et sentimentales“: Faszinierend, wie viel Farbigkeit und Transparenz in der Tiefenstafflung die 38-köpfige Kammersinfonie aufzubieten hat, welch feine dynamische und klangliche Nuancen und Differenzierungen der SKB zu Gebote stehen. Das blieb auch dem Bietigheimer Publikum nicht verborgen. Obgleich lediglich rund 200 Besucher an diesem fast schon sommerlichen Frühlingsabend den Weg ins Kronenzentrum gefunden hatten, wurde das Orchester enthusiastischer gefeiert denn je: Applaus mit den Füßen ist hier eher selten und besonderen Momenten des Musikerlebens vorbehalten. Ein erzitterndes Parkett unterstrich, dass es sich bei dem anderentags in Mühlacker wiederholten (und aufgezeichneten) Konzert um einen solchen gehandelt hat.
Harry Schmidt
weniger30.04.18, Pforzheimer Zeitung
Finales Klangfeuerwerk bei Mühlacker Concerto-Reihe
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Mühlacker. Eine „Suite française“ mit betörenden Musiken von Claude Debussy und Maurice Ravel hat für einen begeisternden Saisonabschluss der Mühlacker Concerto-Reihe im Uhlandbau gesorgt.
Das zum Konzertauftakt musizierte Prélude à „l’après-midi d’un faune“ demonstrierte nicht nur ein weiteres Mal die Souveränität Peter Wallingers am Dirigentenpult und die Versiertheit seiner sueddeutschen kammersinfonie bietigheim (das Orchester schreibt sich selbst so), sondern präsentierte vor allem einen Debussy vom Feinsten.
Ätherisch schwebend bezauberte das einleitende (Pan-)Flötensolo, das die sinnliche Schwüle des musikalisch umgesetzten gleichnamigen Mallarmé-Gedichtes spüren ließ. Dann faszinierte das Wogen und Wallen der naturidyllischen, hitzig aufgeladenen Nachmittagsstimmungen des lüstern-faunischen Halbgotts, ausgedrückt auch in Harfengezirpe und Geisterglöckchen. Rauschhafte Crescendi mündeten in leuchtende Klangflächen ein.
Der Höhepunkt des Konzertabends war freilich die Wiedergabe von Ravels G-Dur-Konzert für Klavier und Orchester – eine Herausforderung für den Pianisten und die Kammersinfonie, die der Münchener Musikhochschulprofessor Markus Bellheim als Solist am Flügel und das Wallinger-Ensemble bravourös meisterten. Mit kühlem Kopf, ja mit erstaunlicher Frische und scheinbarer Leichtigkeit bewältigte Bellheim den motorischen Schwung mancher Passagen, die Klang-Raffinements, die jähen Umschwünge der Dynamik, die Farbkontraste.
Mit Zirkuspferdchen-Peitschenknall legte das Ravel-Konzert los, dann folgten nach Klaviertremoli energisch lärmende Skalen, auch ein zackig-jazziger Piccoloflöten-Marsch. Im zweiten Satz zelebrierte ein gedehntes Klaviersolo stimmungsvolle Melancholie. Im letzten Satz entfaltete sich nach vorwärtstreibenden, scharf konturierten Rhythmen ein musikantisch tobendes, finales Klangfeuerwerk. Nach der Pause interpretierten Wallinger und sein Orchester Ravels „Pavane pour une infante défunte“ als gemächlichen Schreittanz mit kapriziösen Bläsereinwürfen sowie Ravels ursprünglich für Klavier komponierte „Valses nobles et sentimentales“ mit heftig durchgezeichneten Strukturen, lebhaften Klanggesten und fesselnder Expression. Das Publikum im Mühlacker Uhlandbau reagierte mit jubelndem Applaus.
Eckehard Uhlig
weniger09.03.18, Pforzheimer Zeitung
Eine musikalische Rätselreise
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Herr Kruse (ganz rechts) von der Pyrmonter Theater Company nimmt das Publikum auf eine fantastische Reise mit. Foto: Gonzalez
Herr Kruse putzt gerne die Konzerthalle, da kann er nämlich seinem geliebten Quartett während seiner Arbeit zuhören. Dass seine Kollegin Frau Freitag nichts mit Musik anfangen kann, ist für ihn unverständlich.
