10.12.2022, Vaihinger Kreiszeitung
Schon Mozart liebte den singenden Klang der Klarinette
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Beim Adventskonzert im Uhlandbau Mühlacker sind die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim und das Ausnahmetalent Sebastian Manz zu hören.
MÜHLACKER. Schöner hätte für Musikfreunde ein Adventssonntag nicht enden können. Im Rahmen ihrer MühlackerConcerto-Reihe musizierte die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim unter Leitung von Peter und Simon Wallinger im Uhlandlandbau mit einem erlesenen Programm.
Peter Wallinger, der vor 38 Jahren die Kammersinfonie gegründet hat, stand am Pult und stimmte seine Musiker auf Wolfgang Amadeus Mozarts (1756-1791) Klarinettenkonzert ein. Schon die ersten Takte versprachen ein wunderbares Konzerterlebnis in einem virtuosen Zusammenspiel mit dem Stargast des Abends, dem Klarinettisten Sebastian Manz. Ihm, dem Ausnahmetalent an der Klarinette, wurde die Musik gewissermaßen in die Wiege gelegt. Beide Eltern sind Pianisten. Sein Großvater, der international gefeierte russische Geiger Boris Goldstein (1922-1987), sorgte schon als Zehnjähriger für Furore, als er, begleitet vom Moskauer Rundfunkorchester, mit Mendelssohn-Bartholdys Violinkonzert im Radio zu hören war. Sein Enkel Sebastian, 1986 in Hannover geboren, war sieben, als er seine Liebe zur Klarinette entdeckte, mit elf begann er als Jungstudent an der Musikhochschule Lübeck zu studieren. Unter bedeutenden Lehrkräften, die sein Talent förderten, war auch die bekannte Klarinettistin Sabine Meyer.
Ein Markstein auf seinem Weg in den Olymp der Klarinettisten war 2008 sein Erfolg beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD in München. Er gewann neben dem seit 40 Jahren nicht mehr vergebenen 1. Preis in der Kategorie Klarinette auch den begehrten Publikumspreis sowie weitere Sonderpreise. Einige Monate zuvor hat er gemeinsam mit seinem Klavierpartner Martin Klett auch den Deutschen Musikwettbewerb gewonnen. 2011 erhielt er für seine Aufführung des Klarinettenkonzerts A-Dur KV 622 von Mozart den Echo-Klassik in der Kategorie „Nachwuchskünstler des Jahres“.
Und mit diesem Spätwerk des genialen Komponisten glänzte Manz. Mozart liebte den singenden Klang der Klarinette und der Solist wusste alle Facetten dieses Werkes zu erfassen und dessen unvergängliche Klänge den Zuhörern, ohne Übertreibung, ans Herz zu legen. Melodien erklangen, taktweise ergreifend schlicht, aber von unglaublicher Intensität und Ausdrucksstärke.
Mozart komponierte das Konzert etwa zwei Monate vor seinem Tod. Trotz seines jungen Alters war er zu einer fast erschütternden Erkenntnis gelangt: „... da der Tod der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes!“, ist in einem Brief vom 4. April 1787 an seinen schwer erkrankten Vater nachzulesen. Ist es diesem Empfinden zuzuschreiben, dass in vielen von Mozarts Spätwerken hintergründig eine sanfte Melancholie mitzuschweben scheint? Manz wusste mit seinem unvergleichlichen Spiel alle schicksalshaften Nuancen offenzulegen. Besonders seine Wiedergabe des Adagios mit den tief berührenden, weiten, stimmungsvollen Klangbögen konnte in Traumwelten entführen.
Für den schier überbordenden Beifall bedankte er sich mit einer überraschenden Zugabe. Im Nu bildete er mit vier Streichern aus dem Orchester ein Quintett, das mit dem Adagio aus Mozarts Klarinettenquintett KV 581 – ebenfalls ein Spätwerk, komponiert 1789 – die Zuhörer erneut mit klanglichem und melodischem Zauber beschenkte.
Nach der Pause hatte zunächst Simon Wallinger das Wort und bereitete das Publikum auf einen einschneidenden musikalischen Kontrast vor. Er stellte den nächsten Komponisten vor: Mieczyslaw Weinberg (1919- 1996), dessen Klangwelt eine ganz andere war als die von Mozart. Unter Leitung von Peter Wallinger war das Orchester auch diesem Wechsel gewachsen. Dessen abwechslungsreiche und pointierte Interpretation des „Moderato“ aus der Kammersinfonie Nr. 2, op. 147 bot ein teils befremdendes, aber dennoch auf hoher Ebene stehendes Klangerlebnis. „Es ist dies der Auftakt zu einem neuen Weinberg-Zyklus, den wir in nachfolgenden Konzerten fortsetzen“, hatte Simon Wallinger zuvor informiert.
Der Junior, erfahrener Kontrabassist, Cembalist und Pianist, hat sich nach seiner Ausbildung in Meisterkursen auch bereits als Dirigent Meriten erworben. Zum Abschluss des bis dahin so bereichernden Adventskonzertes leitete er die Kammersinfonie. Eine Rückkehr zu gewohnteren Klangfarben bot ihm die reizvolle Wiedergabe der Sinfonie Nr. 81 G-Dur von Joseph Haydn (1732-1809), ein Werk, dessen Interpretation durchaus eine Herausforderung ist. Ungewöhnlich schon die Einleitung mit wuchtigem Forte, dem zunächst nur einige Takte Cellobässe wie getrommelt folgen, ehe das Orchester dann, noch immer von Beginn an mit hoher Spielfreude und stets konzentriert und aufmerksam seinem jungen Dirigenten folgte, der nun mit prächtiger Klangfülle den Schlusspunkt setzte. Mit strahlenden Gesichtern applaudierte und dankte ein rundum begeistertes Publikum für diesen beglückenden Konzertabend.
Autorin: Eva Filitz
weniger06.12.2022, Mühlacker Tagblatt
Gäste genießen Juwel der Konzertliteratur
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Das Adventskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim im Mühlacker Uhlandbau beschert Musikliebhabern ein Wiedersehen mit dem Ausnahme-Klarinettisten Sebastian Manz. Berühmte Mozart-Melodie und andere Werke begeistern das Publikum.
Mühlacker. Nur wenige Werke der Kunstmusik haben eine derartige Berühmtheit erlangt wie Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur KV 622. Um den 8. Oktober 1791 herum, kurz vor seinem frühen Tod, vollendete der geniale Österreicher diese durch und durch inspirierte Musik. Auf dem Programm des beliebten und sehr gut besuchten Adventskonzerts in der Reihe „Mühlacker Concerto“ stand neben Mozart ein Satz aus der Kammersinfonie Nr. 2 op. 147 von Mieczyslaw Weinberg sowie die jugendlich-frische Sinfonie Nr. 81 in G-Dur von Mozarts Vorbild, Gönner und engem Freund Joseph Haydn.
Freunde anspruchsvoller und interessanter Konzertprogramme freuen sich schon jetzt auf das Neujahrskonzert am 15. Januar im Uhlandbau. Seit einigen Jahren können die Besucherinnen und Besucher der Konzerte von Peter Wallinger beobachten, wie dieser seinen Sohn Simon, der inzwischen selbst zu einem hoch qualifizierten und versierten Musiker herangereift ist, zu seinem Stellvertreter (und irgendwann vielleicht Nachfolger?) aufbaut. So war es beim Konzert am zweiten Adventssonntag nur folgerichtig, dass der Kontrabassist, Pianist, Cembalist und Dirigent Simon Wallinger am Ende die Haydn-Sinfonie dirigierte.
Zu Beginn erklang also das vielleicht bekannteste Klarinettenkonzert der Konzertliteratur. Sebastian Manz bewältigte das dreisätzige Werk mit spielerischer Leichtigkeit und einer bis ins Letzte ausgereiften Technik. Der erste Satz begann schnell und mit einem dynamisch fein ausdifferenzierten Wechselspiel zwischen den Solo- und Tuttipassagen. Keine Details gingen verloren, auch in den gefürchteten Zweiunddreißigstel-Passagen nicht, und man konnte schöne Abstufungen der Dur- und Mollfarben genießen. Von unvergleichlicher Delikatesse und Anmut danach der zweite Satz Adagio. Nicht wenige Zuhörerinnen und Zuhörer mögen das Konzert besucht haben, nur um dieser unsterblichen, fast möchte man sagen: göttlich inspirierten, Musik zu lauschen. Zur weltweiten Bekanntheit dieser herrlichen Kantilenen dürfte zusätzlich beigetragen haben, dass in bekannten Kinofilmen – zum Beispiel „Jenseits von Afrika“ – genau diese Melodie mehrfach erscheint. Das abschließende Rondo Allegro, das noch immer einen Prüfstein für Soloklarinettisten darstellt, wurde virtuos wiedergegeben, mit logischem Formempfinden und in einem gewagt schnellen Tempo. Das Publikum war begeistert und ließ den Künstler nicht ohne Zugabe ziehen. Mit vier Solostreichern aus dem Orchester und Manz erklang das Adagio aus dem Klarinettenquintett KV 581, ebenfalls ein Spätwerk Mozarts.
Peter und Simon Wallinger möchten einen „projektübergreifenden Zyklus“ mit Werken des lange und völlig zu Unrecht vergessenen polnisch-jüdischen Komponisten Miesczyslaw Weinberg in Angriff nehmen. Als Einstimmung darauf spielte das Orchester gleich zweimal hintereinander einen Satz aus der 2. Kammersinfonie Weinbergs. Der Komponist, 1919 in Warschau geboren und 1996 in Moskau gestorben, hinterließ ein Mammutwerk, das es neu zu entdecken gilt. Der musikantische, rhythmisch-expressive Satz Moderato, der unmittelbar an die Klangsprache Schostakowitschs erinnerte, machte neugierig.
Als Finale erklang schließlich die Sinfonie Nr. 81 in G-Dur des fürstlichen Hofkapellmeisters zu Eisenstadt und Esterházy Joseph Haydn, ein frisches viersätziges Opus, das nicht geizt mit raffinierten, innovativen und virtuosen Impulsen für seine großen Nachfolger Mozart und Beethoven.
Die Süddeutsche Kammersinfonie war am Sonntag in bester Spiellaune, agierte hochkonzentriert und folgte jedem kleinen Hinweis des Taktstockes. Beim Dirigat des Wallinger-Sohnes fielen schlagtechnische Details auf, die dieser vom Vater übernommen haben dürfte. Ob Simon Wallinger auch beim Neujahrskonzert dirigieren wird?
