11.12.2021, Ludwigsburger Kreiszeitung
Gedenkkonzert für Uhlandbau mit jüdischen Komponisten
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Mit dem Herbstkonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim stellt Peter Wallinger bereits die fünfte Videoproduktion seines vorzüglichen Ensembles ins Netz
BIETIGHEIM-BISSINGEN/MÜHLACKER. Nachdem bereits das Ende November angesetzte Herbstkonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) im Kronenzentrum den Auswirkungen der vierten Pandemiewelle zum Opfer gefallen ist und abgesagt werden musste, konnte auch der in Mühlacker geplante Auftritt nicht als öffentliche Veranstaltung stattfinden. Auch weil das Programm als Gedenkkonzert zur 100-Jahr-Feier der Einweihung des dortigen Uhlandbaus konzipiert war, hat sich Dirigent Peter Wallinger erneut zu einer Videoaufzeichnung vor einer begrenzten Besucherzahl entschlossen und stellt nun mit „Lieb und Leid und Welt und Traum“ den bereits fünften, kostenfrei abrufbaren Stream seines 1984 gegründeten Ensembles ins Internet (www.sueddeutsche-kammersinfonie.de).
Unmittelbar mit der Geschichte des Uhlandbaus verbunden ist „Le nozze di Figaro“, wurde das Haus doch am 29. Oktober 1921 mit einer Aufführung von Mozarts erster Da-Ponte-Oper in einer Neuinszenierung des Württem- bergischen Landestheaters Stuttgart unter Leitung von Generalmusikdirektor Fritz Busch feierlich eröffnet. Folgerichtig steht die Ouvertüre der 1786 uraufgeführten Oper hier am Beginn des Programmbogens. Mit den ersten Takten stellt sich sofort das Figurentableau aus „Der tolle Tag“, so der Titel der zugrundeliegenden Komödie von Beaumarchais, vor dem inneren Auge ein und erinnert an die Tatsache, dass der Uhlandbau mit einer seinerzeit hochmodernen Bühnentechnik inklusive eines versenkbaren Orchesterraums einst als „württembergisches Bayreuth“ galt. Statt im Graben sitzen die Musikerinnen und Musiker des in 31-köpfiger Besetzung angetretenen Orchesters nun ebenerdig vor der Bühne, wo sonst die Parkettbestuhlung begänne. Wallinger fügt dem Presto den im Druck zumeist unterschlagenen Zusatz „ma non tanto“ (aber nicht zu sehr) hinzu, arbeitet die dynamischen Kontraste heraus und betont den tänzerischen Charakter der Partitur, quirlig jubilieren die von Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi angeführten Streicher, exquisit artikuliert das aufreizende Kichern der Traversflöten, herzhaft das Lachen der Bläser. Eine Apotheose der Lebensfreude als Auftakt, in Wallingers so präziser wie klangsinnlicher Interpretation wie aus einem Guss musiziert.
Zwischen den von Theresa Mammel mit drei Kameras eingefangenen Perspektiven des Orchesters zeigt der von Rafael Wallinger produzierte Videostream Schnittbilder von leeren Reihen und nächtlichen Außenaufnahmen des Uhlandbaus. Gestiftet von der kunstsinnigen jüdischen Familie Alfred und Laura Emrich, entwickelte sich das in der Rekordzeit von 99 Tagen errichtete Gebäude im ersten Jahrzehnt seines Bestehens zu einem weit über die Grenzen Mühlackers hinausstrahlenden Zentrum des Musiklebens, mit dem sich Namen wie Carl Orff, Rudolf Serkin oder Walter Gieseking verbinden.
Schwerelos intoniert
Die jähe Zäsur kam 1934 mit der Enteignung durch die Nationalsozialisten. An diese dunkle Epoche erinnert das Gedenkkonzert mit Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy und Gustav Mahler. Für drei von dessen Rückert-Liedern tritt die Münchner Mezzosopranistin Maria Rebekka Stöhr hinzu: Während sie „Ich atmet’ einen linden Duft“ und „Liebst du um Schönheit“ wundervoll schwerelos intoniert, ist ihr „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ von erschütternder Eindringlichkeit. Dass sie den bereits vor einem Jahr geplanten Auftritt aufgrund einer Chemotherapie absagen musste und nun, nach der kurzfristigen Absage von Annelie Sophie Müller, zu ihrer eigenen Einspringerin wurde, erfährt man im kurzen Interview.
Ungeheuer präsent und zugespitzt dann die Wiedergabe der Konzert-Ouvertüre (Op. 21) von Mendelssohn Bartholdy zu „Ein Sommernachtstraum“. Lediglich das folgende Intermezzo (Op. 61 Nr. 5) kommt für ein Allegro appassionato in Sachen Binnenspannung ein wenig zu kurz.
Autor: Harry Schmidt
weniger01.12.2021, Pforzheimer Zeitung
Gedenkkonzert 100 Jahre Uhlandbau Mühlacker: Auf Abstand und online zu sehen
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Peter Wallingers Kammersinfonie und Maria Rebekka Stöhr mit Mahlers „Rückert-Liedern“
Mühlacker. Die Orchester-Lieder Gustav Mahlers bleiben ein Geheimnis an Traum und Entrücktheit, ein romantischer Gang nach Innen. Beim Konzert mit Peter Wallingers sueddeutscher kammersinfonie bietigheim im Mühlacker Uhlandbau, das als "Gedenkkonzert zum 100. Jubiläum" des Hauses konzipiert worden war und – wieder einmal wegen Corona – nur als Videoaufzeichnung stattfinden konnte, erlebte eine begrenzte Besucherzahl Mahler und seine Rückert-Lieder in intensiven Musik-Momenten.
Was der Dichter Friedrich Rückert in und mit seinen gefühligen Versen empfunden haben mag, verwandelten die Mühlacker Interpreten, das von Wallinger geleitete Orchester und die Mezzosopranistin Maria Rebekka Stöhr in verzaubernde Liedmusik. Mit gewissermaßen verschleierter Stimme tastete sich die Sängerin in die intimen lyrischen Texte und magischen Wort-Ton-Verbindungen hinein. Das Instrumental-Ensemble versuchte mit sorgfältiger Phrasierung und klangvoller Orchestersprache, zum Kern jeden Liedes vorzudringen, und trug zur Ausdrucksvertiefung bei.
Unerhört zart, gleichsam schwerelos luftig und fast ein wenig zaghaft interpretierte Stöhr mit ihrem klangschön verhangenen Timbre das Lied "Ich atmet' einen linden Duft!", indem sie die Tonschleifen über gedämpften Violinen mit fein gezeichneten Bögen zelebrierte.
In der intim-dunklen Liedkomposition "Ich bin der Welt abhanden gekommen" ergänzten wunderschöne Melodielinien solistisch eingesetzter Instrumente – vor allem das Englischhorn und silbrig glitzernder Harfen-Rausch – den Gesang. Der erinnerte "besinnlich sinnend" an Kundrys Geisterstimme in Richard Wagners "Parsifal". Ergreifend wirkte das – von Mahler für seine Frau Alma komponierte – Liebeslied "Liebst du um Schönheit", dessen betonte Schlusszeile "Dich lieb' ich immerdar" die Mezzosopranistin in lyrischem Melos ausschwingen ließ.
Kompositionen aus dem Repertoire populärer Klassik umrahmten die Mahler-Lieder. Selten hört man die Ouvertüre zu Mozarts "Die Hochzeit des Figaro" so schwungvoll wiedergegeben, wie an diesem Abend. Die Kammersinfonie spielte nicht wie sonst auf der Uhlandbau-Bühne, sondern im Publikums-Saal, der mehr Platz für die in Abständen platzierten Instrumentalisten und die Videoaufnahmetechnik bot, aber auch akustisch eine voluminöse Klangentfaltung unterstützte. Die abschließend musizierten Kompositionen von Mendelssohn Bartholdy, Stücke aus seinem "Sommernachtstraum", bestätigten diesen Eindruck.
Das knapp einstündige Konzert wird ab 4. Dezember im Internet auf www.sueddeutsche-kammersinfonie.de oder auf www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto zu sehen sein.
Autor: Eckehard Uhlig
weniger26.11.2021, Mühlacker Tagblatt
Corona wirbelt alle Pläne durcheinander
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Peter Wallinger und die Musiker der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ müssen kurzfristig umdisponieren. Konzertmacher gibt nicht auf und sucht immer wieder neue Wege. Engagement stößt bei Künstlern und dem Publikum auf Zuspruch.
Mühlacker. Eigentlich wollten die Musiker der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ unter ihrem Dirigenten und Leiter Peter Wallinger am Wochenende zwei Konzerte geben: am Samstagabend in Bietigheim und am Sonntag im Uhlandbau in Mühlacker. Ersteres wurde abgesagt, das zweite musste kurzfristig in eine Aufzeichnung umgewandelt werden, die ab dem zweiten Adventswochenende im Internet zu erleben sein soll.