Als jedoch Frau Freitag bei einem Musik-Rätsel Hilfe braucht, um eine Reise zu gewinnen, nutzt Herr Kruse die Gunst der Stunde, um sie vielleicht doch noch von der Musik überzeugen zu können. Kurzerhand bastelt er ein großes Schiff aus Notenblättern und segelt gemeinsam mit ihr und dem begeisterten Publikum auf eine musikalische Rätselreise.
Etwa 450 Schüler und 50 Lehrer aus verschiedenen Schulen der Region haben die Vorstellungen im Mühlacker Uhlandbau der Pyrmonter Theater Company in Zusammenarbeit mit der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ bestaunt.
Seit vielen Jahren kooperieren beide Institutionen erfolgreich unter dem Motto „Klassik für Kinder“, um ein junges Publikum für die Musik und das Theater zu begeistern.
Maximo Gonzalez
weniger09.03.18, Mühlacker Tagblatt
Der junge Mann und das Notenmeer
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Im Rahmen der Reihe „MühlackerConcerto“ tauchen 450 Schüler in die Welt der klassischen Musik ein
Werke von Wagner, Tschaikowski und Schubert richten sich an ein reifes Publikum – könnte man meinen. Die Begeisterung der rund 450 sehr jungen Zuhörer, die am Donnerstag Kinderkonzerte in der Reihe „MühlackerConcerto“ besucht haben, beweist, dass klassische Klänge kein Alterslimit kennen.
Mühlacker. Die Sternenfelser Delegation kann gar nicht genug bekommen. Längst ist das Schiff von „Käpt’n Kruso“ vor Anker gegangen, und die übrigen Leichtmatrosen in Gestalt von rund 200 weiteren Schülern der Klassenstufen eins bis fünf haben den Uhlandbau verlassen, da umringen die Schützlinge von Klassenlehrerin Iris Teichmann immer noch die beiden Darsteller Jörg Schade und Judith Guntermann. „Ich hätte das auch gewusst mit Mozart“, sagt einer der Zweitklässler. Ehrfurchtsvoll berührt ein anderer das Kostüm des im Laufe 50 unterhaltsamer Minuten vom Reinigungsfachmann Kurt Kruse zum melodiensturmerprobten Kapitän mutierten Schauspielers und Sängers. Noten über Noten zieren das papierene Gewand. Und Noten über Noten, die sich ins Ohr eingeschlichen haben, werden die Kinder auch mit nach Hause tragen.
Seit einigen Jahren beherzigt Peter Wallinger, Gründer und Leiter der Reihe „MühlackerConcerto“, was Freunde klassischer Musik mit Blick auf den Altersdurchschnitt des Publikums immer wieder anmahnen: Es gilt, aktiv die junge Generation mit dem Mozart-und-Co.-Virus zu infizieren. „Die Kinderkonzerte werden sehr gut angenommen“, freut sich Wallinger über die große Nachfrage, die sich an diesem Donnerstagvormittag in zwei ausverkauften Vorstellungen von „Käpt’n Kruso – Furioso!“ widerspiegelt.
Insgesamt etwa 450 Schüler aus Lomersheim, Dürrmenz, Ötisheim, Sternenfels, Diefenbach und Bretten werden in den Genuss einer ganz besonderen Darbietung kommen, die auf spielerische, aber nicht oberflächliche Weise die Brücke zu klassischen Werken und den Instrumenten, die diese hervorbringen, schlägt. Von Distanz ist keine Spur, als Trompeterin Lucy Kraszlan, Posaunistin Tabea Hesselschwerdt, Klarinettist Michael Reich und Fagottist Frank Lehmann in Alltagskleidung ihre Plätze auf der Bühne einnehmen.
Die Musiker, die der von Peter Wallinger dirigierten sueddeutschen kammersinfonie bietigheim angehören, werden nicht nur ihre Instrumente zum Klingen bringen und damit die Handlung vorantreiben, sondern als Co-Schauspieler auch den beiden Akteuren der Pyrmonter Theater Companie zur Seite stehen.