Autor: Dr. Dietmar Bastian
weniger06.12.2022, Pforzheimer Zeitung
Adventskonzert voll sprühender Lebensfreude
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Adventskonzert mit Sebastian Manz und der Kammersinfonie.
Überwältigende Virtuosität trifft auf farbige Ausgestaltung.
Mühlacker. Die Wiedergabe von Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert A-Dur (KV 622) ist ein Genuss. Gestochen scharfe Skalen, Wirbel und Töne wie Ausrufezeichen befeuern die temperamentvollen „Allegro“-Ecksätze. Sanft gleitende langsame Passagen zeichnen das „Adagio“ in der Konzertmitte aus.
Das Orchester begleitet einfühlsam und vorwärtsstrebend, mit Flöten, Fagotts und Hörnern an der Seite der Streicher. Man fragt sich, wie es Peter Wallinger, Konzertveranstalter und Chef der sueddeutschen kammersinfonie bietigheim, immer wieder schafft, solch exzellente Instrumentalsolisten für seine Concerto-Reihe im Mühlacker Uhlandbau zu gewinnen.
Auf gleicher Wellenlänge
Diesmal musiziert beim traditionellen Adventskonzert Wallingers Kammersinfonie zusammen mit Sebastian Manz – in der Region wohlbekannt und im Uhlandbau nach mehrfachen Auftritten fast schon ein Residenz-Klarinettist. Sein Spiel ist an Lockerheit, klanglicher Brillanz und Ausdruckskraft kaum zu überbieten.
Offensichtlich versteht er sich (nicht nur) musikalisch mit Wallinger am Dirigentenpult und dessen Orchesterensemble ausgezeichnet. Auch wenn Manz die Zusammenarbeit mit großen Sinfonieorchestern gewohnt ist, musiziert man im Uhlandbau-Kammerformat auf gleicher Wellenlänge. Was die Orchestermitglieder zu inspirieren scheint, denn sie wachsen hochmotiviert über sich hinaus. Die erwähnten Ecksätze sprühen nur so von musikantischer Lebensfreude, und der verinnerlichte Mittelsatz entfaltet über dem zurückgenommenen Orchesterklang herrlichen Sologesang. Nichts fehlt: Auf der einen Seite die überwältigende Virtuosität des Solisten, auf der anderen eine originell-kreative, farbig-orchestrale Ausgestaltung mit kurz innehaltenden Ruhepausen, Steigerungen und Tempo-Forcierungen.
Bezaubernde Klangpoesie
Um die Liebeserklärung Mozarts an die Klarinette noch zu ergänzen, gibt’s als Zugabe einen weich pulsierenden Satz aus dem Klarinetten-Quintett A-Dur (KV 581) des Wiener Klassikers. Dabei spielt Manz zusammen mit Konzertmeisterin Swantje Asche-Tauscher (erste Violine), Andrea Langenbacher (zweite Violine), Tomoko Yamasaki (Viola) und Chihiro Saito (Violoncello). Auch das erfreut die Zuhörer mit bezaubernder Klangpoesie.
Nach der Konzertpause folgten im ausverkauften Uhlandbau zwei weitere besondere Konzerterlebnisse. Wallinger interpretierte mit seinem Ensemble aus Mieczyslaw Weinbergs Kammersinfonie Nr. 2 (op. 147) das „Moderato“ – eine eigenwillig zarte, rhythmisch betonte, teils auch dissonant „mit vorgehaltener Hand sprechende Musik“ – so Simon Wallinger, der den Lebensweg des weitgehend unbekannten, 1919 bis 1996 lebenden jüdisch-polnischen Komponisten erläuterte und einen Weinberg-Zyklus in der Mühlacker Concerto-Reihe ankündigte. Das kurze Stück wurde wiederholt und wirkte in der energischen Repetition noch eindrucksvoller.
Simon Wallinger übernimmt
Danach wechselte die Stabführung am Dirigenten-Pult. Peter Wallingers Sohn Simon übernahm die Leitung der Aufführung von Joseph Haydns Sinfonie Nr. 81 G-Dur (Hob I:1). Sein tadelloses Dirigat sorgte für eine serenadenhafte, in den schnellen Sätzen stürmische Wiedergabe der gefälligen Komposition. Sollte es einmal zu einer Übergabe von Peter Wallingers Kammersinfonie und seiner erfolgreichen Musik-Veranstaltungen kommen, wäre sein Werk in guten Nachfolger-Händen.
Autor: Eckehard Uhlig
Das Neujahrskonzert 2023 findet statt am Sonntag, 15. Januar, zur Matinee um 11 Uhr im Uhlandbau Mühlacker statt. Es spielt die sueddeutsche kammersinfonie bietigheim unter der Leitung von Peter Wallinger. Gemeinsam mit den Solisten aus dem Orchester und Sprecher Johann-Michael Schneider versprechen die Veranstalter Unterhaltsames und Anregendes in Wort und Ton. Weitere Infos und Karten im Internet auf www.muehlacker-klassik.de und www.sueddeutsche-kammersinfonie.de.
weniger05.12.2022, Ludwigsburger Kreiszeitung
Festlich-galante Hochstimmung
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Die traditionellen Adventskonzerte der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim am Wochenende begeistern mit Sebastian Manz als Solist in Mozarts Klarinettenkonzert. Auf den von Peter und Simon Wallinger angekündigten Weinberg-Zyklus mit allen vier Kammersinfonien des polnisch-jüdischen Komponisten gibt es schon mal einen Vorgeschmack.
BIETIGHEIM-BISSINGEN. Zum dritten Mal gestaltet Peter Wallinger ein Konzertprogramm gemeinsam mit seinem Sohn Simon Wallinger, zum ersten Mal seit drei Jahren findet ein Adventskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) wieder ohne Einschränkungen live vor Publikum statt; wie gewohnt samstags im Kronenzentrum, tags darauf im Uhlandbau in Mühlacker. Dass Wallinger aus diesem Anlass erneut Sebastian Manz ein geladen hat, mit dem ihn eine lange künstlerische Zusammenarbeit verbindet - zuletzt war der Soloklarinettist des SWR Symphonieorchesters hier im Neujahrskonzert der SKB zu hören-, dürfte nicht unerheblich zur positiven Resonanz beigetragen haben.
Der 36-jährige Klarinettist gilt auch international als einer der Virtuosen seines Instruments. Mit Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert (KV 622), einem der letzten Werke, die der Komponist in seinem Todesjahr 1791 vollendet hat und das gewissermaßen am Beginn der gesamten Gattung steht, ist Manz, der 2008 den1. Preis des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD gewann, sozusagen per Du. Doch nicht nur zum A-Dur-Konzert, sondern auch zum Ort der Aufführung unterhält der Enkel des russischen Geigers Boris Goldstein eine besondere Beziehung: Hier im Kronensaal hat Manz seine Frau kennengelernt.
Der festlich-galanten Hochstimmung im Kopfsatz nimmt er sich mit hörbarem Vergnügen an, die Leichtfüßigkeit seiner Kantilene wirkt frappierend mühelos: Dieses Allegro ist Spielfreude pur. Grandios, wie Wallinger mit der SKB den Schwung mitnimmt, als Manz das Parlando seiner Legato-Girlanden zu einem Forte steigert.
Überhaupt scheint die Chemie zwischen Dirigent, Orchester und Solist zu stimmen: Die Begeisterung für diesen Mozart ist jedem der Gesichter abzulesen. Dem Bühnencharakter der Musik trägt Manz mit tänzerischer Beweglichkeit Rechnung, luxuriös eingebettet in einen so transparenten wie homogenen Ensembleklang. Dann wieder wartet die SKB hellwach und blitzschnell mit einem überfallartigen Tutti auf.
Eine neue Dimension von Körperlichkeit
Emotion, nicht Technik bestimmt das vielen aus „Jenseits von Afrika" bekannte Adagio, wundervoll gelingen die heiklen Anschlüsse und die Klangverschmelzung. Dennoch dürfte die pastorale Träumerei in manchen Ohren überraschend anders klingen: Manz spielt das im Gegensatz zu Jack Brymer, der in der Filmmusik zu hören ist, auf einer Bassettklarinette - dem Instrument, für das Mozart dieses Konzert wohl ursprünglich geschrieben hat. Gerade durch die tiefen Register ergibt sich eine neue Dimension von Körperlichkeit. Das finale Rondo vereint tänzerische mit kantablen Anlagen, manchen der Couplets verleiht Manz geradezu klezmerartige Züge. Eine Kadenz benötigt diese Juwel indes nicht: Mozart hat alles, was einen Klarinettisten handwerklich glänzen lassen könnte - Hochgeschwindigkeitsläufe und -skalen, komplexe Dynamik- und Phrasierungskontraste, immense Intervallsprünge-, bereits der Partitur eingeschrieben - hier und heute in einer inspirierten Interpretation, bei der sich Manz auf Brillanz reimt.
Den „fast enthusiastischen Applaus" (Manz) quittiert der sympathische Musiker mit dem 2. Satz aus Mozarts Klarinettenquintett (KV 581) als Zugabe, Konzertmeisterin Swantje Asche-Tauscher, Andrea Langenbacher (Violinen), Tomoko Yamasaki (Viola) und Chihiro Saito (Cello) sekundieren in diesem Larghetto, das dem zuvor gehörten Adagio als Vorlage diente.
Ein Ohrenspitzer erster Güte ist der Mittelsatz der 2. Kammersinfonie (Op. 147, 1987) von Mieczyslaw Weinberg, der nahe zu vergessen war und vor allem durch Gidon Kremers Aufnahmen für ECM ins Bewusstsein der Musiköffentlichkeit zurückgefunden hat: grandiose Musik, grandios interpretiert von Peter Wallinger mit der SKB. Dass das Pesante moderato nach einer kurzen Vorstellung des polnisch-jüdischen Komponisten durch Simon Wallinger wiederholt wurde, leuchtet dagegen nicht unbedingt ein. Auf den angekündigten Weinberg-Zyklus mit allen vier Kammersinfonien des Schostakowitsch-Wegbegleiters darf man sich gleichwohl freuen.
Landläufig etwas unterschätzt dürfte auch Joseph Haydns Sinfonie Nr. 81 sein: Simon Wallingers lebendige wie formbewusste Deutung mit der SKB lässt sich jedenfalls als klares Plädoyer für diese letzte der sogenannten Esterházy-Sinfonien anhören, die zwar innerhalb der Konventionen der Gattung operiert, doch entsprechende Hörerwartungen immer wieder unterläuft.