„In meiner mehr als 40-jährigen Laufbahn gab es noch nie so viel Bewegung wie in den letzten Monaten, Wochen, Tagen, ja Stunden“, räumte Wallinger gegenüber unserer Redaktion ein. Erst sei die Absage aus Bietigheim gekommen, dann hatte man sich dazu entschlossen, auch das Konzert in Mühlacker nicht öffentlich, sondern in Form der Aufzeichnung stattfinden zu lassen. „Es hatte sich eine Verschärfung der Lage abgezeichnet, und vom Landrat kam der dringende Rat, keine größeren Veranstaltungen durchzuführen.“ Verboten seien solche Veranstaltungen zwar nicht gewesen, betont Wallinger, zumal wenn sie unter 2-G-Bedingungen stattfinden, „aber man hat schon seine Bedenken.“ Innerhalb kürzester Zeit mussten Wallinger und sein Team also eine Videoproduktion samt Tonmeister finden. Zugleich war klar, dass das Orchester während der Aufzeichnung nicht auf der Bühne, sondern im Saal spielen musste, damit die Mindestabstände gewahrt bleiben. „Ein dichtes Gedränge auf der Bühne und ohne Maske wäre zu riskant gewesen“, so Wallinger.
Am Dienstag vor dem Konzert kam dann die nächste Hiobsbotschaft: Die eigentlich eingeplante Solistin aus Berlin musste aufgrund einer schweren Erkältung absagen. Nun stand plötzlich auch die Aufzeichnung auf der Kippe. Trotzdem haben die Organisatoren nach einem Ersatz gesucht; keine leichte Aufgabe, weiß Wallinger. „Es ist ein sehr anspruchsvoller Part“. Fündig geworden sind sie in München bei Maria Rebekka Stöhr, die zwar auch gesundheitlich leicht angeschlagen war, aber das Zeichen gab: Sie wagt es. Das Programm musste allerdings kurzfristig geändert werden, weil für die Mezzosopranistin zu wenig Zeit blieb, die eigentlich geplanten „Lieder eines fahrenden Gesellen“ von Gustav Mahler einzustudieren. Sie schlug stattdessen drei andere Lieder von Mahler vor.
Nun war es an Wallinger und seinen Mitstreitern, schnellstmöglich die Noten dafür zu organisieren und diese mit der Kammersinfonie einzustudieren. Das ist offenkundig gelungen. Bei der Aufzeichnung am Sonntag war von der Hektik im Vorfeld jedenfalls nichts mehr zu spüren. Souverän meisterten Solistin und Orchester diesen Part.
Dabei war Wallinger dienstags zuvor schon fast so weit gewesen, einfach alles abzusagen. „Ich habe erst einmal tief Luft geholt und überlegt, was wir machen.“ Seine Grundhaltung, die ihn in Pandemiezeiten auch schon bei den Konzerten in Lienzingen ausgezeichnet hat, möglichst alle Veranstaltungen durchzubekommen und nicht aufzugeben – trotz aller Widrigkeiten –, hat hier ebenso geholfen, wie der Umstand, dass Mezzosopranistin Maria Rebekka Stöhr kurzfristig eingesprungen ist.
„Es ist total wichtig, dass man die Musikkultur aufrechterhält und nicht zu schnell aufgibt“, betont Wallinger, auch wenn er weiß, dass es dafür ein enormes Durchhaltevermögen braucht. „Das geht ja jetzt schon fast zwei Jahre so.“ Bei Publikum und Musikern stößt sein Engagement deshalb auf Zuspruch: Gerade die Musiker seien froh, wenn sie spielen können – besonders die Freischaffenden, die natürlich von solchen Engagements leben. Trotzdem hat Wallinger auch hier improvisieren müssen. Einige seiner Musiker spielen nämlich in großen Orchestern, in Stuttgart und Karlsruhe. „Sie haben vor etwa zehn Tagen ein Programm reingedrückt gekriegt und mussten an dem Wochenende spielen.“ Für Solohorn und Soloklarinette musste Wallinger daher ebenfalls Ersatz besorgen. Auch das ist ihm gelungen.
Davon haben sich nicht nur die 50 Besucher überzeugen können, die bei der Aufzeichnung dabei sein durften; davon wird man auch im Stream einen guten Eindruck bekommen, gleichwohl er natürlich nur bedingt die Atmosphäre eines Konzertsaals abbilden kann. Wahrscheinlich wird man sich vorerst aber wieder daran gewöhnen müssen, befürchtet Wallinger. Möglicherweise wird nämlich auch das Neujahrskonzert nur als Aufzeichnung stattfinden können. So wie es bei diesem Konzert der Fall war, das ab dem 4. Dezember auf den Webseiten www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto / bzw. www.sueddeutsche-kammersinfonie.de abrufbar ist.
Autor: Stefan Friedrich
weniger14.07.2021, Ludwigsburger Kreiszeitung
Jenseits des Klangrepertoires
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Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim spielt in der Lienzinger Frauenkirche
LIENZINGEN. Auch unter Pandemiebedingungen lässt Peter Wallinger nicht locker. Die Advents-, Neujahrs- und Frühjahrskonzerte hatte der Maulbronner Dirigent noch als Videoaufzeichnungen produziert und kostenfrei ins Netz gestellt, die traditionelle „Sommerliche Serenade“ seiner Konzertreihe „Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche ist für seine Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim (SKB) nun der erste Auftritt vor Publikum seit langer Zeit. Einmal am Samstagabend, einmal am Sonntagvormittag gespielt, jeweils ausverkauft vor 110 Besuchern, erklingt in einem flirrenden, sommerlich leichten Programmbogen sogar eine Uraufführung: Mit „L’Oiseau bleu“ für Harfe und Streicher (op. 89) kommt ein neues Werk des britisch- französisch-israelischen Komponisten Nimrod Borenstein erstmals zu Gehör. Gewidmet der Harfenistin Anne-Sophie Bertrand, sollte das höchst filigrane Stück für Soloharfe und Streichorchester ursprünglich im vergangenen Jahr in Cardiff uraufgeführt werden. Nachdem dies pandemiebedingt nicht stattfinden konnte, ging die Soloharfenistin des hr Symphonieorchesters Frankfurt mit der Idee, die Weltpremiere mit den Streichern der SKB zu realisieren, auf Wallinger zu, mit dem sie eine langjährige Zusammenarbeit verbindet. Die Vertrautheit zahlt sich aus: In de Überlagerung verschiedener Rhythmen angelegt, birgt „L’Oiseau bleu“ einige Herausforderungen für die Musiker, reiht unterschiedliche Bilder vom Walzer über Märchenhaftes bis zu dramatischen Episoden – durchaus in einem neoimpressionistischen Sinn –, geht in manchem aber über seinen klassizistischen Ansatz hinaus und führt die Harfe punktuell auch in Bereiche jenseits des im Instrument angelegten Klangrepertoires der Akkordbrechungen, Glissandi und Triller – Echowirkungen sind da nur eine Möglichkeit.
Geschmeidig und elegant, zuweilen aber auch fulminant und teilweise glashart greift Bertrand in die Saiten, frappierend schließlich die nahezu akrobatische Klimax der metrisch zunehmend vertrackteren Komposition. Verdient der begeisterte Applaus des dankbaren, auf Abstand gesetzten Publikums – für die fabelhafte Solistin, die grandios aufmerksame und präzise SKB und wohl auch für den nicht anwesenden Komponisten.
Mit Joaquin Turinas „La Oración del Torero“ (Das Gebet des Toreros, 1925 entstanden) und Claude Debussys „Danse sacrée et Danse profane“ (1904) hat Wallinger diese Sternstunde mit einem passenden Rahmen versehen, für den der Impressionismus den roten Faden bildet. In Pablo Casals’ „El cant dels Ocells“ (Der Gesang der Vögel) ist Chihiro Saito eine wunderbare Solistin. Versöhnlich und hoffnungsfroh der Ausklang mit Edward Elgars „Serenade emoll“ (op. 20), Wallingers Körper mal pulsierendes Zentrum, mal feinste Nuancen abmessend, aber stets mit jeder Faser Musik.
INFO: Eine Videoaufzeichnung der „Sommerlichen Serenade“ wird in wenigen Tagen unter
www.sueddeutsche-kammersinfonie.de und www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto abrufbar sein.
Autor: Harry Schmidt
weniger13.07.2021, Pforzheimer Zeitung
Die etwas anderen Seiten der Harfe
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Komposition „L’Oiseau bleu“ beim Festival „Musikalischer Sommer“ uraufgeführt.
Mühlacker-Lienzingen. Mit „L’Oiseau bleu“ für Harfe und Streicher (op. 89) kommt bei Peter Wallingers Konzertreihe „Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche ein neues Werk des britisch-französisch-israelischen Komponisten Nimrod Borenstein erstmals zu Gehör. Gewidmet der Harfenistin Anne-Sophie Bertrand, sollte das höchst filigrane Stück für Soloharfe und Streichorchester ursprünglich im vergangenen Jahr in Cardiff uraufgeführt werden. Nachdem dies pandemiebedingt nicht stattfinden konnte, ging die Soloharfenistin des hr-Symphonieorchesters Frankfurt mit der Idee, die Weltpremiere mit den Streichern der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim zu realisieren, auf Wallinger zu, mit dem sie eine langjährige Zusammenarbeit verbindet.