Eigentlich haben sie sich zu einer Probe getroffen – Schubert, aber dieses Mal bitte ohne Fehler –, doch da gesellt sich Jörg Schade in der Rolle des musikbegeisterten Herrn Kruse vom Reinigungsdienst Ratzeputz zu ihnen und schwingt seinen Besen. Das geht geräuschlos vonstatten, wohingegen der Staubsauger der im Dienstplan verrutschten Kollegin Frieda Freitag (Judith Guntermann) den Wohlklang erheblich stört. Als die Kunstbanausin auch noch Notenblätter einsaugt, deren Verschwinden im Inneren des Geräts von den Blechbläsern durch den Einsatz ihrer Dämpfer versinnbildlicht wird, muss Herr Kruse einschreiten.
Ein paar delikat gespielte Takte aus Tschaikowskis „Nussknacker“ zur Beruhigung, und der Putzmann ermuntert seine Kollegin zu einer imaginären Reise in die Welt der Musik. Reisen – dieser Sehnsucht hängt Frieda schließlich nach und hofft, ihrem Traum Südfrankreich mit der Lösung eines Kreuzworträtsels näherzukommen. Da dieses ausgerechnet die von ihr ungeliebte Musik als Sujet hat, lässt sie sich auf das Abenteuer ein und steigt an der Seite „Käpt’n Krusos“ in ein Segelschiff aus Notenpapier. Unfallfrei vorbei an den „Untiefen der volkstümlichen Musik“ und den „Klippen des Schlagers“ gleitet das Boot „Furioso“ dahin auf dem Meer aus Noten, immer wieder beflügelt vom gepusteten Wind der Kinder und den Melodien der vier Musiker. Ob es darum geht, Wagners Geisterschiff aus dem „Fliegenden Holländer“ heraufzubeschwören oder den Kindern einfache musikalische Begriffe wie Tonleiter und Akkord vor Ohren zu führen: Die Instrumentalisten werden allen an sie gestellten Anforderungen mit sichtlichem Spaß an der Sache gerecht.
Und Spaß haben auch die Kinder, die immer wieder dazu aufgerufen sind, den kreuzworträtselnden Seefahrern auf die Sprünge zu helfen. Sie singen mit, sie klatschen mit, und aus einem Haufen unruhiger Schüler, die sich während der kurzen Wartezeit vor Beginn noch gegenseitig Hasenohren gezeigt und kleine Kraftproben ausgetragen haben, ist ein Konzertpublikum geworden, das selbst komplexere Begriffe als Antwort auf entsprechende Fragen zu geben vermag.
Ihre Begeisterung überträgt sich letztlich auch auf Frieda Freitag, die über Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ beinahe das eigentliche Ziel ihrer Reise vergisst. Mozart, das Lösungswort, muss sie telefonisch durchgeben, um ihre Chance auf den ersehnten Gewinn zu wahren, und die Musiker helfen rasch mit einem Smartphone aus. Ja, ihr gehöre der Hauptpreis, erfährt Frieda unter dem Jubel der Kinder. Doch – oh nein – nicht nach Südfrankreich geht es, sondern sie kommt in den Genuss eines Hauses. „Wer soll das bloß putzen?“, stöhnt sie, eine adäquate Nutzung ist allerdings rasch gefunden. Die Musiker werden dort ihr neues Probenquartier beziehen, und im Gegenzug laden sie Frieda mitsamt dem Kollegen ein auf ihre nächste Konzertreise. „Hast du Töne“, besingen sie im gemeinsamen Finale den Schlüssel zu ihrer nun geteilten Leidenschaft.
Die Kinder sind längst mit im Boot – und reif für klassische Musik – egal, was das Geburtsdatum sagt.
Carolin Becker
weniger16.01.18, Ludwigsburger Kreiszeitung
Eine prachtvolle Symbiose
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Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim präsentiert dreimal ihr Neujahrskonzert
Bietigheim-Bissingen. Dass das Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) stets einen Besuch lohnt, wissen die Bürger in Murr genauso wie die Einwohner von Mühlacker, zwei der drei traditionellen Spielstätten der Jahreswechselauftritte des 1984 von Peter Wallinger gegründeten Orchesters. Der Bürgersaal des Murrer Rathauses sei wie der Uhlandbau in Mühlacker so gut wie ausverkauft gewesen, freute sich der Dirigent im Gespräch mit unserer Zeitung über den dortigen Zuspruch. Dagegen blieben in der Bietigheimer Kelter am Sonntagabend beim dritten und letzten Konzert der Veranstaltungsfolge noch ein paar Plätze frei.