Autor: Harry Schmidt
weniger02.12.2022, Ludwigsburger Kreiszeitung
So ausgewogen wie eigenwillig
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Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim spielt am Wochenende zweimal
BIETIGHEIM/MÜHLACKER. Nachdem die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim (SKB) die Pandemiedurststrecke mit professionell inszenierten Videoaufzeichnungen überbrückte, die nach wie vor auf der Homepage des 1984 von Peter Wallinger gegründeten Ensembles abrufbar sind, können die traditionellen Adventskonzerte der SKB nun erstmals seit 2019 wieder uneingeschränkt live vor Publikum stattfinden. Mit Sebastian Manz hat Wallinger dazu einen Solisten eingeladen, der nicht nur hierzulande kein Unbekannter ist: Der Soloklarinettist des SWR-Symphonieorchesters und mehrfache Echo-Preisträger wird von vielen Klassikfans für seine lebendigen Interpretationen geschätzt und erfreut sich als Solist auch international großer Beliebtheit. Mit Peter Wallinger verbinden den 36-Jährigen, der auch am Neujahrskonzert des Sinfonieorchesters Ludwigsburg mitwirken wird und am Stadtrand von Stuttgart wohnt, eine langjährige musikalische Zusammenarbeit.
Skurril und fast gespenstisch
Ebenfalls sehr populär ist Wolfgang Amadeus Mozarts Klarinettenkonzert (KV622). Dem Wiener Hofklarinettisten Anton Stadler gewidmet, gehört insbesondere das kantable Adagio spätestens mit der Verwendung als Filmmusik in „Jenseits von Afrika", zu den bekanntesten Werken des Österreichischen Komponisten. „Die schönste Adventsmusik, die man sich vorstellen kann”, da seien Manz und er sich einig, so Wallinger. Die Niederschritt des A-Dur Konzerts hat Mozart nahezu unmittelbar nach Uraufführung der „Zauberflöte" am 30. September 1791, wenige Wochen vor seinem Tod, beendet. Insofern Ist es sein letztes Solokonzert. Seinerzeit brandneu war die Bassettklarinette, für die Mozart dieses Konzert ursprünglich geschrieben hat. Nachdem es mehr als 150 Jahre in einer Bearbeitung für die normale A-Klarinette erklungen war, hat vor allem Sabine Meyer dazu beigetragen, dass verstärkt wieder rekonstruierte Fassungen mit entsprechenden Instrumenten zu Gehör kommen. Keine Frage, dass Manz, der in Lübeck bei Sabine Mayer und Rainer Wehle studiert hat, ebenfalls eine Bassettklarinette spielen wird.
Zwei weitere Spätwerke komplettieren das Programm: „Wir wollten auf jeden Fall Joseph Haydn und Mieczyslaw Weinberg aneinander rücken”, erklärt Peter Wallinger. Den jüdischen Komponisten polnischer Herkunft, der 1939 nach Moskau floh und ein enger Weggefährte Schostakowitschs war, habe man für sich entdeckt, als der niederländische Primgeiger Tjeerd Top im März 2021 mit der SKB dessen Concertino (Op. 42) aufgeführt hat. Als „Appetizer" (Wallinger) auf einen Weinberg-Zyklus, bei dem alle vier jeweils auf Streichquartette basierende Kammersinfonien uraufgeführt werden, serviert die SKB schon mal dem Moderato-Mittelsatz der 2. Kammersinfonie (Op. 147, 1987). „Ein langsames, skurriles, fast gespenstisches Scherzo, das im Duktus sehr an Gustav Mahler erinnert”, so Wallinger „instrumentales Theater, aber überhaupt nicht illustrativ.” Parallelen zu Haydn sieht Wallinger vor allem in einem Formbewusstsein, dessen Klarheit einem geradezu klassischen Ideal folgt, wobei die eher selten gespielte Sinfonie Nr. 81 in G-Dur, die bei den Adventskonzerten Peter Wallingers Sohn Simon dirigieren wird, vermutlich 1794 entstanden, als letzte der sogenannten Esterhazy-Sinfonien die „experimentelle Phase" Haydns abschließe, und dabei sehr reif und ausgeglichen wirke, im Einzelnen dann aber doch mit recht unkonventionellen Detail aufwarte: „Eigenwillig, aber insgesamt rund und ausgewogen" - mit dieser Definition könnte man dann auch Wallingers komplettes Adventskonzertprogramm überschreiben.
INFO Heute Abend gastiert die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim um 19 Uhr im Bietigheimer Kronensaal, morgen um 17 Uhr im Uhlandbau in Mühlacker. Weitere Infos unter www.sueddeutsche-kammersinfonie.de
Autor: Harry Schmidt
weniger15.07.2022, Vaihinger Kreiszeitung
Heitere Serenaden aus dem hohen Norden
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Die jüngste Matinee der Reihe „Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche ist vor allem skandinavischen Komponisten gewidmet.
LIENZINGEN. In der Klassikreihe „Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche führten die Musiker der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim die Zuhörer auf einer musikalischen Reise in den hohen Norden. Die Reiseroute kam beim Publikum bestens an. Als Solistin gastierte die Geigerin Ursula Schoch, Konzertmeisterin des Concertgebouw Orchesters Amsterdam, bestens bekannt in der heimischen Musikszene und ebenso auf internationalen Bühnen zu Hause.
Einziger nicht skandinavischer Komponist im Programm war der deutsche Max Bruch (1838-1920). Das bekannteste Werk des gebürtigen Kölners ist sein Violinkonzert Nr. 1, und ein erster Gedankensprung ging da fast zwangsläufig hin zur Violin-Solistin. Doch Schoch musste noch nicht den Bogen spannen. Zum Auftakt erklang nicht dieses Konzert von Bruch, sondern seine „Serenade nach schwedischen Volksmelodien“, ein Spätwerk von ihm. Die fünf Sätze entsprechen der traditionellen Serenadenform mit einem Marsch zu Beginn und am Schluss, eingebettet darin ein Andante, Allegro und Andante sostenuto. Einfache, schlichte Melodien von Volksliedern hatte Bruch adaptiert, klar und transparent nun vom Orchester zum Klingen gebracht. Am Pult stand Simon Wallinger und gestaltete mit lebhaftem Dirigat einen bravourösen Auftakt dieser Matinee.
In den nachfolgenden zwei Humoresken op. 89 des norwegischen Komponisten Jean Sibelius (1865-1957) für Sologeige und Orchester konnte nun Ursula Schoch ihr breitgefächertes Können zu Gehör bringen. Sie brillierte in den beiden Sätzen Alla Gavotta und einem Andantino wie auch bei ihrem zweiten Auftritt mit ihrer Interpretation der Romanze G-Dur op. 26 von Johan Svendsen (1840 -1911). Es dirigierte nun der Gründer der Kammersinfonie, Peter Wallinger, der die Solistin schon seit ihrer Schulzeit gefördert hat. Einfühlsam, aber auch selbstbewusst, begleitete das Orchester die Solistin, ließ ihr aber genügend Raum, sich voll zu entfalten. Ihre orchestrale Souveränität brachten die Musiker auch in einem zweiten Werk von Svendsen, „Zwei Isländische Melodien, op. 30“ überschrieben, zum Ausdruck.
Mit Arvo Pärt (geb. 1935), einem estnischen Komponisten, der als einer der bedeutendsten lebenden Komponisten Neuer Musik gilt, wechselte die bisher heitere, unbeschwerte Tonlage auf eine andere Ebene mit Hingabe und beeindruckender Sensibilität um, getragen von der behutsamen Begleitung des Orchesters. Gewidmet hat Pärt dieses Werk Papst Benedikt XVI. und es zu dessen 60. Jubiläum der Priesterweihe ihm selbst vorgetragen. Chihiro Saito stimmt als Solo-Cellistin das „Vater unser“ von Pärt an. Tiefe Stille herrschte im Kirchenraum. Ergriffenheit spiegelte sich in Gesichtern vieler Zuhörer, die tief berührt den bittenden Klangphasen lauschten und vielleicht auch in Gedanken den Text mit der gehörten Melodie verbanden. Das nicht einfache Thema setzte Saito mit Hingabe und beeindruckender Sensibilität um, getragen von der behutsamen Begleitung des Orchesters. Gewidmet hat Pärt dieses Werk Papst Benedikt XVI. und es zu dessen 60. Jubiläum der Priesterweihe ihm selbst vorgetragen.
Einer durfte in dem Konzertreigen selbstverständlich nicht fehlen, nämlich der bekannteste skandinavische Komponist, Edvard Grieg (1843-1907). Mit einer farbenprächtigen Wiedergabe der Suite für Streichorchester op. 40 „Aus Holberg’s Zeit“, in allen spielbaren Nuancen ausgeführt, setzten Peter Wallinger und seine Musiker noch einen Glanzpunkt auf das ohnehin schon hoch anspruchsvolle Musizieren. Festliche Stimmung verbreitete das Präludium, tänzerisch heiter die Sarabande, die zum Träumen verleiten könnte, aber schnell machte die rustikal anmutende Musette wieder munter. Doch dann eine andachtsvolle Air, einem Gebet gleich, das zum Innehalten zwang. Aber nur so lange, bis ein Rigaudon, ein schneller Tanz, einen fulminanten Schlusspunkt setzte. Grieg umriss mit seiner Musik das Lebenswerk von Ludvig Holberg, der, 1684 in Bergen geboren, als Philosoph, Dichter und Humorist zu seiner Zeit Marksteine setzte und Zeitläufe prägte.
Autorin: Eva Filitz
weniger12.07.2022, Ludwigsburger Kreiszeitung
Romantik mit barockem Unterton
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„Sommerliche Serenade“ der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim
BIETIGHEIM-BISSINGEN. Sommer, Sonne, Süden: Ein Dreiklang, der vielen bis zur Selbstverständlichkeit geläufig ist. Doch Peter Wallinger, Dirigent der 1984 gegründeten Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB), hat sich für die genau entgegengesetzte Richtung entschieden und den Programmbogen seiner „sommerlichen Serenade“ mit „Nordische Impressionen“ überschrieben. In der hellen, lichten Weite der Pauluskirche haben sich die 16 Musikerinnen und Musiker der SKB um Wallinger versammelt - so wie vor 38 Jahren, als das Orchester hier seinen ersten Auftritt hatte, Auch Ursula Schoch, die nun im schulterfreien, indigoblauen Abendkleid hinzutritt, hat der Orchesterleiter aus Maulbronn an dieser Stelle erstmals gehört.