Die Vertrautheit zahlt sich aus: In der Überlagerung verschiedener Rhythmen polyrhythmisch angelegt, birgt „L’Oiseau bleu“ einige Herausforderungen für die Musiker, reiht unterschiedliche Bilder vom Walzer über Märchenhaftes bis zu dramatischen Episoden – durchaus in einem neo-impressionistischen Sinn, geht in manchem aber über seinen klassizistischen Ansatz hinaus und führt die Harfe punktuell in Bereiche jenseits des im Instrument angelegten Klangrepertoires der Akkordbrechungen, Glissandi und Triller.
Geschmeidig und elegant, zuweilen aber auch fulminant und teilweise glashart greift Bertrand in die Saiten, frappierend schließlich die nahezu akrobatische Klimax der metrisch zunehmend vertrackteren Komposition. Verdient der begeisterte Applaus des dankbaren, auf Abstand gesetzten Publikums – für die fabelhafte Solistin, das aufmerksame und präzise Orchester, und wohl auch für den nicht anwesenden Komponisten. Mit Joaquin Turinas „La Oración del Torero“ (Das Gebet des Toreros, 1925 entstanden) und Claude Debussys „Danse sacrée et Danse profane“ (1904) hat Wallinger diese Sternstunde mit einem passenden Rahmen versehen, für den der Impressionismus den roten Faden bildet. In Pablo Casals’ „El cant dels Ocells“ (Der Gesang der Vögel) ist Chihiro Saito eine wunderbare Solistin. Versöhnlich und hoffnungsfroh der Ausklang mit Edward Elgars „Serenade e-Moll“ (op. 20).
Autor: Harry Schmidt
weniger14.07.2021, Mühlacker Tagblatt
Akkorde schweben durch den Raum
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Mit einer Weltpremiere wartet der „Musikalische Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche auf. Dort erklingt erstmals öffentlich das Konzert für Harfe und Orchester „L’Oiseau bleu – Der blaue Vogel“. Das Publikum feiert die Musiker.
Mühlacker-Lienzingen. Nach dem erfolgreichen Auftakt mit zwei Auftritten im Juni fand nun das Festival „Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche seine Fortsetzung. Unter Leitung von Peter Wallinger musizierte die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim in kleiner Besetzung. Geboten wurde eine „Sommerliche Serenade“ mit Werken von europäischen Komponisten der Spätromantik bis hin in die Gegenwart mit „neuer“ Musik.
Spanisch begann diese außergewöhnliche Konzertstunde mit „La oracion del torero – Gebet des Toreros“ des in Sevilla geborenen Komponisten Joaquin Turina. Kernpunkt seines Schaffens waren die Sitten und Gebräuche seiner Heimat Andalusien, darunter als unverzichtbare Komponente der Stierkampf. Laut Überlieferung habe ihn die Beobachtung eines betenden Toreros vor Kampfbeginn inspiriert, dessen emotionale Empfindungen in Noten festzuhalten. Eine Herausforderung für die Musiker, mit fein-transparentem Bogenstrich diesen Gefühlen nachzuspüren. Fast geheimnisvoll die ersten Takte, nach tänzerischen Anklängen ein dramatischer Ausbruch, der wohl den Höhepunkt des Kampfes erfasst, ehe in ruhig dahinfließenden Klangbildern das eigentliche Gebet angestimmt wird. Mit stillem Ausklang hat der Torero Kraft und Frieden gefunden. Unter der subtilen Stabführung ihres Dirigenten gelang es dem Ensemble, die Intentionen des Komponisten nachhaltig umzusetzen. Das Publikum war begeistert.
Sind sonst Uraufführungen von Werken bedeutender Komponisten das Privileg großer Konzerthäuser wie der Royal Festival Hall in London, der Tonhalle in Zürich oder der Carnegie Hall in New York, so fand am Samstag eine solche Weltpremiere in der kleinen Frauenkirche statt. Der britisch-französisch-israelische Komponist Nimrod Borenstein, Jahrgang 1969, hat sein Konzert für Harfe und Orchester „L’Oiseau bleu – Der blaue Vogel“ der renommierten und international mit höchsten Preisen ausgezeichneten Harfenistin Anne-Sophie Bertrand gewidmet. Corona-bedingt musste die bereits für Juli 2020 in Cardiff geplante Uraufführung ausfallen und wurde nun der Kammersinfonie anvertraut. „Ich wollte ein Stück schreiben, in dem die Harfe lyrisch, ja magisch klingt – so wie man sich eigentlich Feenmusik vorstellen würde“, schreibt der Komponist über sein Werk. Wallinger klassifizierte den blauen Vogel als ein interessantes, höchst filigranes Werk. Eingestimmt mit zartem Zupfen, dann mit hellem Harfenklang startet der Vogel zu seinen Höhenflügen, ruft keck, macht Rast und meldet sich erneut mit zwitscherndem Harfenklang – der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Ob nun der Hauch von schwebenden Feen zu spüren war, mag jeder Zuhörer für sich entscheiden. Perlenden Harfenklängen begegneten die Streicher doch recht prägnant. Jedoch der Schluss beglückte: Ganz zart und behutsam vom pizzicato des Kontrabasses getragen, schien nun ein unbestimmtes Etwas, eingehüllt in leise verklingende Harfenakkorde, durch den Raum zu schweben.
Als Solistin war Anne Sophie Bertrand noch mit den „Danse sacrée et Dance profane“ von Claude Debussy zu hören. Tosend der Beifall, das Publikum ließ sie nicht gehen. Zwei Zugaben machten das Glück vollkommen. Denn ihre Wiedergabe der „Lerche“ des russischen Komponisten Michail Glinkas und von „La source – die Quelle“ des belgischen Komponisten Alphonse Hasselmans übertrafen alles, was die Solistin an diesem Abend bisher geboten hatte – und das war bereits tief beeindruckend gewesen. Die ganze Palette menschlicher Gefühle, aber auch Irrungen und Wirrungen, schloss die Solistin in ihr Spiel ein. Die Gesichter der Zuhörer glichen Stimmungsbildern, als sie zum Beispiel die Quelle so munter dahin sprudeln ließ.
Die Musiker der Kammersinfonie folgten mit großer Spielfreude dem stets einfühlsamen Dirigat Peter Wallingers. Der Kirchenraum füllte sich mit singendem Celloklang, als die Solocellistin der Kammersinfonie Chihiro Saito von Pablo Casals das „El Cant dels Ocells – Gesang der Vögel“ anstimmte, getragen von der in allen Passagen behutsamen Begleitung des Ensembles.
Am Schluss des so facettenreichen Konzertprogramms präsentierte sich die Kammersinfonie noch einmal in voller Klangpracht mit der Serenade für Streichorchester opus 20 des englischen Komponisten Edward Elgar. Auch die Orchestermusiker wurden mit Beifall überschüttet, viele Worte aufrichtigen Dankes fielen. Noch einmal griffen die Musiker zu ihren Instrumenten. Bis zum letzten Ton genossen die Zuschauer die Elgar-Zugabe, ehe sie glücklich und zufrieden hinaus in den lauen Sommerabend gingen. Um der Nachfrage zu genügen, wurde das Konzert am Sonntagvormittag wiederholt.
Autorin: Eva Filitz
weniger13.07.2021, Vaihinger Kreiszeitung
Eine Weltpremiere in der Lienzinger Frauenkirche
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Die Reihe „Musikalischer Sommer“ hatte am Samstagabend etwas ganz Besonderes zu bieten: Die Sueddeutsche Kammersinfonie Bietigheim durfte das der Harfenistin
Anne-Sophie Bertrand gewidmete Konzert „L’Oiseau bleu“ des zeitgenössischen Komponisten Nimrod Borenstein der Öffentlichkeit präsentieren.
LIENZINGEN. Nach dem erfolgreichen Auftakt mit zwei Auftritten im Juni fand am vergangenen Wochenende das Festival „Musikalischer Sommer“ wie geplant in der Lienzinger Frauenkirche seine Fortsetzung. Unter Leitung von Peter Wallinger musizierte die Sueddeutsche Kammersinfonie Bietigheim in kleiner Besetzung mit drei ersten und zwei zweiten Violinen, zwei Violen, zwei Violoncelli und einem Kontrabass. Geboten wurde eine „Sommerliche Serenade“ mit Werken von europäischen Komponisten der Spätromantik bis hin in die Gegenwart mit „neuer“ Musik. Die Namen waren teils unbekannt. Doch die Neugier war offensichtlich geweckt, wie die voll besetzten Kirchenbänke bewiesen. Zudem war eine international berühmte Solistin angekündigt. Eine goldglänzende Harfe inmitten der zehn Pulte zog die Blicke auf sich und sorgte für gespannte Erwartung. Spanisch begann dies außergewöhnliche Konzertstunde mit „La oracion del torero – Gebet des Toreros“ des in Sevilla geborenen
Komponisten Joaquin Turina (1882-1949). Kernpunkt seines Schaffens waren die Sitten und Gebräuche seiner Heimat Andalusien, darunter als unverzichtbare Komponente der Stierkampf. Laut Überlieferung hat ihn die Beobachtung eines betenden Toreros vor Kampfbeginn inspiriert, dessen emotionale Empfindungen in Noten festzuhalten.