Nachdenkliche bis humoristische Gedichte zwischen den Werken
Das mag ein wenig der im Winter doch etwas zugigen Örtlichkeit geschuldet gewesen sein: Manch ein Besucher zog es vor, Mantel oder Jacke anzubehalten. Obwohl es also auch für die Instrumente wie für die Finger ihrer Spieler eine Spur zu kalt war, geriet der in 16-köpfiger Besetzung angetretenen SKB der Auftakt ihres mit „Zauber der Natur“ überschriebenen Programms fabelhaft.
Mit kammermusikalischer Finesse ausgehört die folkloristischen Motive von „Im Volkston“ der Nr. 1 aus Edvard Griegs „Nordische Weisen“ (op. 63), berückende Schwebeklänge der Streicher, gekrönt von einem erblühenden Tutti im Finale, lustvoll ausgekostet der rustikale Überschwang im „Bauerntanz“.
Als Kleinod erwiesen sich Giacomo Puccinis „Chrysanthemen“: Das dreiteilige Andante mesto, musikalisch dem Opernliebhaber aus dem vierten Akt von „Manon Lescaut“ vertraut, ist eine Blaupause für hochemotionale melancholische Rückblenden, die Heerscharen von Hollywood-Filmmusikkomponisten inspiriert hat.
In „Der Winter“, dem vierten Konzert aus Antonio Vivaldis Zyklus „Vier Jahreszeiten“, beeindruckte Sachiko Kobayashi, Konzertmeisterin der SKB und Primgeigerin des international renommierten Lotus String Quartet, mit souveräner, unaufgeregt in sich gekehrter Gestaltung der bekannten Partitur.
Den strahlenden Mittelpunkt der zweiten Konzerthälfte bildeten die Darbietungen von Anne-Sophie Bertrand, der Solo-Harfenistin im Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks, einmal mit, einmal ohne Orchesterbegleitung. Wie ein Kompendium der Spieltechniken der chromatischen Harfe wirken die beiden Tänze der „Danses pour Harpe et Orchestre“, die Claude Debussy 1904 geschrieben hat. Wundervoll sanft wogend die perlenden Arpeggien, gezupften und gestrichenen Figurationen der „Danse sacrée“; statt eines Ringens zwischen Solostimme und Orchester, feiern beide in der „Dance profane“ ihre Symbiose. So wie die goldene Harfe von Bertrand das Zentrum der Bühne einnahm, wirkte ihre Partie wie ein teurer Kristall in der Mitte eines prächtig funkelnden Colliers. Solistisch interpretiert dann „La source“ von Alphonse Hasselmans sowie „Introduction, Cadenza & Rondo“ von Elias Parish-Alvars, zwei Werke zeitgenössischer französischer Komponisten, die den romantischen und impressionistischen Tönen huldigen, für die dieses Instrument so enorm prädestiniert scheint.
Zum Ausklang frühlingshafte Farben mit dem „Lied der Lerche“ aus „Die Jahreszeiten“ von Peter Tschaikowsky, ein Hauch von Wiener Neujahrsatmosphäre dann beim finalen „Walzer“.
Von nachdenklich über vergnüglich bis humoristisch reichte die Ausdruckspalette der Gedichte von Rainer Maria Rilke, Henrik Ibsen und anderen, die Frank Albrecht, Schauspieler am Theater Freiburg, zwischen den musikalischen Preziosen so pointiert wie klangvoll rezitierte.
Harry Schmidt
weniger16.01.18, Mühlacker Tagblatt
Literaturvorträge hinken Musik hinterher
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Neujahrskonzert der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ im Uhlandbau – Dirigent zeigt seine Meisterschaft
Im Rahmen der Reihe „Mühlacker Concerto“ hat die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ zu einem Neujahrskonzert in den Uhlandbau eingeladen. Unter dem Titel „Zauber der Natur“ präsentierte das Ensemble unter der Leitung von Peter Wallinger Interessantes und wenig Bekanntes. Der Schwerpunkt lag auf Werken aus dem 19. Jahrhundert.