In zwei Humoresken für Solovioline und Orchester (Op. 89) von Jean Sibelius zeigt sich, wie innig das musikalische Einverständnis zwischen der in Ludwigsburg geborenen Violinistin, die seit mehr als 20 Jahren als Konzertmeisterin am Concertgebouworkest in Amsterdam wirkt, und Wallinger ist. Ungeheuer virtuos gestaltet Schoch ihren Part, dessen technischer Anspruch allein schon nicht zu unterschätzen ist: Insbesondere der stete Wechsel zwischen sphärischen Kantilenen, Trillern, Prallern, Doppelgriffen und Arpeggien, dazwischen mit der Bogenhand angerissenen Einzeltöne machen das „Andantino“ zur spieltechnischen Herausforderung. Doch Schoch begnügt sich nicht mit Handwerklichem und spürt mit dem warmen, gedeckten Grundton ihrer Guadagnini dem Iyrischen, zuweilen auch exzentrischen Melos der musikalischen Gedanken des 1917 entstandenen Werks nach. Wallinger orientiert sich an seiner formidablen Solistin: Hellwach reagiert die SKB im Presto der tänzerischen „Alla gavotta“.
Nahezu ein halbes Jahrhundert früher datiert Johan Svendsens Romanze in G-Dur für Solo- Violine und Orchester: Der norwegische Komponist hat mit seinem Opus26 eine ungemein eingängige Musik (mit einem Hauch Wiener Kaffeehausflair) geschrieben, die Schoch zu anmutigem Instrumentalgesang nutzt. Großer Beifall für die sympathische Musikerin, Wallinger und die SKB.
Erneut hervorragenden Eindruck hinterließ auch Simon Wallinger, der beim diesjährigen Frühjahrskonzert sein Debüt am Pult der SKB gab: Peter Wallingers Sohn entlockte der spielfreudigen SKB eine vorzügliche Interpretation von Max Bruchs posthum veröffentlichter Serenade auf schwedische Volksmelodien, sorgsam abgestuft in der Dynamik zwischen kammermusikalischer Finesse und sinfonischer Klangballung.
Hier wie auch in Edvard Griegs Suite „Aus Holbergs Zeit“ (Op.40) offenbart dieses skandinavisch-( spät-)romantische Programm zudem einen barocken Unterton, der selbst noch in den Östinati und Fugati der Humoresken von Sibelius nachhallt. Ein wundervoll zurückgenommener, umso eindringlicherer Moment innerer Einkehr war die Wiedergabe des „Vater unser“ von Arvo Pärt in einer Bearbeitung für Solo-Cello und Orchester durch Chihiro Saito, die seit vielen Jahren als Stimmführerin der Celli in den Reihen der SKB zu hören ist, mit dem Wallinger-Orchester.
Autor: Harry Schmidt
weniger29.04.2022, Ludwigsburger Zeitung
Mit kontrollierter Vehemenz
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Bei der Süddeutschen Kammersinfonie steht erstmals Simon Wallinger am Pult
BIETIGHEIM-BISSINGEN. Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt: Ursprünglich war geplant, dass Simon Wallinger lediglich den ersten Teil des traditionellen Frühjahrskonzerts der von seinem Vater Peter Wallinger
1984 gegründeten Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) dirigiert. Doch nachdem dieser in der Probenphase erkrankte, übernahm sein Sohn bei seinem Debüt am Pult der SKB das Dirigat des im Kronenzentrum gegebenen Konzerts.
„La Passione“ ist das einmal mehr sorgsam ausgefeilte, ungemein runde und beziehungsreiche Programm Peter Wallingers überschrieben, und die Leidenschaft für die Schätze der klassischen Musik — das vermittelt sich mit den ersten Takten der Prelude zu Georges Bizets 1875 uraufgeführter Oper „Carmen” — liegt hier zweifellos in der Familie: Simon Wallinger, an der Münchner Hochschule für Musik und Theater in den Fächern Klavier und Kontrabass ausgebildet und auch in Historischer Aufführungspraxis geschult, gibt in diesem temperamentvollen Auftakt im Arrangement seines Vaters ein zügiges Tempo vor und lässt sich auch nicht aus dem Konzept bringen, als genau in der Pianostelle zwischen dem populären Torero-Marsch und „Auf in den Kampf“ ein Handyklingelton in die Ouvertüre einschaltet.
Bühnenmusik ist auch Christoph Willibald Glucks 1761 uraufgeführte Ballettmusik zu „Don Juan“: Die folgende Dramatik kündigt sich bereits an im für die Entstehungszeit ungeheuer modern tönenden Larghetto („Der Geist ermahnt Don Juan"), bevor sich im als „Furientanz“ aus der später datierenden Oper „Orpheus und Euridice" bekannten Allegro die Pforten der Hölle öffnen. Wallinger gestaltet diese an Vivaldi-Gewitterpassagen erinnernde Höllenfahrt mit kontrollierter Vehemenz. In nuancierter Zeichengebung arbeitet er die dynamischen Kontraste heraus, vereint ruckartige, energische Impulse mit Fingerspitzengefühl bei Ansprache der 18 Musikerinnen und Musiker der hellwach reagierenden und nahezu makellos intonierenden SKB.
Handverlesene Profis am Werk
Von den familiären Strukturen der SKB sollte man sich indes nicht täuschen lassen: Zwar handelt es sich bei dem Ensemble nicht um ein stehendes, sondern um ein Projekt-Orchester, doch die Musiker, die Peter Wallinger um sich schart, sind allesamt handverlesene Profis und werden nicht selten zu Wiederholungstätern. Andererseits ist Wallinger auch stets darauf bedacht, dem demografischen Wandel durch Verjüngung entgegenzuwirken — auch in der aktuellen Besetzung sind wieder viele neue Gesichter auszumachen. Die Spritzig- und Wendigkeit des Ensembleklangs profitiert hörbar davon.
Ob Joseph Haydns 1768 komponierte Sinfonie Nr. 49 für ein Theaterstück namens „Il Quakero di bel ’'humore“ („Der gutgelaunte Quäker“) oder, worauf neue Quellen hinweisen, das französische Lustspiel „La jeune indienne“ („Die junge Indianerin“) von Nicolas Chamfort entstand, ist nicht gesichert. Fest steht, dass die Sinfonie mit dem Beinamen „La passione" in der für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Tonart f-moll eine zerklüftete, dunkel grundierte Partitur anbietet, die man gemeinhin eher nicht mit Haydn in Verbindung bringen würde. Wallingers Interpretation folgt der in Richtung Musiktheater weisenden Deutung und betont die szenisch-räumliche Wirkung der Musik — enorm plastisch wirkt das finale Presto.
Noch eine Premiere: Ausgezeichneten Eindruck hinterlässt auch Swantje Asche-Tauscher als designierte neue Konzertmeisterin: Höchst aufmerksam in der Stimmführung, virtuos in den Teilen, in denen sie solistisch gefordert ist, Große Begeisterung im mit rund 100 Besuchern bedauerlicherweise unterdurchschnittlich besetzten Kronensaal.
Autor: Harry Schmidt
weniger23.04.2022, Ludwigsburger Kreiszeitung
Facetten der Leidenschaft
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Simon Wallinger gibt heute sein Debüt am Pult der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim
BIETIGHEIM/MÜHLACKER. Am Kontrabass war Simon Wallinger bereits mehrfach in den Reihen der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) zu erleben. An diesem Wochenende gibt er nun sein Debüt am Pult des von seinem Vater Peter Wallinger 1984 gegründeten Ensembles. Das traditionelle Frühjahrskonzert der SKB wird zweimal gegeben: Am heutigen Samstag kommt das „La Passione“ überschriebene Programm im
Bietigheimer Kronenzentrum zu Gehör, am morgigen Sonntag im Uhlandbau in Mühlacker. Ursprünglich war Simon Wallinger lediglich für den ersten Teil als Dirigent eingeplant, doch nachdem Peter Wallinger noch eine Erkältung auskuriert, übernimmt sein Sohn kurzfristig die Leitung des kompletten Konzerts.
Im Mittelpunkt steht mit Joseph Haydns 1768 komponierter Sinfonie Nr. 49 in f-Moll ein Werk, dessen exzentrische Intensität Anlass zu verschiedenen Spekulationen gegeben hat. Ihr Beiname „La passione“ (Italienisch: Leidenschaft, Leidenszeit) geht nicht auf Haydn zurück, sondern verdankt sich wohl einer Ergänzung eines zeitgenössischen Kopisten. Während ein Leipziger Aufführungsbericht von 1811 auf die Verarbeitung eines Trauerfalls bei Haydn hindeutet, gehen andere Quellen davon aus, dass die f-moll-Sinfonie als Bühnenmusik für ein Theaterstück names „Il Quakero di bel’humore“ („Der gut gelaunte Quäker") entstanden sei.
Für Simon Wallinger, der, nachdem er sein Studium an der Münchner Hochschule für Musik und Theater (Klavier und Kontrabass) mit Bestnoten abgeschlossen hatte, noch ein weiterführendes Studium in Historischer Aufführungspraxis mit Hauptfach Cembalo draufgesattelt hat, bevor er ein zweijähriges Engagement als Kontrabassist beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks antrat, enthalten solche Quellen
wichtige Hinweise. Dabei halte er die Spielweise für entscheidender als die Verwendung historischer Instrumente: „Es steckt wirklich viel Arbeit drin, eine solche Partitur richtig zu deuten. Ein Forte bei Haydn heißt etwas ganz anderes als eines bei Mozart." Was beim einen „laut“ bedeute, könne bei jenem als „plötzlich“ gemeint sein.
Bedingungen von Freiheit und Frieden
Neben der Nähe zur Osterzeit klingen im sinnfälligen Motto „La Passione“ natürlich auch Gegenwartsbezüge an. Deshalb wird der Berliner Schauspieler und Sprecher Johann-Michael Schneider zwischen den Musikstücken zwei Gedichte von Friedrich Schiller einflechten, die Grundbedingungen von Freiheit und Frieden thematisieren. Zwei weitere Auslegungen des Begriffs „Lei denschaft" kommen mit der Prelude zu George Bizets „Carmen"“ sowie dem Larghetto und als „Furientanz" bekannten Allegro aus Christoph Willibald Glucks Ballettmusik zu „Don Juan“ ins Spiel.