Eine Herausforderung für die Musiker, mit feinem transparenten Bogenstrich diesen Gefühlen nachzuspüren und sie dem Zuhörer nachvollziehbar zu Gehör zu bringen. Fast geheimnisvoll die ersten Takte, nach tänzerischen Anklängen ein dramatischer Ausbruch, der wohl den Höhepunkt des Kampfes erfasst, ehe in ruhig dahinfließenden Klangbildern das eigentliche Gebet angestimmt wird. Kurz wiederholen sich zum Schluss einige der tänzerischen Momente. Mit stillem Ausklang hat der Torero Kraft und seien Frieden gefunden. Unter der subtilen Stabführung ihres Dirigenten gelang es dem Ensemble, die Intentionen des Komponisten nachhaltig umzusetzen. Das Publikum war begeistert über diesen vielversprechenden Auftakt.
Und schon war der Höhepunkt des Abends gekommen. Sind sonst Uraufführungen von Werken bedeutender Komponisten das Privileg großer Konzerthäuser wie der Royal Festival Hall in London, der Tonhalle in Zürich oder der Carnegie Hall in New York, so fand am Samstag eine solche Weltpremiere in der kleinen Frauenkirche statt. Der britisch-französisch-israelische Komponist Nimrod Borenstein, Jahrgang 1969, hat sein Konzert für Harfe und Orchester „L’Oiseau bleu – Der blaue Vogel“ der renommierten und international mit höchsten Preisen ausgezeichneten Harfenistin Anne-Sophie Bertrand gewidmet. Coronabedingt musste die bereits für Juli 2020 in Cardiff geplante Uraufführung ausfallen und wurde nun der Kammersinfonie anvertraut. Betrand war in Lienzingen keine Unbekannte. Die Zusammenarbeit mit ihr begann bereits im Januar 2012. Nach den bisherigen Aufführungen klassischer Kompositionen für Harfe nun also eine zeitgenössische Borenstein-Komposition. „Ich wollte ein Stück schreiben, in dem die Harfe lyrisch, ja magisch klingt – so wie man sich eigentlich Feenmusik vorstellen würde“, schreibt der Komponist über sein Werk. Eine Vielzahl unterschiedlicher Atmosphären wolle er schaffen, bestimmte Charakteristiken hervorheben, verschiedene Stimmungsbilder aufbauen und mit Kontrasten wesentliche Aspekte zwischen Musik und Kunst aufzeigen.
Wallinger klassifizierte den blauen Vogel als ein interessantes, höchst filigranes Werk. Eingestimmt mit zarten pizzicati, dann mit hellem Harfenklang startet der Vogel zu seinen Höhenflügen, ruft mit keckem Ton, macht Rast, und meldet sich erneut mit zwitscherndem Harfenklang – der Fantasie waren scheinbar keine Grenzen gesetzt. Ob nun der Hauch von schwebenden Feen zu spüren war, mag jeder Zuhörer für sich entscheiden. Perlenden Harfenklängen begegneten die Streicher doch recht prägnant. Jedoch der Schluss beglückte. Ganz zart und behutsam vom pizzicato des Kontrabasses getragen, schien nun doch ein unbestimmtes Etwas, eingehüllt in leise verklingende Harfenakkorde, durch den Raum zu schweben.
Als Solistin war Anne-Sophie Bertrand noch mit den „Danse sacrée et Dance profane“ von Claude Debussy (1862-1918) zu hören. Hierbei galt es für Harfe und Streicher transparent zu differenzieren zwischen der fast geheimnisvoll klingenden strengen geistlichen Aura und dem lebhaften, eher weltlichen, mit schwingenden Walzerklang untermalten städtischen Gehabe. Tosend der Beifall, als Bertrand sich nun verabschieden wollte. Doch das Publikum ließ sie nicht gehen, die Begeisterung und der Beifall waren riesengroß.
Was geschah? Nicht nur eine, sondern zwei Zugaben gab die Harfenistin. Denn ihre Wiedergabe „Die Lerche“ des russischen Komponisten Michail Glinkas und „La source – die Quelle“, die berühmteste Komposition des belgischen Komponisten Alphonse Hasselmans, übertraf alles, was die Solistin an diesem Abend bisher geboten hatte – und das war bereits tief beeindruckend gewesen. Es ist müßig, Einzelheiten ihrer Interpretationen noch hervorzuheben – sie waren tief berührend, aber auch erheiternd. Die ganze Palette menschlicher Gefühle, aber auch Irrungen und Wirrungen, schloss die Solistin in ihr Spiel ein. Die Gesichter der Zuhörer glichen Stimmungsbildern, als sie zum Beispiel die Quelle so munter dahin sprudeln ließ.
Vergessen werden darf nicht das harmonische Zusammenspiel mit allen Musikern der Kammersinfonie, die mit großer Spielfreude dem stets einfühlsamen Dirigat Wallingers folgten. Der Kirchenraumfüllte sich mit singendem Celloklang, als die Solocellistin der Kammersinfonie, Chihiro Saito, von Pablo Casals das „El Cant dels Ocells – Gesang der Vögel“ anstimmte, getragen von der in allen Passagen behutsamen Begleitung des Ensembles. Immerhin galt es 32 Vogelstimmen erkenntlich zu intonieren. Am Schluss des so facettenreichen Konzertprogramms präsentierte sich die Kammersinfonie noch einmal in voller Klangpracht mit der Serenade für Streichorchester op. 20 des englischen Komponisten Edward Elgar (1857-1934). Ernste Töne im ersten Satz glitten in Elegie im zweiten hinüber, ehe der dritte mit einem Allegretto heiter ausklang. Auch die Musiker der Kammersinfonie wurden mit Beifall überschüttet, viele Worte aufrichtigen Dankes fielen. Noch einmal griffen die Musiker zu ihren Instrumenten. Bis zum letzten Ton genossen die Zuschauer die Elgar-Zugabe, ehe sie glücklich und zufrieden hinaus in den lauen Sommerabend gingen.
Um der Nachfrage zu genügen, wurde das Konzert am Sonntagvormittag wiederholt.
Autorin: Eva Filitz
weniger10.07.2021, Ludwigsburger Kreiszeitung
Flirrend-bunter Bilderreigen in der Frauenkirche Lienzingen
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Mit einer Weltpremiere gastieren die Harfenistin Anne-Sophie Bertrand und die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim in Lienzingen.
Bietigheim-Bissingen. „Es ist alles dreimal so viel Arbeit, aber wir lassen nicht locker“, sagt Peter Wallinger. „Daten der Besucher wollen erfasst, Hygienekonzepte erstellt und Abstandsregelungen umgesetzt werden – das ist schon ein Riesenaufwand“, so der Dirigent der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB). „Aber wir verzeichnen auch eine riesengroße Nachfrage.“
Bereits im Juni gastierten das Marimba-Duo Katarzyna Mycka und Conrado Moya, das Lotus String Quartet und Gaby Pas-Van Riet, die ehemalige Soloflötistin des RSO Stuttgart, bei seiner Konzertreihe „Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche – das Eröffnungskonzert konnte erst am Vortag genehmigt, musste aufgrund der reduzierten Platzkontingente dann aber zweimal gespielt werden, um allen Kartenwünschen nachkommen zu können. Auch der nach wie vor rege Zuspruch, den die kostenfrei abrufbaren Videoaufzeichnungen der SKB erfahren, sowie die anhaltende Unterstützung durch private Spendenzuwendungen stimmen Wallinger zuversichtlich. Von staatlichen Förderprogrammen habe die SKB, trotz einiger Bemühungen, hingegen nicht profitieren können. Umso erfreulicher, dass Wallinger auch am Format der „Sommerlichen Serenade“ festhält, die als nächste Episode des „Musikalischen Sommers“ heute Abend und morgen Vormittag in der Frauenkirche ansteht. Dass das Konzert nicht wie in den Jahren zuvor auch in Sachsenheim gegeben wird, liege indes daran, dass die Stadt alle Veranstaltungen im ersten Halbjahr frühzeitig abgesagt habe, erklärt Wallinger. Dabei handelt es sich bei der diesjährigen Serenade um ein besonders „ambitioniertes Vorhaben“ (Wallinger): Mit „L’Oiseau bleu“ für Harfe und Streicher (op.89) kommt ein neues Werk des britisch-französisch-israelischen Komponisten Nimrod Borenstein erstmals zu Gehör. Gewidmet der Harfenistin Anne-Sophie Bertrand, sollte das „höchst filigrane Werk“ ursprünglich im vergangenen Jahr bei einem Festival in Cardiff uraufgeführt werden. Nachdem dies pandemiebedingt nicht stattfinden konnte, ging die Soloharfenistin des hr-Symphonieorchesters Frankfurt mit der Idee, die Weltpremiere mit den Streichern der SKB zu realisieren, auf Wallinger zu, mit dem sie eine langjährige Zusammenarbeit verbindet. Auf die Empfehlung Bertrands hin kam es zum persönlichen Kontakt zu Borenstein – letzte Woche sei man in einer intensiven Videokonferenz die Partitur zusammen durchgegangen, erzählt Wallinger. In der Überlagerung verschiedener Rhythmen polyrhythmisch angelegt, berge „L’Oiseau bleu“ einige Herausforderungen für die Musiker.