Mühlacker. Dabei war nicht nur Musikalisches zu hören, sondern auch Literarisches. Diesen Part übernahm der Schauspieler und Regisseur, in Baden-Baden als Logotherapeut arbeitende 58-jährige Frank Albrecht. Mit dem von ihm vorgetragenen Spruch „Einem Komponisten ins Stammbuch“ des Norwegers Henrik Ibsen begann das Programm. Zwischen den Musikstücken machte Albrecht immer wieder, die Worte mit zuweilen theatralischen Bewegungen unterstreichend und komödiantisch deutend, mit unterschiedlichen Texten bekannt. Dabei kam Schriftsteller und Maler Georg von der Vring mit „Notenblatt des November“, „Nachtkonzert“ und mit „Finkengezwitscher beim Ausbrechen der Knospen“ zu Wort. Von Rainer Maria Rilke hörte man „Natur ist glücklich“, von dem nicht zuletzt durch seine gesellschaftskritischen deutschen Volkslieder bekannt gewordenen Wilhelm Müller „Gefrorne Tränen“ und von Conrad Ferdinand Meyer, dem Schweizer Dichter des Realismus, dessen „Möwenflug“.
Interessant nicht nur in programmatischer Hinsicht, vor allem aber besser hinsichtlich des Vortrags war der musikalische Part des Neujahrskonzerts. Zum Auftakt spielte die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ nicht etwa die Peer-Gynt-Suiten 1 und 2 aus der Schauspielmusik „Peer Gynt“ zum gleichnamigen dramatischen Gedicht von Henrik Ibsen, die zu den bekanntesten Orchesterstücken der romantischen Musik gehören, sondern zwei „Nordische Weisen“ op. 63 Nr. 1 und 2 von Edvard Grieg. „Im Volkston“ ist die Bezeichnung der einen, 1896 erschienenen Komposition, „Bauerntanz“ die der anderen. Behutsam, sensibel gespielt erklang die eine Weise, locker und beschwingt die andere. Aus dem Jahr 1890 stammt die Urfassung von „Crisantemi“, ein Andante-Ausflug des Opernkomponisten Giacomo Puccini in die Instrumentalmusik. Bekannt wurde diese Trauermusik, die jetzt in Mühlacker bedächtig und getragen interpretiert wurde, vor allem durch seine drei Jahre später entstandene Oper „Manon Lescaut“, in der sie im vierten Akt die Sterbeszene der Titelheldin begleitet.
Ein Ausflug ins 18. Jahrhundert war „Der Winter“ op. 8,4 aus dem Zyklus „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi. Im Allegro non molto glaubte man geradezu die klirrende Kälte, den schneidenden Wind und das berstende Eis zu hören. Wohlig war dagegen das Largo („Am Kamin, Regentropfen fallen“). Und im Allegro kamen die „Schritte auf dem Eis“ zum Klingen. In der Interpretation dieser Komposition, bei der Sachiko Kobayashi, die Primgeigerin des „Lotus String Quartet“, als Solistin brillierte, zeigte sich die Meisterschaft des Dirigenten Peter Wallinger.
Wer bislang die Harfe nur als antikes, zuweilen im Orchester eingesetztes Instrument kannte, der wurde eines Besseren belehrt. Schon bei den „Danses pour Harpe et Orchestre“ von Claude Debussy, einer Auftragskomposition des Hauses Pleyel 1904 im Harfenstreit mit dem Konkurrenten Erard, der ein Jahr später Maurice Ravel für eine Komposition gewann, stand die Harfe im Mittelpunkt des Orchesterspiels, als Anne-Sophie Bertrand, Soloharfenistin im Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks, meisterhaft „Danse sacrée“ und „Danse profane“ interpretierte. Die Klangfülle und die mögliche Breite des Ausdrucks der Harfe kam dann erst recht bei ihrem differenzierten, grandiosen Solospiel von Claude Debussys „Jardins sous la pluie“ zur Geltung.
Mit dem „Lied der Lerche“ – dem März – und dem „Walzer“ – dem Dezember – wurden zwei der zwölf Teile aus dem Zyklus „Die Jahreszeiten“ von Pjotr I. Tschaikowski vorgestellt, wobei dann doch noch ein Walzer, der häufig im Mittelpunkt von Neujahrskonzerten steht, in Mühlacker zu Gehör gebracht wurde, bevor es eine überflüssige textliche und eine hörenswerte musikalische Zugabe gab.