Nach der Pause wird Wolfgang Amadeus Mozarts Sinfonia Concertante für Solovioline, Soloviola und Orchester (KV 364) mit den Solistinnen Sachiko Kobayashi und Tomoko Yamasaki vom renommierten Lotus String Quartet erklingen. Dass Simon Wallinger, der Anregungen in Meisterkursen von Johannes Schlaefli erhielt und erste Dirigiererfahrungen mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz und als Leiter der Lienzingen-Akademie vorweisen kann, nun erstmals die SKB dirigiert, lässt sich durchaus auch als Vorzeichen für die weitere Zukunft des Orchesters verstehen: Auch für die kommenden Konzerte sei eine Zusammenarbeit geplant, eine Stabübergabe perspektivisch gut denkbar, so die Wallingers. Übrigens handelt es sich bei Simon Wallingers SKB-Dirigat nicht um die einzige Premiere dieses Frühjahrskonzerts: Erstmals fungiert Swantje Asche-Tauscher als Konzertmeisterin der SKB.
Autor: Harry Schmidt
weniger26.04.2022, Pforzheimer Zeitung
Werke der Wiener Klassik bereiten beim Frühlingskonzert der Sueddeutschen Kammersinfonie grandiosen Hörgenuss.
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Mühlacker. Der empörende Krieg gegen die Ukraine lässt sensible Künstler nicht kalt. Mitfühlend reagierten auch die Programmgestalter des Frühlingskonzertes "La Passione" beim MühlackerConcerto. Auf dem Podium im Uhlandbau agierte neben Peter Wallingers sueddeutscher kammersinfonie bietigheim der Schauspieler Johann Michael Schneider. Seine lebendigen Rezitationen fügten sich sinnfällig in den Musikvortrag ein.
Das vom Orchester mit Tempo, kraftvoll und akzentstark interpretierte Prélude aus Georges Bizets Oper "Carmen" endete abrupt wie vom Donner gerührt, um Friedrich Schillers Gedicht "Der Antritt des neuen Jahrhunderts", das Mord und "des Krieges Toben" beklagt, Gehör zu verschaffen. Und auf den höllischen "Furientanz" aus Christoph Willibald Glucks Ballettmusik zu "Don Juan" folgten mit Schillers philosophischen Versen "Die Worte des Wahns".
Zwei sinfonische Werke der Wiener Klassik standen im Zentrum des Konzertabends, das beim Publikum für einen nachhaltigen Eindruck sorgte. Vor der Pause Joseph Haydns Sinfonie Nr. 49 in f-Moll, die den Beinamen "La Passione" nicht nur erhalten hat, weil sie in der Passions-Tonart komponiert ist. Sondern überhaupt den Moll-Ernst ausspielt und sich passagenweise in düsteren Klangfarben ergeht.
Die Mühlacker Wiedergabe setzte gleichsam in der Art einer Kirchensonate ein und wurde im "Adagio" von der breiten Leidensrhetorik der Violinstimmen getragen. Dynamisch kontrastreich formte die Kammersinfonie das folgende "Allegro di molto" aus, um im "Menuett" mit feinen Bläsermelodien den musikalischen Sturm abzumildern – der im "Presto"-Finale erneut mit orchestraler Heftigkeit einsetzte.
Begeisternde Interpretation des Hauptwerkes
Nach der Pause offerierte das Ensemble, das an diesem Abend von Peter Wallingers Sohn Simon geleitet wurde, Wolfgang Amadeus Mozarts "Sinfonia concertante in Es-Dur" (KV 364) für Violine, Viola und Orchester. Solisten, Kammersinfonie und Dirigent sorgten für eine begeisternde Interpretation des Hauptwerkes dieser Gattung. Ein klangprächtiges Orchestervorspiel mit alternierenden Hörnern und Oboen bereitete im ersten Satz den fast unmerklichen Einsatz der beiden Solisten vor.
Elegische Intensität
Dann aber spielten Sachiko Kobayashi (Violine) und Tomoko Yamasaki (Viola), die seit Jahren gemeinsam im Lotus String Quartet musizieren, im Glanze ihres völligen Einverständnisses mit einer einander ständig imitierenden Brillanz, wie man sie selten zu hören bekommt. Unglaubliche Reinheit des Melos zeichnete die Geigenstimme aus, Fülligkeit und Tiefe die der Bratsche.
Der schwermütig-langsame Moll-Mittelsatz beeindruckte mit stimmungsvoll elegischer Intensität, das Finale bot den erlösenden, spielerischen Kontrast. Und die auskomponierten Kadenzen waren – von den beiden Solistinnen in gegenseitiger Feinabstimmung ausgeführt – einfach ein Genuss.
Freilich darf die Leistung des von Simon Wallinger mit jugendfrischem Elan, Einsatzgenauigkeit und großer Werke-Kenntnis exzellent geleiteten Orchesters keinesfalls unterschlagen werden. Weil man kaum gleichrangige Solisten für die Aufgabe findet, wird dieses Mozartkonzert selten aufgeführt. In Mühlacker aber war das konzertante Kabinettstück grandios zu erleben.
Autor: Eckehard Uhlig
weniger26.04.2022, Mühlacker Tagblatt
Vier Komponisten und ein Dichter
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Beim Frühjahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim im Uhlandbau überzeugt Simon Wallinger als Dirigent.
Mühlacker. „La Passione“ war der Titel des Frühjahrskonzerts 2022 der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim im Uhlandbau Mühlacker, bei dem Werke von vier Komponisten und einem Dichter vorgestellt wurden. Dabei nannte keiner von ihnen seine Arbeit „La Passione“.
Schwungvoll, geradezu feurig begann es mit dem „Prélude“ zur Oper „Carmen“, die heute zu den am meisten gespielten Werken des Genres gehört. Dabei hatte sie bei der Uraufführung 1875 nur geringen Erfolg, denn die Geschichte war ihrer Zeit voraus, und auch von der Musik waren nicht wenige überfordert und empfanden sie nur als lärmend. Dagegen bot jetzt in Mühlacker Simon Wallinger, der in diesem Konzert das „vollständige Dirigat übernahm, nachdem Peter Wallinger die Probenphase krankheitshalber nicht beginnen konnte“, mit seiner kongenialen Interpretation einen in jeder Beziehung gelungenen Einstieg in das diesjährige Frühjahrskonzert.
Dann kam Friedrich Schiller mit seinen neun vierzeiligen trochäischen Strophen in Kreuzform zu Wort. 1801 geschrieben, mit dem Blick auf den Kampf zweier Großmächte um die Weltherrschaft, ist dieses Gedicht auch heute noch oder wieder aktuell. Vorgetragen wurde es von dem 55-jährigen Johann Michael Schneider, der mit seiner Ausbildung, zum einen als Schauspieler, zum anderen als Musiker mit einem Violinstudium, geradezu die idealen Voraussetzungen für eine Mitwirkung in dem vorgegebenen Rahmen mitbrachte. Nach diesem „Antritt des neuen Jahrhunderts“ rezitierte er später noch „Die Worte des Wahns“ von Friedrich Schiller aus dem Jahr 1799.
Zuvor war jedoch Christoph Willibald Gluck an der Reihe, und zwar mit dem Larghetto „Der Geist ermahnt Don Juan“ und dem Allegro „Die Hölle öffnet sich“ aus der Ballettmusik zu „Don Juan“. Dabei handelt es sich um eine eigens für ein Ballett geschaffene Komposition, das 1761 in Wien, choreografiert von Gasparone Angiolini, uraufgeführt wurde. Zunächst langsam, behutsam, fordernd, dann furios, aufreizend, teils erschreckend erklangen die zwei Sätze der Ballett-Komposition.
Danach brachte die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim das Werk zur Aufführung, das dem ganzen Konzert den Titel gab und das auch in diesem Fall so bezeichnet wurde. Dabei nannte Joseph Haydn diese Arbeit, die er 1768 schrieb, während er als Kapellmeister beim Fürsten Nikolaus I. Esterházy angestellt war, lediglich „Sinfonia in F minor“. Der Titel „La Passione“ geht vielmehr auf einen Eintrag in der Abschrift eines Leipziger Kopisten um 1790 zurück. Im Haydn-Verzeichnis der Züricher Neujahrsblätter von 1831 wird das Werk als „La Passione oder Trauersinfonie“ aufgeführt. Später taucht dann auch noch der Titel „Il Quakero di bel’humore“ auf. Auf jeden Fall ist die Sinfonie Nummer 49 f-Moll die einzige Sinfonie Haydns in der für die damalige Zeit ungewöhnlichen „Passionstonart“ f-Moll, die sich dazu durch differenzierte Dynamik und Rhythmik sowie starke Intervallsprünge auszeichnet. Etwas traurig, dann lebhafter und freudiger werdend, erklang das Adagio, beschwingt, heiter, leichtfüßig das Allegro di molto. Beim spielerischen Menuett sah man die nur musikalisch vorhandenen Akteure geradezu in tänzerischen Bewegungen vor sich. Einer Sturmmusik glich das Presto-Finale der Sinfonie, deren Ausdruckshaltung der Musikhistoriker Ludwig Finscher als extrem dramatisch bezeichnete und die vielleicht sogar einmal als Bühnenmusik herhalten musste.
Nach der Pause hörte man die von Wolfgang Amadeus Mozart 1779 in Salzburg komponierte Sinfonia concertante Es-Dur KV 364, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts weniger bekannt war. In seinem Bemühen, der Viola einen Platz als Soloinstrument zu schaffen, nahm der englische Bratschist Lionel Tertis das Werk in sein Programm auf und spielte es 1924 mit dem Geiger Fritz Kreisler.
Diese Parts übernahmen jetzt die Japanerinnen Tomoko Yamasaki (Viola) und Sachiko Kobayashi (Violine). Zusammen mit der Kammersinfonie interpretierten sie - unter der ebenso sensiblen wie ausdrucksstarken musikalischen Leitung von Simon Wallinger – die Komposition, von der nicht wenige Passagen als Filmmusik in verschiedenen Streifen verwendet wurden. Fröhlich, unterhaltsam, lustig und lebhaft erklang das Allegro maestoso, eher bedächtig, nachdenklich stimmend das Andante, bei dem vor allem die Solistinnen brillierten, und schließlich beschwingt heiter das Presto-Finale.