Zudem gefalle ihm, dass es „nicht abstrakt“ ist, sondern unterschiedliche Bilder – Walzer, Märchenhaftes, Dramatisches – abruft. Umgekehrt handle es sich aber auch nicht um Programmmusik: „Da hört man keinen blauen Vogel flattern“ – der Name sei erst nachträglich entstanden: eine Impression. Von dort aus ergab sich ein Bezug zu Claude Debussy („Danse sacrée et Danse profane“) einerseits, zu Pablo Casals’ „El cant dels Ocells“ (Der Gesang der Vögel) andererseits. Umgeben von einer Klammer aus Joaquin Turinas „La Oración del Torero“ und Edward Elgars „Serenade e-moll“ (op. 20), soll ein „flirrender, bunter“ Programmbogen entstehen, ein Bilderreigen gewissermaßen, der „die Leichtigkeit des Seins“ feiert, verspricht Wallinger.
Info: Sommerliche Serenade der SKB mit Anne-Sophie Bertrand heute (19 Uhr) und morgen (11 Uhr) in der Frauenkirche Lienzingen. Vorbestellungen sind unter Telefon (07043)958393 und per E-Mail unter susanne@boekenheide.net möglich. Eine Impf- oder Testnachweispflicht besteht nicht.
Autor: Harry Schmidt
weniger17.03.2021, Ludwigsburger Kreiszeitung
Mysteriöses trifft Populäres
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Die dritte Videoproduktion der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim
Bietigheim-Bissingen. Nachdemschon das Advents- und Neujahrskonzert pandemiebedingt ausschließlich im Internet verfolgt werden konnten, legt Peter Wallinger mit dem Frühjahrskonzert bereits die dritte Videoproduktion seiner 1984 gegründeten Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) vor. Aufgezeichnet am 12. März in der historischen Kelter Bietigheim, führt der Programmbogen vom Barock bis in die Neuzeit.
Wenig ist bekannt über Vivaldis Violinkonzert in e-Moll (RV 278): Zu Lebzeiten unveröffentlicht, steht es auch heute noch im Schatten seiner populäreren Werke. Zu Unrecht, wie Wallinger mit der SKB und dem niederländischen Solisten Tjeerd Top hier aufzeigt: Wann hat man je einen kontrastreicheren Kopfsatz gehört als dieses Allegro molto? Und wann ein mysteriöseres Largo?
Vieles ist ungewöhnlich an diesem Konzert: Obwohl es dem Solisten einiges an Virtuosität abverlangt, gibt es ihm nie Gelegenheit, im Sinne einer echten Klimax zu triumphieren. Stattdessen schleichen sich immer wieder leise Dissonanzen ein. Wie stenografische Kürzel wirken die Kantilenen des abschließenden Allegro. Fulminant, wie Top, Konzertmeister beim Amsterdamer Concertgebouw-Orchester, dieses Enigma von einem Violinkonzert mit seiner Stradivari von 1713 gestaltet.
Ungemein populär dagegen: Samuel Barbers „Adagio for Strings“ (aus Op. 11). Wallinger nutzt die Gelegenheit, die Intonationsqualitäten seines Ensembles in Reinkultur zu entfalten.
In Mierczyslaw Weinbergs Concertino für Violine und Orchester (Op. 42) brilliert wiederum Top als Solist: In seiner Anlage bewusst einfach gehalten, geht es hier vor allem darum, auf dem schmalen Grat der Klangschönheit zu wandeln, ohne in den Abgrund des Banalen abzugleiten, eine Herausforderung, die jenseits spieltechnischer Anforderungen liegt und von Top bravourös gemeistert wird.
Den folkloristischen Gestus des 1948 entstandenen Concertinos des in die Sowjetunion geflohenen Polen und Schostakowitsch-Vertrauten, ebenso jüdischer Herkunft wie Barber, nimmt Wallinger mit Antonin Dvořáks Walzer in A-Dur (Op.54, Nr. 1) auf, wendet damit aber die Stimmung vom Melancholischen ins Versöhnliche.
Indem Wallinger Stücke wie Sätze behandelt und in einem System strukturaler Ähnlichkeiten und Gegensätze über mehrere Achsen aufeinander bezieht, entsteht ein Programm, dessen Binnenstruktur einem Konzert im Sinn des musikalischen Formbegriffs gleicht.
Autor: HARRY SCHMIDT
weniger17.03.2021, Pforzheimer Zeitung
Elegie mit leichter Frühlingsbrise
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Facettenreiches Online-Konzert der Süddeutschen Kammersinfonie
Violin-Solist Tjeerd Top spielt virtuos auf kostbarer Stradivari.
Mühlacker. Elegie, Melancholie, Trauer – sind das die richtigen Ingredienzien für ein Frühjahrskonzert? Aber ja, wenn sie mit optimistischen Anklängen angereichert sind. Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim unter Leitung von Peter Wallinger hatte für ihr drittes kostenloses Online-Konzert mit dem Violin-Solisten Tjeerd Top ein facettenreiches Programm zusammengestellt und zwei selten gespielte Werke mit zwei bekannten Kompositionen kombiniert. Musikwissenschaftlerin Christina Dollinger führte kenntnisreich in das ungewöhnliche Programm ein.
Antonio Vivaldi (1678-1741) schrieb in Prag 1730/1731 sechs sehr unterschiedliche Werke, zu denen das selten gespielte Violinkonzert e-Moll RV 278 gehört. Die Freude des Komponisten an den Möglichkeiten seines Instrumentes zeigt sich in Bravour-Techniken wie Doppelsaitengriffen, Akkordübergängen in den höchsten Registern und rasanten Tempi.
Im düsteren Largo verwandelt sich die mit melodiös-tänzerischen Teilen wechselnde elegische Stimmung des ersten Satzes in tiefe, sehr intim anmutende Melancholie. Der Satz überrascht mit ungewohnter, fast experimentell wirkender Harmonik. Der Finalsatz ist geprägt vom reizvollen Zwiegespräch zwischen Theorbe (Barocklaute, gespielt von Thomas Boysen) und Solovioline sowie leidenschaftlich ausbrechenden Phrasen.
Tjeerd Top, Konzertmeister des Concertgebouw Orchesters Amsterdam, spielte virtuos und präzise auf einer Stradivari aus dem Jahr 1713 mit einem wunderbar warmen und voluminösen, gleichzeitig aber auch transparenten Klang. Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim unter dem angenehm zurückhaltenden Dirigat Wallingers agierte als souveräner und flexibler Partner.
Der Amerikaner Samuel Barber (1910-1981) ist durch eine einzige Komposition bekanntgeworden: das Adagio für Streicher op. 11, ein Arrangement aus einem Streichquartett. Es gilt als die Trauermusik schlechthin und wurde bei Beerdigungen von Prominenten (US-Präsident Roosevelt, Gracia Patricia und Rainier II. von Monaco, Albert Einstein) gespielt, im Gedenken an die Anschläge auf New York 2001 aufgeführt und wiederholt als Filmmusik verwendet.
Seine Eindrücklichkeit entsteht durch die unaufgeregte Wiederholung eines sich nach oben schraubenden Dreitakt-Motivs, das durch alle Stimmen hindurch variiert wird und in einer offenen Phrase endet.
Der polnische Jude Miezcysław Weinberg überlebte als einziger seiner Familie den NS-Terror und konnte nach Moskau fliehen. In seinem Concertino op. 42 verarbeitet er wehmütig-schöne Erinnerungen, die überschattet sind von Kriegserlebnissen.
Obwohl tonal angelegt, lebt die Komposition von reizvollen, gleitenden Modulationen, einer um die zentralen Tonarten schweifenden Musiksprache. Das Orchester ist dem immer wieder virtuos geforderten Solisten zunächst untergeordnet und erhält erst im schwirrenden Mittelteil des Finalsatzes thematische Eigenständigkeit.
Als Abschluss erklang der Walzer A-Dur op. 54/1 von Antonin Dvořák in der Bearbeitung für Streicher. Das wehmütig-verhaltene Stück mit seinen lautmalerischen Crescendo-Wellen ist jenseits aller Walzerseligkeit eine Reminiszenz des tschechischen Komponisten an die Donaustadt Wien.