Dieter Schnabel
weniger15.01.18, Pforzheimer Zeitung
„MühlackerConcerto“: Kammersinfonie Bietigheim beim Neujahrskonzert
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Im Rahmen der „Winter-Konzertreihe“ im Uhlandbau Mühlacker, bestens etabliert unter dem Namen „MühlackerConcerto“, gab sich einmal mehr die sueddeutsche kammersinfonie bietigheim als „Orchester in Residence“ mit einem ebenso reizvollen Programm wie auch Soloinstrument, der Harfe, ein Stelldichein.
Der Zauber der Natur
Zu dem Neujahrskonzert konnte die renommierte Solistin Anne-Sophie Bertrand gewonnen werden. Sie ist Soloharfenistin beim hessischen Radiosymphonieorchester. Die musikalische Leitung hatte Peter Wallinger inne, als Sprecher der morgendlichen Aufführung fungierte Frank Albrecht.
„Zauber der Natur“ – unter diesem Thema kamen gestern Werke von Vivaldi aus den „Vier Jahreszeiten“, Grieg („Nordische Weisen“) sowie solche Perlen wie Puccinis „Chrysanthemen“, Debussys „Jardins sous la pluie“, Tschaikowskys „Lied der Lerche“ sowie Gedichtvertonungen unter anderem von Rainer Maria Rilke und Henrik Ibsen zur Aufführung.
Legendärer Konzertraum
Der geschichtsträchtige Konzertraum im Herzen Mühlackers, der schon in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts musikalische Größen wie Rudolf Serkin, Fritz Busch und Carl Orff anzog, ist aufgrund seiner beeindruckenden Akustik auch heute noch prädestiniert für Aufführungen in unterschiedlichster Besetzung bis hin zu großer Symphonik.
weniger16.01.18, Bietigheimer Zeitung
Naturgewaltige Musik in der Kelter
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Zauber der Natur“ lautete der Programmtitel des diesjährigen Neujahrskonzerts der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“. Unter der Leitung von Peter Wallinger hörten die Besucher in der Alten Kelter „naturgewaltige“ Musik aus dem Barock bis hin zum Impressionismus. Für die gesprochene Sprache zeichnete der Schauspieler und Sprecher Frank Albrecht verantwortlich, der zwischen den Orchesterwerken mit akzentuierter Stimme Gedichte las.
Den musikalischen Natur-Reigen eröffnete das Kammerorchester mit zwei Stücken aus Edvard Griegs „Nordischen Weisen“. Getragen, melancholisch, fast düster das erste, leichtfüßig daherkommend das zweite präsentierten sich die Musikerinnen und Musiker des von Peter Wallinger gegründeten Projektorchesters gewohnt professionell und äußerst spielfreudig. Die abwechslungsreiche, mal karge, mal üppige landschaftliche Schönheit des Landes hoch im Norden transportierten die Instrumentalisten genauso überzeugend in die Bietigheimer Kelter wie die tiefe Trauer in Giacomos Puccinis „Chrysanthemen“, ein Stück, das der italienische Tonsetzer anlässlich des Todes eines nahen Freundes komponiert hatte. Frank Albrecht gelang es dann in seiner Rezitation von Georg von der Vrings „Notenblatt des November“ mühelos, diese feierliche Stimmung zu wahren.
Höchste Ansprüche
Mit Antonio Vivaldi reiste die sueddeutsche kammersinfonie ins südlicher gelegene Italien: Doch sein Violinkonzert „Der Winter“ aus „Vier Jahreszeiten“, bei dem die langjährige Konzertmeisterin des Orchesters, Sachiko Kobayashi, an der Solovioline brillierte, ist alles andere als ein Lobgesang auf Sommer, Sonne und Meer, sondern eine Hommage an die Kraft der Naturgewalten: Mit ihrem virtuosen Spiel zeichnete Sachiko Kobayashi für die Zuhörer in der Alten Kelter gemeinsam mit dem gesamten Klangkörper die Unbarmherzigkeit des Frostes, die Heftigkeit des Windes und die Sanftheit leise herabfallender Schneeflocken nach.