Autor: Dieter Schnabel
weniger25.04.2022, Bietigheimer Zeitung
Klassik voller Leben im Kronenzentrum
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Die Sueddeutsche Kammersinfonie Bietigheim spielt „La Passione“ im Kronenzentrum.
La Passione bedeutet Hingabe. Und Hingabe an die Musik - das gab es zu allen Zeiten von Seiten der Musiker und der Zuhörer.
Ein Konzert mit dem Titel „La Passione“ zu überschreiben, trifft sozusagen immer den Nagel auf den Kopf und ist unabhängig von Epochen und Werken.
Eigentlich wollte der Dirigent der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim, Peter Wallinger, beim Konzert im Kronenzentrum mit zwei renommierten japanischen Solistinnen den Stab selbst führen. Krankheitsbedingt schied Wallinger jedoch aus und überließ seinem Sohn Simon das Dirigat. Simon Wallinger studiert Kontrabass und Klavier in München und leitete auch die Proben zum Konzert. Er gab im Kronenzentrum sein Debüt.
Feuriger Auftakt mit Carmen
Feurig stimmt Simon Wallinger das Prélude aus der Oper Carmen von Georges Bizet an und gibt damit die Marschrichtung vor. Klassik muss rasant und klangfarbenreich sein, will man heute Menschen dafür begeistern und erreichen. Das weiß Simon Wallinger.
Seine Körpersprache zeigt ihn als leidenschaftlichen Dirigenten mit Köpfchen, der ein strahlendes Lächeln zu verschenken hat.
Für Besucher, die auch die Information hinter dem Konzert schätzen, gibt Musikwissenschaftlerin Dr. Christina Dollinger vor Konzerten dieses Formats eine Einführung im separaten Saal. Dabei erfährt man, dass Bizet mit Carmen eine realistische Milieuschilderung versucht hat, die zunächst auf Ablehnung bei seinen Komponistenkollegen stieß. Auch Christoph Willibald Gluck, der das zweite Werk des Abends beisteuert, thematisiert Liebe, Leidenschaft, Tod und Abschied. Er befeuert das Motto des Abends mit seiner Ballettmusik Don Juan. Carmen bekommt hier einen männlichen Gegenspieler, und immer noch geht es um Hingabe im Konzert „La Passione“.
Hingabe ergreift jeden Musiker an diesem Abend. Das zeigen Gesichter und Gesten. Jeder ist vertieft und hingebungsvoll, auch bei Josef Haydns berühmter Sinfonie Nr. 49, die tatsächlich mit einem lyrischen langsamen Satz beginnt, anstatt einen markanten Opener zu liefern. In Haydns Sinfonie Nr. 49 dürfen sich die Stimmen ausbreiten und miteinander „reden“ in der Tiefe des Gedankens. Beeindruckend wie fingerfertig und technisch versiert der ganze Streichapparat auftritt. Bläser füllen die Klangfarben auf und glänzen im Detail. Das fesselt.
Besondere Freude macht der Doppelpack an Solisten im zweiten Teil. Zwei Japanerinnen geben sich die Ehre: Sachiko Kobayashi an der Violine und Tomoko Yamasaki an der Viola. Beide zusammen begegnen dem Bietigheimer Publikum in Mozarts Sinfonia concertante, ein Klassiker für Mozartfans mit vielen Zierfiguren wie Triller und Praller. Die Solistinnen gehen recht schnörkellos an die Sache heran. Gemeinsam entwerfen beide charmante Dialoge, indem die eine die Melodielinie der anderen aufgreift und weiterführt. Dieses typisch Neckische zeichnet die galante Sinfonia concertante aus, ein Mischtypus zwischen Sinfonie und Solokonzert, eine Laune ihrer Zeit.
Zitate von Schiller
Zu all den Tönen kommen Zitate von Friedrich Schiller auf die Bühne. Es sind wahre Worte über das Leben selbst, Auszüge aus „Der Antritt des neuen Jahrhunderts“.
So eine Rückkehr in den Facettenreichtum der Kammermusik haben sich die Bietigheimer Klassikfans gewünscht. Minutenlang brandet der Applaus.
Autorin: Susanne Yvette Walter
weniger05.02.2022, Mühlacker Tagblatt
Der Saal für gehobene Ansprüche
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In einem Vortrag von Dirigent und Festivalleiter Peter Wallinger steht die Wiederentdeckung des Mühlacker Uhlandbaus als Konzertsaal im Mittelpunkt. 55 Konzerte der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim hat es dort seit 2004 gegeben.
Mühlacker. Musikalische Höhenflüge und Ereignisse in und um den Uhlandbau seit 2004 ließ Peter Wallinger am Donnerstagabend bei einer VHS-Veranstaltung im Heimatmuseum Mühlacker Revue passieren. Der Konzertveranstalter und Dirigent der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim berichtete in einem kurzweiligen Vortrag über die Bedeutung des Uhlandbaus als Konzertsaal. Ergänzende Wortbeiträge von Maiken und Simon Wallinger sowie Susanne Bökenheide rundeten das Thema ab. Zwischendurch kam, passend zu den einzelnen Beiträgen, auch die Musik „zu Wort“.
Im Uhlandbau aufgezeichnete Musikstücke der Kammersinfonie Bietigheim ließen lang vermisstes Konzertflair entstehen. Darunter waren bekannte Kompositionen wie Brahms’ „Ungarischer Tanz“ oder Schuberts „Menuett in d-moll“. Mit dem Vortrag und einer letzten Kuratoren-Führung durch die Sonderausstellung „Dennoch...“ endet die Veranstaltungsreihe zum 100-jährigen Bestehen des Uhlandbaus am Sonntag.
„Die Musik spielte bei der Errichtung des Uhlandbaus eine große Rolle“, sagte Peter Wallinger zu Beginn. Dafür spreche die Ausstattung mit damals modernster Bühnentechnik wie Rundhorizont oder Schnürboden, die Installation eines Orchestergrabens und das für eine gute Akustik richtige bauliche Verhältnis von Höhe, Breite und Tiefe. Auch scheinbare Kleinigkeiten wie die leichte Wölbung der Bühnenrückwand, die den nach außen dringenden Klang bündelt, seien bedacht worden.
Wallinger hat den Uhlandbau bereits in früher Jugend über die Musik kennengelernt. „Schlüsselerlebnisse waren Aufführungen des Schülerchors und Soloauftritte mit der Geige im Schulorchester“, sagte er. Durch die bewegte Geschichte des Uhlandbaus und der Familie Emrich sei er zu dem Entschluss gekommen, selbst Konzerte im Uhlandbau zu geben.
„Mit Brahms’ ‚Ungarischem Tanz‘ starteten wir im April 2004 unsere Konzerte, nachdem wir uns vorher von der hervorragenden Akustik des Saales überzeugt hatten. Nach weiteren Musikaufführungen etablierten wir drei Jahre später die Winterkonzertreihe ,Mühlacker Concerto‘ als Gegenstück zum ,Musikalischen Sommer‘ in der Lienzinger Frauenkirche“, so Wallinger. Ohne Schwierigkeit sei die Anfangszeit nicht abgelaufen: Herausforderungen bestanden bei der Sponsorensuche, beim Transportieren schwerer Konzertflügel oder bei den Verhandlungen über Mietzahlungen mit der Stadt Mühlacker. Ein wichtiger Schritt sei die Etablierung des Fördervereins „Mühlacker Klassik e.V.“ im Jahr 2011 gewesen.
„Uhlandbau und Kammersinfonie sind eine glückliche Symbiose“, sagte Wallinger. Es handle sich zwar um einen Konzertsaal im kleinen Format, der aber eine Intimität und Wärme des Klangs erziele, die die großen Konzertsäle von heute nicht erreichten. „Unser Orchester nennt sich ganz bewusst Kammersinfonie, ist also ein Orchester in reduzierter sinfonischer Besetzung. Das Musizieren im kleinen Format entspringt unserer Musizierhaltung, bei der jeder einzelne Spieler voll gefordert ist. Ein klangdifferenziertes, fein artikuliertes, schlankes Spiel ist so möglich und schafft eine besondere Frische und Vitalität der Darbietungen“, sagte der Orchesterleiter. Außerdem ermögliche die kleinformatige Besetzung entschlackte und transparente Interpretationen. Werke der Klassik und Romantik mit Kompositionen von Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann oder Mendelssohn seien für diese reduzierte Orchestergröße konzipiert, so Wallinger.
„Seit 2004 hat die Kammersinfonie 55 Konzerte im Uhlandbau gegeben. Im Zusammenhang mit dem Jubiläumsjahr war uns die Aufführung von Werken jüdischer Komponisten wichtig. Leider konnten wir diese teilweise nur als Video-Aufzeichnung darbieten“, erläuterte Wallinger. So habe man Werke von Felix Mendelssohn Bartholdy, Gustav Mahler, Samuel Barber, Mieczyslaw Weinberg, George Gershwin und Gideon Klein, einem hochbegabten Komponisten, der 25-jährig im KZ Theresienstadt sein Leben lassen musste, aufgenommen.
Maiken Wallinger, Ehefrau des Orchesterleiters, erzählte einige Anekdoten, die sich in und um den Uhlandbau zugetragen haben, beispielsweise über Großputzaktionen der Bestuhlung, Schneeschippen auf dem Dachboden oder die oft waghalsigen Aktionen zur Verbesserung der Bühnenbeleuchtung. Simon Wallinger präsentierte dem Publikum mit seinem sperrigen Kontrabass eine kleine Sketch-Szene, die den Ablauf eines Uhlandbau-Konzerts aus Musikersicht eindrucksvoll darstellte.
Susanne Bökenheide, Office-Managerin der Bietigheimer Kammersinfonie, beleuchtete die 2014 im Uhlandbau gestartete Aktion „Schülerkonzerte“, die gemeinsam mit der Bad Pyrmonter Theaterkompanie angeboten werden. „Grundschulen aus allen Mühlacker Stadtteilen und der näheren Umgebung werden alljährlich im Frühjahr von in kleiner Besetzung spielenden Ensembles der Kammersinfonie spielerisch an die Musik herangeführt“, sagte Bökenheide. Ein Geschichtenerzähler schreibe dafür jedes Jahr ein neues Stück wie etwa „Krach mit Bach“ oder „Beethoven zieht um“, für das dann aus Originalmusikstücken ein sinnvolles Arrangement kreiert werde.