Ein großes Dankeschön an das Orchester für dieses Online-Konzert auf hohem Niveau, das weiterhin auf www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto abrufbar ist.
Autorin: Uta Volz
weniger17.03.2021, Mühlacker Tagblatt
KONGENIALE PARTNER
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Das Frühjahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim erfreut Musikfans im Internet.
Bietigheim/Mühlacker. Wie schon beim Neujahrskonzert der Fall, musste die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim unter der Leitung von Peter Wallinger auch das Frühjahrskonzert 2021 wieder aufzeichnen. Es war ab Sonntagabend im Internet zu hören und zu sehen. Der Qualität des Musizierens tat es erneut keinen Abbruch. Nicht nur Orchester und Solist Tjeerd Top, sondern auch das Team hinter Kameras, Mikrofonen und im Schnitt haben wieder hervorragende Arbeit geleistet.
Ein bisschen schade ist es ja schon, dass das Virus die Gesellschaft immer noch so sehr im Griff hat, dass ein Live-Konzert, wie es ursprünglich innerhalb der Klassikreihe „Mühlacker Concerto“ für Sonntag angekündigt war, nicht vor Publikum stattfinden kann. Andererseits bietet das Internet auch spannende Möglichkeiten: Wer will, kann sich das Konzert selbst im Nachhinein noch ansehen, im Zweifel natürlich gerne auch mehrere Male. Grund genug dafür gäbe es zweifellos, denn nicht zuletzt hat man mit Tjeerd Top einen sehr versierten Violinisten verpflichten können, der Konzertmeister des Concertgebouw Orchesters Amsterdam ist. Er wartete bei diesem Frühjahrskonzert mit einer Besonderheit auf: Top musizierte auf einer Stradivari-Geige aus dem Jahr 1713. „Eine ganz faszinierende Vorstellung, dass sie zu Zeiten von Vivaldi schon gespielt wurde“, befand Christina Dollinger, die in das Konzert einführte.
Passenderweise stand ein eher selten gespieltes Violinkonzert von Antonio Vivaldi am Beginn des Konzerts. „Vivaldi fährt hier alles auf, was geigerisch damals denkbar war“, betonte Dollinger dabei: Doppelgriffe, Akkordübergänge in den höchsten Registern und aberwitzige Tempi. Die Musiker begannen dementsprechend forsch; ein kurzer, aber bereits sehr prägnanter Auftakt, der nahtlos in ein einfühlsam gehaltenes Miteinander zwischen Violine und Orchester floss. Es waren drei ausdrucksstarke Sätze, mal fast zärtlich gestimmt, mitunter melancholisch angehaucht und dann wieder von bewusst treibenden Momenten durchbrochen, die zurück in das faszinierend filigrane Spiel von Tjeerd Top an der Violine führten. Für Solist und Orchester, die bei diesem Konzert als kongeniale Partner wunderbar harmonierten, war es eine erste gute Möglichkeit, von ihrer hingebungsvollen und zugleich technisch präzisen wie fokussierten Art der Interpretation zu überzeugen.
Mit Samuel Barbers „Adagio für Streicher, opus 10“ hat Wallinger dann ein populäres Werk ausgesucht, das von seiner leisen, in sich gekehrten Stimmung lebt. Bekannt geworden als Trauermusik für US-Präsidenten oder zum Gedenken der Opfer des 11. September, wurde es schon in diversen Filmen eingesetzt. Die besondere Dichte und Intensität dieses Adagios nahm das Orchester gefühlvoll auf und füllte sie mit Anmut und an Traurigkeit grenzender klanglicher Schönheit, ehe man in Form des „Concertino opus 42“ von Mieczyslaw Weinberg einen ganz anderen Akzent setzte. Dessen umfangreiches Werk sei erst vor einigen Jahren in Westeuropa entdeckt worden, erklärte Dollinger eingangs. Dazu zählt auch das im Rahmen des Frühjahrskonzerts gespielte Stück, dessen lyrische Grundstimmung Solist und Orchester gekonnt einfingen.
Einmal mehr unterstrich dabei Top seine technischen Stärken an der Violine, nicht zuletzt auch in den hohen Lagen, ehe das Orchester wenig später mit dem „Walzer A-Dur opus 54 Nummer 1“ (Antonín Dvorák) das abwechslungsreiche Frühlingskonzert schloss.
Solist Tjeerd Top hatte im Rahmen dieses Konzerts übrigens ein besonderes Lob für die Musiker: Mit einem kleinen Orchester wie der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim und mit deren Dirigenten Peter Wallinger an der Spitze sei man „sehr flexibel“, verriet er. Das ermögliche auch selten gespielte Werke im Programm. „Das ist für einen Musiker natürlich wunderschön.“ Für die Zuhörer gilt selbiges auch.
Wer das Konzert also anhören möchte – am Sonntagabend haben das bereits über hundert Musikfreunde getan –, der findet die Aufnahme auf der Webseite https://www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto.
Autor: Stefan Friedrich
weniger13.03.2021, Ludwigsburger Kreiszeitung
„Wir gehen voll in die Offensive“
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Mit dem Frühjahrskonzert wird die dritte Produktion der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim online abrufbar.
Bietigheim-Bissingen. Bereits zum dritten Mal seit dem zweiten Lockdown präsentiert Peter Wallinger ein Konzert seiner Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) als Videoaufzeichnung. Im Interview spricht der 70-jährige Dirigent über die Resonanz auf die Mitschnitte, das Programm des ab morgen Nachmittag abrufbaren Frühjahrskonzerts und die pandemiebedingten Herausforderungen bei der Planung und Durchführung der Aufzeichnungen.
Herr Wallinger, zum dritten Mal findet ein Konzert der Ihres Orchesters in Form einer Videoaufzeichnung statt. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Format gemacht?
Peter Wallinger: Wir sind total überrascht, wie gut das Format ankommt, auch beim älteren Publikum, wo wir anfangs schon skeptisch waren, ob die sich das vor dem Computer anschauen und -hören würden. Aber wir haben so viel positive Resonanz, auch von treuen Begleitern der SKB, erhalten – damit haben wir nicht gerechnet. Auch hat uns überrascht, wie oft die Konzerte abgerufen wurden. Das Adventskonzert wurde inzwischen über tausend Mal angeklickt, das Neujahrskonzert über 400 Mal. Das Format scheint also angekommen zu sein.
Wovon Sie zu Beginn nicht komplett überzeugt gewesen zu sein scheinen ...
Ich selbst stand der Idee einer Videoaufzeichnung am Anfang etwas reserviert gegenüber: Der Aufwand ist enorm und die Einnahmen sind gering, weil wir keine Eintrittsgelder erheben. Wenn ich aber sehe, dass wir dadurch auch Resonanz aus den USA, Rumänien, Italien und Frankreich bekommen, auch von Menschen, die uns vorher nur dem Namen nach kannten, denke ich inzwischen, dass das Format durch die Erhöhung der Reichweite auch große Vorteile bietet.
Planen Sie perspektivisch hybride Veranstaltungen?
Konkret in Planung ist das noch nicht, aber die Vorstellung, dass man interessante Konzerte auch dann, wenn wieder vor Publikum gespielt werden kann, in Bild und Ton aufzeichnet und ins Netz stellt, spukt schon in den Köpfen herum. Zunächst hoffen wir aber, im Sommer wieder live auftreten zu können.
Worin bestehen bei der Programmplanung in künstlerischer Hinsicht die Herausforderungen durch die Pandemie?
Zum einen gilt es Literatur für die reduzierten Besetzungen zu finden, die gerade möglich sind. Zudem stellen diese Stücke dann auch spieltechnisch für die Musiker eine größere Herausforderung dar: Wenn eine Streichergruppe aus nur zwei statt wie üblich aus drei oder mehr Instrumenten besteht, muss die Intonation wirklich total präzise aufeinander abgestimmt sein – da hört man jede Abweichung. Drei Stimmen verschmelzen dagegen dann schon wieder. Der Faktor, wer mit wem gut harmoniert, erhält also ein viel größeres Gewicht und muss bereits bei der Besetzung genau bedacht werden. Auch das Zusammenspiel auf Abstand ist nicht ganz trivial.
Von welchen Überlegungen haben Sie sich bei der Programmplanung für das jetzt anstehende Frühjahrskonzert leiten lassen?