Als zweite Solistin hatte Peter Wallinger mit Anne-Sophie Bertrand eine preisgekrönte Harfenistin verpflichten können, die neben ihrer Tätigkeit beim hr-Sinfonieorchester in Frankfurt als Gastmusikerin viele Ensembles bereichert. Für das Neujahrskonzert in Bietigheim setzte Peter Wallinger auf Claude Debussys „Danses pour Harpe et Orchestre“ und „Jardins sous la pluie“, zwei Kompositionen, die höchste Ansprüche an die Instrumentalisten stellen. Ganz ins Spiel versunken, kaum einen Blick auf das Notenblatt werfend und mit unendlicher Hingabe an ihr Instrument und an die Musik begeisterte Bertrand die Konzertbesucher in einem solchen Maß, dass sie gleich zwei Zugaben vorwegnahm.
Miriam Staudacher
weniger15.01.18, Marbacher Zeitung
Seelenvolle Musik ergreift Zuhörer
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Murr - Mit innovativen und anregenden Konzert-Programmen hat sich Peter Wallinger, der Dirigent und Gründer der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim, in den vergangenen 30 Jahren einen guten Namen geschaffen und bei den Neujahrskonzerten in Murr immer wieder gefestigt.
Mit „Zauber der Natur“ war das 24. Murrer Neujahrskonzert betitelt, das die Besucher wieder mit jubelndem Beifall quittiert haben. Der Idee, neue Musik vertrauter und vertraute Musik neu erlebbar zu machen, ist das Bietigheimer Ensemble in den 33 Jahren seines Bestehens treu geblieben und hat mit dem Neujahrskonzert 2018 einmal mehr aufgezeigt, wie Musik und Sprache dazu beitragen können, die Welt etwas aufzuhellen.
Das Publikum zeigte sich begeistert und ließ sich gefangen nehmen vom Klangzauber der Musik und von der stillen Wucht poesievoller Kunst der Worte namhafter Dichter wie Henrik Ibsen oder Rainer Maria Rilke. Ob „nordische Weisen“ von Edvard Grieg oder „Chrysanthemen“ von Giacomo Puccini, ob Claude Debussy oder Peter Tschaikowskys „Jahreszeiten“ – es war absolut seelenvolle Musik, von der sich die Zuhörer ergreifen ließen.
Für zwei absolute musikalische Höhepunkte sorgten die Solistinnen Anne-Sophie Bertrand (Harfe) und die Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi (Violine). Schon einmal hat die französisch-amerikanische Harfenistin vor gut fünf Jahren bei einem Konzert in Murr gastiert. Ihre reiche Erfahrung aus großen Konzertsälen der Welt ist unüberhörbar. Dass ihr der Titel „Associate“ von der Royal Academy of Music verliehen wurde – wer möchte das bei ihrem Umgang mit dem königlichen Instrument bestreiten. Dass sie Debussy zu interpretieren weiß – ihr Solo „Jardins sous la pluie“ lässt keine Zweifel offen.
So wurde „der Winter“ aus Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ noch selten interpretiert – so delikat und glasklar, einfach fantastisch. Die Kälte war zu spüren, das träumerische Largo „am Kamin“ zu fühlen, die „Schritte auf dem Eis“ und die streitenden Winde im Allegro-Satz deutlich auszumachen. Besser kann man die Meisterklasse der Interpretation kaum zum Ausdruck bringen. Dirigent, Orchester und Solistin waren einfach grandios – der Beifall verdient.
Was die einzelnen Instrumentalsolisten unter der Leitung von Peter Wallinger an Musizierkunst geleistet haben, verdient höchste Anerkennung. Und so ganz nebenbei vermochte der Wortakrobat Frank Albrecht mit seinen Rezitationen die musikalisch großartigen Darbietungen mit seinen Vers-Jonglagen noch zu verzieren. Wie er „gefrorne Tränen“ oder von der Vrings „Nachtkonzert“ und „Finkengezwitscher beim Aufbrechen der Knospen“ vermittelte – Hut ab!
Der Kulturprisma-Chef Matthias Bader kann mit dem Auftakt seiner Veranstaltungsreihe zufrieden sein. Die Konzertbesucher jedenfalls waren es, wie der Beifall erkennen ließ.
Helmut Schwarz
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