Mit einem nachdenklichen Beitrag von Maiken Wallinger zur Erinnerungskultur endete die Veranstaltung. „Was kann Erinnerungskultur sein? Nicht Schuldkultur, sondern ein Ringen um Wissen, ein Kennen und Anerkennen von Geschehenem in einer vergangenen Zeit, an einem noch jetzt hier bestehenden Ort“, gab sie zu bedenken und berichtete über ein zufälliges Erlebnis während eines Urlaubs mit ihrem Mann im Fischerdörfchen Sanary in der Nähe von Marseille. Dort fand im Herbst ein Forum der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft statt. „Sanary war zwischen 1933 und 1945 ein ‚Paradies auf Zeit‘ für einen großen Kreis dem Nazideutschland entflohener Künstler, die von dort aus ins Exil gingen oder teilweise doch noch deportiert wurden“, sagte sie. Ihnen sei bewusst geworden, dass immer, wenn der Uhlandbau mit seiner geschichtsträchtigen Bedeutung für Mühlacker beschrieben werde, voller Stolz von dem blühenden Musikleben der Anfangszeit die Rede sei. Leider werde dann über die Wege, welche diese „Größen“ aufgrund ihrer jüdischen Herkunft später gehen mussten, nicht weitergesprochen.
Autor: Manfred Müller
weniger25.01.2022, Ludwigsburger Kreiszeitung
Zwischen Erinnerung und Zuversicht
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Das Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim unter Peter Wallinger mit Sebastian Manz
Mühlacker. „Dennoch – denn noch klingt die Musik“ hat Peter Wallinger das Neujahrskonzert mit seiner Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) überschrieben. Der trotzig mahnende Tonfall kommt nicht von ungefähr und ist mehrfach determiniert. In der Vergangenheit war diese Veranstaltung im Kulturkalender von Bietigheim und Murr fest verankert, doch wie bereits das Herbstkonzert der SKB konnte nun auch das traditionelle Neujahrskonzert lediglich in Mühlacker im dortigen Uhlandbau vor begrenzter Besucherzahl stattfinden. Erneut hat sich Wallinger zu einer Videoaufzeichnung entschlossen und stellt mit dem Neujahrskonzert bereits den sechsten kostenfrei abrufbaren Stream seines 1984 gegründeten Ensembles ins Internet.
„Dennoch“ stand auch über der Bühne des Uhlandbaus zu lesen, als das von der kunstsinnigen jüdischen Familie Emrich finanzierte, in einer Rekordbauzeit von 99 Tagen errichtete Konzerthaus im Oktober 1921 eröffnet wurde. Wie das Herbstkonzert trägt auch das Programm der jüngsten Produktion der SKB diesem Jubiläum in mehrfacher Hinsicht Rechnung. Vor allem hat Wallinger mit dem Lento aus der „Partita für Streicher“ von Gideon Klein ein Stück in den Mittelpunkt gestellt, das der tschechisch-jüdische Pianist und Komponist im KZ Theresienstadt geschrieben hat, kurz bevor er als 24-Jähriger nach Auschwitz deportiert wurde. Wie die dort ebenfalls internierten Emrichs hat Klein das Massenvernichtungssystem der Nazis nicht überlebt. Das Gewicht der Bedrohung und die Gewissheit existenzieller Geworfenheit sind dieser ungeheuer eindringlichen Musik einkomponiert – mit großem Ernst setzt Wallinger die Emotionen frei, die innige Interpretation der SKB geht auch dem Rezipienten vor dem Bildschirm noch direkt unter die Haut.
Bemerkenswert, wie es Wallinger gelingt, diesen nachdenklichen Ton im Verlauf des knapp einstündigen Programms gleichzeitig als roten Faden beizubehalten wie ihn zu transzendieren. Denn in Wallingers Zerfällung „denn noch“ klingt nicht nur die Mahnung an, dass der aktuelle Zustand für ein Orchester ohne ein großes Haus im Rücken nicht dauerhaft zu überstehen ist, sondern auch ein gewisses Maß an Hoffnung und Zuversicht. Hier kommt Sebastian Manz mit seinen an Eigenkompositionen grenzenden Arrangements ins Spiel: Spürbar gut aufgelegt gestaltet der Soloklarinettist des SWR Symphonieorchesters Astor Piazzollas melancholisch-nostalgische Reflexion über den Tango in „Café 1930“. Hier wie in der folgenden „Promenade – Walking the dog“, 1937 von George Gershwin für den Film „Shall We Dance“ mit Fred Astaire und Ginger Rogers komponiert, überlässt Wallinger die SKB komplett der Führung durch seinen grandiosen Solisten. Die dankt es mit hellwacher Spielfreude und folgt Manz und seinen lautmalerischen Kapriolen, bei denen sich vor dem inneren Auge sofort Bilder einer Gassigeher-trifft-Gassigeherin-Szene einstellen, gewissermaßen bei Fuß.
So virtuos wie klangsinnlich nimmt sich Manz der kapriziösen Fantasia aus Carl Maria von Webers Klarinetten-Quintett (op.34) an. Ein Wendepunkt ins Heitere, dem die zehnköpfig besetzte SKB mit Simon Wallinger am Kontrabass zusätzlich Volumen und Tiefe verleiht, während Manz den kompletten Tonumfang seines Instruments auslotet. Überbordende Lebensfreude dann im „Klezmer-Medley“, das Manz aus der „Israeli-Suite“ von Helmut Eisel herausdestilliert hat. Die umwerfende Ausgelassenheit, mit der er das musiziert, wirkt ansteckend und überträgt sich direkt auf die Musikerinnen und Musiker der SKB. Erneut hat Wallinger auch den Berliner Schauspieler Johann-Michael Schneider engagiert, der zwischen den Musikbeiträgen Lyrik von Mascha Kaléko und Hilde Domin eine Stimme gab – sein pointierter Vortrag, in dem auch die Musikalität dieser Texte anklingt, trägt ebenfalls maßgeblich zum Gelingen dieses ungewöhnlichen Neujahrskonzerts bei.
Info: Das Neujahrskonzert der SKB ist kostenfrei unter
www.sueddeutsche-kammersinfonie.de und
www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto abrufbar.
Autor: Harry Schmidt
weniger15.01.2022, Mühlacker Tagblatt
Neujahrskonzert begeistert mit „unglaublichem“ Solisten
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Klarinettist Sebastian Manz bietet im Uhlandbau gemeinsam mit der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim ein spannendes Programm.
Mühlacker. Als vor ziemlich genau 100 Jahren der Mühlacker Uhlandbau eingeweiht wurde, war über der Bühne der Schriftzug „Dennoch“ angebracht, der sich auf eine Vorgeschichte mit diversen Unwägbarkeiten bezog. Heute ist man in Mühlacker froh über das in Rekordzeit von nur neunundneunzig Tagen errichtete Gebäude, in dem seit vielen Jahren auch die Musiker der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim mit ihrem Gründer und Leiter Peter Wallinger auftreten. Für das diesjährige Neujahrskonzert – das zweite unter Corona-Bedingungen – hatte er eben jenes „Dennoch“ als Motto ausgewählt.
Die Menschen sind nach zwei Jahren Pandemie ungeduldig und der unbequemen Einschränkungen müde geworden, viele sind auch verzweifelt, in ihrer beruflichen Existenz bedroht oder depressiv. Das trotzige „Dennoch! - Denn noch klingt die Musik“ wollte bewusst einen Kontrapunkt zur allgemeinen Stimmungslage setzen, mit einem an Überraschungen reichen, glänzenden und klug zusammengestellten Konzert, das vor knapp 100 Zuhörerinnen und Zuhörern gegeben und aufgezeichnet wurde. Ab Sonntag soll es über www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto oder www.sueddeutsche-kammersinfonie.de als Internet-Video einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden.
Das Überraschungspotenzial der Veranstaltung lag weniger an den Akteuren als an dem außergewöhnlichen musikalisch-literarischen Programm, das sich mit mehreren Crossover-Feldern deutlich von den üblichen Mainstream-Klassikveranstaltungen abhob, spannte es doch einen weiten Bogen von der Klassik bis hin zu Tango Argentino, Jazz und Klezmer. Piazzolla, Gershwin, Klein oder Eisel sind nicht eben jene Komponistennamen, die man in Programmheften häufig vorfindet.
Der unangefochtene Star des Neujahrskonzerts 2022 war ohne jeden Zweifel der sensationelle Klarinettist Sebastian Manz. Er ist Preisträger zahlloser Wettbewerbe und wurde 2010, erst 24-jährig, Solo-Klarinettist des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR. Bei der Süddeutschen Kammersinfonie war Manz bereits viermal zu Gast und spielte als Solist – unvergesslich für viele Konzertbesucherinnen und Besucher - die bekannten Klarinettenkonzerte von Françaix, Weber und Mozart. Ebenfalls zum wiederholten Male dabei war der Berliner Schauspieler, Musiker, Regisseur und Sprecher Johann-Michael Schneider, der zwischen den Musikstücken sinnfällige Texte von Hilde Domin und Mascha Kaléko rezitierte. Die musikalischen Partner Sebastian Manz’ waren zehn Musikerinnen und Musiker der Kammersinfonie.
Zu Beginn spielten Manz und die begleitenden Streicher das „Café 1930“ des Argentiniers Astor Piazzolla nach einem eigenen Arrangement des Klarinettisten. Piazzolla hat vor rund 100 Jahren den Tango in die Klassik geholt und damit auch künstlerisch geadelt. Das „Café 1930“ ist ein schwermütiger Gesang im Puls des Tango Argentino. Manz und die Streicher zelebrierten das Stück sensibel, hochemotional und reich an dynamischen und rhythmischen Impulsen. Manz braucht in kleiner Besetzung keinen Dirigenten, sein Rhythmusempfinden und seine Körpersprache sind so suggestiv und sicher, dass ihm das kleine Orchester nur zu gerne folgt, auch beim swingenden musikalischen Spaß „Walking the Dog“ von George Gershwin, einem lustigen Jazz-Klassik-Crossover.
Viel ernster danach – mit dem Dirigenten Peter Wallinger – die Variationen über ein mährisches Volkslied des hochbegabten jüdischen Komponisten Gideon Klein. Er hatte das Werk 1944 in Theresienstadt geschrieben und wurde 1945 mit 26 Jahren im KZ Auschwitz-Fürstengrube ermordet. Musikalischen Seufzerfiguren und Trauergesten stehen mit selbstbewussten Streicher-Unisoni trotzige „Dennochs“ gegenüber. Musik, die man nicht ohne innere Anteilnahme hören kann. Webers Sätze „Fantasia“ und Menuetto aus dem Klarinettenkonzert op. 34 evozieren Bilder aus dessen Oper „Der Freischütz“. Die elegische Fantasia erinnert an den verzweifelten Max und das lustige Menuetto an die übermütige Agathe.