Traditionell findet unser Frühjahrskonzert ja sowohl im Bietigheimer Kronensaal als auch im Uhlandbau in Mühlacker statt. Weil dieser vor hundert Jahren auf Betreiben des jüdischen Ehepaars Alfred und Laura Emrich, das später enteignet wurde und im KZ umgekommen ist, in Eigeninitiative errichtet wurde, war es mir ein Anliegen, dieses Jubiläum auch im Programm abzubilden. In den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts galt der Uhlandbau als das „schwäbische Bayreuth“ – alle Größen dieser Zeit sind dort aufgetreten: Carl Orff, Rudolf Serkin, Walter Giseking, Fritz Busch, das Rosé-Quartett aus Wien und viele andere. Mit Mieczysław Weinberg und Samuel Barber stehen deshalb zwei jüdische Komponisten auf dem Spielplan, wobei der Impuls zu Weinbergs Concertino für Violine und Orchester (Op. 42) von unserem holländischen Solisten Tjeerd Top ausging, der Konzertmeister beim Amsterdamer Concertgebouw-Orchester ist. Dazu gesellt sich ein unbekannteres, aber ganz extravagantes Violinkonzert von Vivaldi (RV 278) – weil ich mir gut vorstellen konnte, wie Top den dramatischen, nahezu opernhaften Gestus dieses Stücks auf seiner Stradivari-Geige von 1713 gestaltet: „con fuoco“ – mit Feuer nämlich. Anstelle eines Cembalos, das in kleiner Besetzung klanglich heikel ist, vervollständigt der Freiburger Thomas Boysen an der Theorbe die Continuogruppe. Als Puffer dazwischen Barbers überaus populäres „Adagio for Strings“ (aus Op.11), als frühlingshafter, aber leicht melancholischer Ausklang Dvořáks Walzer in A-Dur (Op.54, Nr. 1).
Wie kompensieren Sie die fehlenden Ticketeinnahmen?
Zwei unserer Konzerte, das Advents- und das Frühjahrskonzert, finden üblicherweise im Kronenzentrum statt und werden von der Stadt Bietigheim finanziert. Trotz der nun im Internet erfolgenden Ausspielung wurde uns dankenswerterweise ein Teil der Honorare zugesichert – damit kriegen wir die Produktionen einigermaßen hin. Darüber hinaus sind wir beim Regierungspräsidium vorstellig geworden, haben Mittel aus dem „Kunst trotz Abstand“-Programm beantragt und sind ganz optimistisch, was die Bewilligung dieser Beihilfe angeht. Höchst erfreulich ist auch die Resonanz auf den Spendenaufruf auf unserer Homepage – in Summe sind mit den beiden bislang online gestellten Videos rund 1000 Euro zusammengekommen.
Was steht in 2021 für die SKB noch an?
Im Prinzip unser übliches Pensum: Der „Musikalische Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche, wenn möglich auch die „Sommerliche Serenade“ in Sachsenheim, die Herbstkonzerte in Mühlacker, bei denen nochmals das 100-jährige Jubiläum des Uhlandbaus im Mittelpunkt stehen wird, vorgezogen auf November dann das Adventskonzert. Falls wir im Sommer wider Erwarten noch nicht live spielen können, würden wir auch wieder den Weg der Videoaufzeichnung wählen. Insgesamt gehen wir voll in die Offensive und versuchen, trotz mancher Widerstände, das Konzertleben über die Krise hinweg bestmöglich aufrecht zu erhalten.
Info: Das Frühjahrskonzert der SKB ist ab morgen Nachmittag kostenfrei unter www.sueddeutsche-kammersinfonie.de
und www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto abrufbar.
Um Spenden wird gebeten.
Autor: Fragen Harry Schmidt
weniger05.02.2021, Pforzheimer Zeitung
DREI FRAGEN
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an Peter Wallinger, Leiter der sueddeutschen kammersinfonie
„Jetzt weltweit zu hören“
- Wie war bislang die Resonanz auf Ihre Online-Konzerte?
Die Resonanz war außerordentlich groß. Wir bekamen begeisterte Rückmeldungen sogar aus den USA und aus Rumänien. Das ist ja das Plus dieser Online-Konzerte: Unsere Musik kann weltweit gehört werden. Eine gute Aufnahmequalität ist halt sehr wichtig, und da scheuen wir keine Mühe…
- Welche Videoaufzeichnung steht als nächste an?
Wir werden auch unser Frühjahrskonzert mit Werken von Antonio Vivaldi, Samuel Barber, Mieczyslaw Weinberg und Antonin Dvořák aufzeichnen und ab dem Sonntag, 14. März ins Netz stellen. Als Solisten konnten wir den fantastischen Geiger Tjeerd Top, Konzertmeister im Concertgebouw Orchester Amsterdam, gewinnen.
- Welches Konzert hoffen Sie, live spielen zu können?
Wir werden hoffentlich unsere Konzertreihe „Musikalischer Sommer“ in der spätgotischen Frauenkirche Lienzingen mit sechs Sonntags-Matineen am 13. Juni wieder live starten können.
Fragen von Sandra Pfäfflin
weniger19.01.2021, Mühlacker Tagblatt
Wahre Wohltat in der kulturellen Zwangspause
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Konzert mit der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim
Solist Michinori Bunya und Schauspieler Johann-Michael Schneider
Mühlacker. Die bei Alt und Jung beliebten Neujahrskonzerte konnten in diesem Jahr infolge des zweiten Corona-Lockdowns nicht live in Konzerthäusern, Kirchen oder Kulturzentren stattfinden. Deshalb haben die Veranstalter – von der Nordsee bis nach Wien, von Berlin bis ins Erzgebirge – nach alternativen Möglichkeiten gesucht, die aufführungsreifen Programme kulturbegeisterten Konzertbesuchern dennoch zugänglich zu machen. So ist 2021 das Jahr der Live-Streams und Online-Konzerte, auch für Peter Wallinger und die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim. Das zur guten Tradition gewordene musikalisch-literarische Programm wurde am Freitag in der historischen Kelter in Bietigheim als Video aufgezeichnet und ist seit Sonntag ins Netz gestellt, wo es über die Webseiten www.sueddeutsche-kammersinfonie.de oder www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto kostenfrei nachgehört werden kann.
Und das lohnt sich! Peter Wallinger, der mit klug durchdachten Programmzusammenstellungen jedes Mal für Überraschungen gut ist, hat mit dem Motto des diesjährigen Neujahrskonzerts „Tutti – Soli“, in sinnreicher Anspielung auf die aktuell sehr angespannte Situation des Einzelnen inmitten der Pandemie, ein Programm auf die Beine gestellt, das es in sich hat. Zwischen Werken von Antonio Vivaldi, Franz Schubert und Ottorino Respighi, sind, großartig rezitiert von dem Berliner Schauspieler Johann-Michael Schneider, kurze Gedichte und Texte von Christian Morgenstern und Rainer Maria Rilke bis hin zu Paul Celan, Mascha Kaléko und Ernst Jandl eingeflochten.
Der Star des Neujahrskonzerts ist aber Michinori Bunya, einer des gefragtesten Kontrabassisten unserer Zeit. Das musikalische Zwiegespräch zwischen seinem solistischen Spiel und dem Streichertutti ergibt gleichsam eine weitere Ebene des Veranstaltungstitels „Tutti – Soli“. Den Besuchern des zweiten Sommerkonzertes in der Lienzinger Frauenkirche im Juni des vergangenen Jahres ist der gebürtige Japaner Bunya noch bestens in Erinnerung, als er zusammen mit dem Bratschisten Matthias Buchholz als „Grand Duo Concertante“ zu hören war.
Mit einer Delikatesse der barocken Literatur, dem Concerto grosso d-Moll op. 3 Nr. 11 von Antonio Vivaldi, beginnt das Neujahrskonzert. Forsch vorandrängend und sehr transparent treten die drei Solistinnen Sachiko Kobayashi, Andrea Langenbacher (Violinen) und Chihiro Saito (Cello) in einen beglückenden Dialog mit dem Streichertutti. Auch hier, innerhalb der Concerto-Concertino-Struktur, findet sich die Tutti-Solo-Thematik wieder. Im zweiten Allegro betont Peter Wallinger sehr schön den akzentreichen polyphonen Aufbau. Dem Largo hingegen fehlt vielleicht etwas die Ruhe, und es gerät etwas zu rasch. Virtuos und rauschhaft dann das abschließende Allegro.
In seiner Anmoderation gibt Johann-Michael Schneider dem Zuhörer noch weitere Interpretationen des Tutti-Solo-Gedankens mit auf den Weg durch das für coronageplagte Kulturliebhaber wohltuende einstündige Konzert: den zwar nicht hörbaren, aber umso stärker spürbaren Dialog zwischen Publikum und Musikern, dazu die philosophische Frage, wann ein Tutti zum Solo und wann ein Solo zum Tutti werde. Drei Arabesken von Hans Fryba für Kontrabass solo, dazwischen jeweils Lyrik von Ernst Jandl, Marie von Ebner-Eschenbach, Paul Celan und Mascha Kaléko setzen das farbenreiche Konzert fort. In Kalékos Gedicht „Sozusagen grundlos vergnügt“ heißt es: „Ich freue mich, dass ich mich an das Schöne und an das Wunder niemals ganz gewöhne“ und nimmt damit die Stimmung inmitten der Pandemie auf, dass wir dankbar sein müssen, wenigstens elektronisch das Schöne haben zu dürfen – und noch dankbarer hernach, wenn wir wieder Kultur live erleben können.
Durchwoben von weiterer Lyrik dann der Deutsche Tanz Nr. 3 D-Dur aus D 90 von Franz Schubert, danach das Adagio und Rondo von Johann Matthias Sperger für Kontrabass und Streichertutti und schließlich Ottorino Respighis „Antiche Danze ed Arie“ III. Suite, die der Süddeutschen Kammersinfonie besonders gut gelingt. Der Italiener Respighi evoziert in einer wunderbar innigen und liedhaften Klangsprache Bilder von Sonne und südlicher Leichtigkeit, nach denen wir uns alle so sehr sehnen.
Das Neujahrskonzert im Web ist quasi Nervennahrung in diesen so besonderen Zeiten. Ein Spendenaufruf auf das Konto der Süddeutschen Kammersinfonie ist nur zu verständlich und ein Obolus jedem, der es sich leisten kann, dringend empfohlen.
Dr. Dietmar Bastian
weniger19.01.2021, Pforzheimer Zeitung
Optischer und akustischer Genuss
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Neujahrskonzert der sueddeutschen kammersinfonie online.
Kontrabassist Michinori Bunya begeistert mit seinem Spiel.
Im Internet übertragene Video-Konzerte aus der „digital concert hall“ gibt es nicht nur aus Berlin, wo die Philharmoniker das Format für historische Aufnahmen 2009 erfunden haben, sondern – Corona sei's geschuldet – auch von Peter Wallingers sueddeutscher kammersinfonie ohne Publikum aus der Kelter in Bietigheim-Bissingen.
Nach seinem erfolgreichen Adventskonzert (die PZ berichtete) folgt nun das – in analogen Zeiten bei der MühlackerConcerto-Reihe traditionsreiche – Neujahrskonzert, das sich hinter den übermächtigen großen Veranstaltern nicht zu verstecken braucht. Denn Wallinger und sein Team präsentieren eine Sensation: Michinori Bunya, einen der renommiertesten Kontrabassisten. Bunya, der sich im Konzert-Video sowohl solistisch (mit Hans Frybas „Arabesken für Kontrabass“) als auch zusammen mit dem Orchester („Adagio und Rondo für Kontrabass und Streicher“ von Johannes Matthias Sperger) vorstellt, ist eine Wucht.
Beim Spiel der selten zu hörenden Originalkompositionen scheint Bunya, über den Bass-Corpus gebeugt, mit seinem Instrument verwachsen, jedenfalls eine Einheit zu sein. Die Interpretation der technisch anspruchsvollen Arabesken changiert zwischen rhythmisch betonten Schrittfolgen in hohen Lagen, satten Tonfarben und melancholisch verhaltenem Gleiten über die Saiten. Stets versuchen die Stücke die Improvisation der klassischen Musik Arabiens nachzuempfinden. Die beiden zusammen mit Wallingers einfühlsam begleitendem Ensemble gebotenen Sperger-Sätze zelebrieren im Adagio einen klangsatten Trauerton, im temperamentvollen Rondo mit Springbögen, Doppelgriffen und Flageoletts atemberaubende solistische Virtuosität. Besonders in den Großauf-nahmen des Solisten hört das Auge mit, indem es dessen Konzentration und Ergriffenheit dem Höreindruck zuordnet.
Mit gewohnter Souveränität musiziert das Orchester unter Wallingers Leitung in Wiedergaben aus dem Repertoire – Vivaldis Concerto grosso op.3 (Nr.11), Schuberts Deutschen Tanz Nr.3 (aus D 90) und Respighis Suite Antiche Danze.
Der Berliner Schauspieler Johann-Michael Schneider leitet das Konzert mit hintergründigem Wortspiel zum Konzert-Motto „Tutti-Soli“ ein und rezitiert zwischen den Musiknummern erheiternde Texte und lyrische Preziosen von Ernst Jandl, Marie von Ebner-Eschenbach, Paul Celan, Mascha Kaléko, Giacomo Leopardi und Christian Morgenstern. Das hört und sieht man sehr gern. Chapeau. www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto
Eckehard Uhlig
weniger17.01.2021, Ludwigsburger Kreiszeitung
Virtuoses Spiel um Tutti und Soli
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Videoaufzeichnung des Neujahrskonzerts der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim mit Dirigent Peter Wallinger
Bietigheim. Im Halbkreis und auf Abstand um ein flaches Podest gruppiert, stehen zwölf Stühle am Kopfende der historischen Kelter in Bietigheim, davor die Notenpulte – ebenerdig, denn dieses Konzert benötigt nicht die Erhöhung durch ein Podium. Wie bereits anlässlich des Adventskonzerts im Dezember hat sich Peter Wallinger auch für das traditionelle Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) zu einer Videoaufzeichnung entschlossen, die nun bis mindestens bis Ende Januar auf der Homepage des Ensembles abrufbar bleibt. „Das ist recht aufwendig – auch finanziell –, aber wir scheuen keine Mühe für den Erhalt unserer Musik- und Orchesterkultur“, betont der Gründer und Leiter der SKB.
Weil der heimische Bildschirm somit zur Bühne des Konzerts werde, habe man sich die Freiheit genommen, den kompletten Raum der Kelter als solche zu bespielen, erläutert Johann-Michael Schneider die Konzeption des Events unter dem Titel „Tutti – Soli …“. Dieser lasse sich durchaus nicht nur im musikalischen Sinn, sondern auch metaphorisch verstehen, so Schneider. Ohne das Wort Pandemie zu nennen, trifft er den Nagel auf den Kopf: Schließlich wird einem durch diese vieler Selbstverständlichkeiten beraubten Zeit das komplexe Verhältnis von Kollektiv zu Individuum nochmals ganz anders und eindrücklich vor Augen geführt.
Drei Kameras im Einsatz
Während Wallinger den Ablauf der Aufzeichnung mit Theresa Mammel durchgeht, die das Konzert mit drei Kameras einfängt, tröpfeln nach und nach maskierte Musikerinnen und Musiker in der Kelter ein. Tonmeister Thomas Schmidt hat vor jeder Streichergruppe ein Mikrofon aufgebaut, zusätzlich drei Schallwandler für den Raumklang auf einem hohen Stativ platziert. Bald erklingen Einspielgeräusche aus jeder Ecke der Kelter, Chihiro Saito, Stimmführerin der Celli in der SKB, macht sich mit Dehnübungen warm. Wie Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi zählt die Japanerin zu den Gründungsmitgliedern des renommierten Lotus String Quartetts, die Vertrautheit ihrer musikalischen Kommunikation trägt maßgeblich zu den Qualitäten der Kammersinfonie bei. Etwa im Kopfsatz des elften Konzerts aus dem Opus 3 von Antonio Vivaldi: Das d-Moll-Konzert ist das populärste des 1711 veröffentlichten, immens einflussreichen Zyklus „L’Estro Armonico“ und ein Musterbeispiel des Concerto grosso, von der SKB ungemein vital und bravourös musiziert.
Auch in der Anspielprobe braucht Wallinger nicht viele Worte, um dem Orchester seine Auffassung zu vermitteln: Die Körpersprache des 70-Jährigen ist nuanciert und präzise – mal geht er geschmeidig in die Knie, mal steigt er auf Zehenspitzen. Seine Interpretationen sind von intimer Werkkenntnis geprägt, folgen aber stets einem ausgeprägten Sinn für markant-lebendige Gestaltung: „Vivaldi möge verzeihen, wenn er sich’s anders vorgestellt hat.
Interessante Kombinationen
Charakteristisch für Wallinger auch die Entdeckerfreude, mit der er Geläufigeres mit seltener gehörten Werken kombiniert, um dabei Gemeinsamkeiten und Verwandtschaften ans Licht zu bringen: Auch die dritte Suite aus Ottorino Respighis 1932 uraufgeführten „Antiche Danze ed Arie“ widmet sich dem Zusammenspiel von Tutti und Soli, allerdings unter neoklassizistischen Vorzeichen.
Virtuose Soli sind auch Schneiders Gedichtrezitationen: Anstelle langatmiger Erklärungen bringt der Berliner Schauspieler zwischen den Musikdarbietungen hochkompetent Texte von Paul Celan, Mascha Kaléko und Christian Morgenstern zum Klingen. So trifft Ernst Jandls Wortakrobatik in „Chanson“ auf Hans Frybas „Drei Arabesken für Kontrabass solo“ (1946), meisterhaft interpretiert von Michinori Bunya, dem musikalischen Solisten des Programms. Auch in Johannes Matthias Spergers Adagio und Rondo, kombiniert aus dem 15. und 18. Kontrabasskonzert des Beethoven-Zeitgenossen, spielt der sonore Wohlklang seines über 300 Jahre alten Testore-Instruments mit impulsiven, spieltechnisch höchst herausfordernden Kantilenen die Hauptrolle – mustergültig eingebettet in glänzende, gestochen scharf konturierte Tutti der SKB. Ein auf allen Ebenen hochkarätig besetztes Neujahrskonzert, dessen mannigfaltige Bezüge und Verbindungen auch online einleuchten.
Autor: Harry Schmidt
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