Wie kann man auf der Klarinette nur so leise schnelle Läufe spielen? Unglaublich!
Ebenfalls im Eigenarrangement folgte ein Klezmer-Medley, die „Israeli-Suite“ von Helmut Eisel, in dem das Soloinstrument nicht etwa nur spielt, sondern spricht, singt, schreit, jammert oder lacht. Die Klarinette gerät bei Manz zum Ausdrucksmedium jeglicher menschlicher Befindlichkeiten. Dazwischen fein ausgewählte Lyrik, gekonnt und im ganzen Bühnenraum verteilt rezitiert von Johann-Michael Schneider. Als Schlusspunkt eine Klezmer-Zugabe, ein wilder Ritt auf dem schwarzen Rohrblattinstrument und begeisterte Zuhörer im ehrwürdigen Uhlandbau. Trotz Corona gilt das Motto: Dennoch – denn noch klingt die Musik!
Autor: Dr. Dietmar Bastian
weniger15.01.2022, Pforzheimer Zeitung
Musikalisch-poetisches Gesamtkunstwerk
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Peter Wallingers Neujahrskonzert im Uhlandbau von Sonntag an im Internet zu sehen.
Mühlacker. Traditionelle Neujahrskonzerte schwelgen in Wiener Walzer-Seligkeit. Die von Peter Wallinger zusammen mit seiner sueddeutschen kammersinfonie bietigheim und dem Vortragskünstler Johann-Michael Schneider gestalteten Konzerte sind anders und ganz besonders. Das war auch dem bravourösen Auftritt des renommierten Klarinetten-Solisten Sebastian Manz zu danken. Mit ihm erlebten die wenigen zugelassenen Besucher im Mühlacker Uhlandbau trotz der coronabedingten Einschränkungen ein fantastisches Gesamtkunstwerk aus Musik und Poesie, wie es schöner nicht hätte sein können.
Eingangs erinnerte Sprecher Johann-Michael Schneider – dem hundertjährigen Jubiläum des Uhlandbaus geschuldet – an das Schicksal der in Nazi-Konzentrationslagern ermordeten jüdischen Fabrikanten-Familie Alfred Emrich, die das Konzerthaus gegen Widerstände wesentlich finanziert und gefördert hatte. In großen Lettern prangte 1921 zur Eröffnung ein „Dennoch“ über der Bühne. Ein Motto, das sich Wallingers Neujahrskonzert zu eigen machte und auch der Pandemie entgegenstellte: „Dennoch – denn noch klingt die Musik“.
Passend dazu interpretierte die Kammersinfonie unter Wallingers bewährter Leitung in der Mitte des einstündigen Konzerts das „Lento“ aus der „Partita für Streicher“ des in Theresienstadt von den Nazis internierten tschechisch-jüdischen Komponisten Gideon Klein, der mit 25 Jahren noch 1945 als KZ-Zwangsarbeiter ums Leben kam. Die Wiedergabe war getragen von der Schwere eines schwebenden Trauertons, der selbst die rhythmisch betonten, volksliedhaft rasanten Passagen prägte. Verdämmernd der Ausklang.
Auch die von Schneider schauspielerisch ausgestalteten und kunstvoll pointiert gesprochenen kurzen „Lieder der Ermunterung“ von Hilde Domin („Ich setzte den Fuß in die Luft“, „Wer es könnte“, „Nicht müde werden“) und die Gedichte „New Yorker Sonntagskantate“ sowie „Wo sich berühren Raum und Zeit“ der Lyrikerin Mascha Kaléko zeigten einmal mehr, wie viel unsere Kunst jüdischen Menschen zu verdanken hat. Damit wurde die hoffnungsfrohe, ja fröhliche Seite des Abends aufgeschlagen. Und die hatte vor allem mit dem virtuos auftrumpfenden Klarinettensolisten Sebastian Manz zu tun.
Mitreißendes Tango-Feuer
Sein Arrangement von Astor Piazzollas „L’Histoire du Tango“ aus „Café 1930“ changierte zwischen sehnsuchtsvollen, teils hauchzart wiedergegebenen Melodien im Sound einer Filmmusik, und mitreißendem Tango-Feuer, zu dem auch Wallingers Kammerstreicher einen gehörigen Teil beitrugen. George Gershwins „Promenade – Walking The Dogs“ setzte mit manieriert-schrägen Schleifern, Klarinetten-Juchzern, Jubeltönen und lautmalerischen „Hunde-Wuffs“ lustige Akzente. Mit „Fantasia“ und dem Menuetto aus Carl Maria von Webers Klarinetten-Quintett op. 34 kam die Klassik zu Wort und trug mit Bläser-Klangwellen, Seufzern, orgiastischen Läufen und plötzlichen Ausbrüchen zur aufgelockerten Atmosphäre bei.
Alles in den Schatten stellte der fulminante Abschluss. Der Super-Klarinettist und das stilecht begleitende Streicher-Ensemble inszenierten mit Helmut Eisels „Israeli-Suite“ ein Klezmer-Medley der Extraklasse: Unerhört flott wurden wirbelnde Triller-Girlanden entfaltet, lang und kraftvoll ausgezogen erklangen glissandierende Bögen. Näselnde Schlenker und wie Raketen explodierende Spitzentöne lösten immer wieder rauschende Skalen-Anläufe aus, die sich zu Forte-Klangorgien steigerten. Manz war in seinem Element und tanzte auch körperlich mit. Das Publikum jubelte.
Die Video-Aufzeichnung ist ab diesem Sonntagabend, 16. Januar, kostenfrei im Internet zu sehen: www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto
Autor: Eckehard Uhlig
weniger12.01.2022, Ludwigsburger Kreiszeitung
INTERVIEW: „Man muss die Musik erleben“
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Als Soloklarinettist des SWR-Symphonieorchesters und mehrfacher Echo-Preisträger ist Sebastian Manz international gefragt. Morgen steht der 36-Jährige mit der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim beim Neujahrskonzert im Uhlandbau in Mühlacker auf der Bühne.
FRAGEN VON HARRY SCHMIDT
STUTTGART/BIETIGHEIM-BISSINGEN. Der Kalender von Sebastian Manz ist eng getaktet. Soeben hat er das Stuttgarter Funkhausverlassen, wo eine Probe für ein Konzert in Dortmund anstand. In einer Stunde wird der Klarinettist mit Peter Wallinger und der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) in der dortigen Kelter das Programm des Neujahrskonzerts einstudieren, das morgen im Uhlandbau in Mühlacker stattfinden wird. Weil „coronabedingt“ weder in Murr noch in Bietigheim gespielt werden könne, hat Wallinger erneut eine Video-Aufzeichnung angekündigt. Auf der Fahrt nach Bietigheim spricht Manz nicht nur über seine musikalischen Präferenzen und Grenzen westlicher Klangvorstellungen, sondern verrät auch, wo er seine Frau kennengelernt hat.
Herr Manz, als Solist werden Sie entscheidend am Neujahrskonzert der SKB in Mühlacker mitwirken. Wie ist es dazugekommen?
SEBASTIAN MANZ: Ich glaube, ich habe mit niemand so oft zusammengearbeitet wie mit Peter Wallinger – wir kennen uns schon seit mehr als zehn Jahren und haben bereits einige Programme zusammen auf die Bühne gebracht, zuletzt eine Stamitz-Exkursion. Vielfach bearbeite ich die Stücke auch. Die Arrangements, aus denen Wallinger nun eine Auswahl für dieses Neujahrskonzert getroffen hat, habe ich ihm schon vor längerer Zeit in Aussicht gestellt. Jetzt ist er relativ spontan, im Dezember, auf mich zugekommen und wir konnten uns rasch auf eine konkrete Programmfolge verständigen.
Auf dem Programm stehen, neben dem Lento aus der „Partita“ für Streicher von Gideon Klein, einem im KZ Fürstengrube ums Leben gekommenen tschechisch-jüdischen Komponisten, unter anderem die „Fantasia“ aus Carl Maria Webers Klarinetten-Quintett, Astor Piazzollas „Café 1930“ und ein „Israeli Suite Medley“. Wie ist dieser weitgespannte Programmbogen entstanden?
Insgesamt trägt die Auswahl natürlich auch dem Format eines Neujahrskonzerts Rechnung. Tatsächlich habe ich alle Stücke, an denen ich beteiligt bin, selbst arrangiert. Und wenn ich von Arrangements spreche, sind das meistens auch halbe Eigenkompositionen. Mit Ausnahme von Piazzolla: „Café 1930“ ist einfach eines meiner absoluten Favoritenstücke – diese Melancholie, diese Schwermut. Das ist musikalisch so großartig emotional verpackt! Da sind zwar immer wieder Tango-Elemente drin, aber im Grunde hat Piazzolla hier seinen ganz eigenen Stil gefunden, eine Kombination aus Jazz- und klassischen Elementen – sehr lyrisch, sehr expressiv.
Wie fügt sich Webers Klarinetten-Quintett hier ein?
Auch der zweite Satz aus Webers Klarinetten-Quintett hat etwas nachdenkliches. Wir werden die „Fantasia“ mit mehreren Streichern der SKB spielen – das hat dann vielleicht nicht die Flexibilität wie mit einem Streichquartett, dafür aber eine andere Power. Das Klarinetten-Quintett wurde von Weber ja ursprünglich als Klarinettenkonzert konzipiert. Weil es nicht aus Notwendigkeit, sondern aus innerer Berufung entstand, ist jeder Satz ein Juwelstück geworden. Die „Fantasia“ etwa wirkt wie eine improvisatorisch angelegte Arie.
Und im Aspekt der Kantabilität haben Sie wiederum eine Verbindung zwischen Weber und Klezmermusik entdeckt?
Genau. Im „Israeli Suite Medley“ habe ich drei Klezmer von Helmut Eisel, einem langjährigen Wegbegleiter von Giora Feidman, zusammengefasst. Da ist eine ganz andere Klangauffassung im Spiel als die Ausgeglichenheit, um die sich unsere klassische Ausbildung bemüht, eine, die der menschlichen Stimme unglaublich nahekommt. Zudem spiegelt sich hier auch die Geschichte des von der jüdischen Familie Emrich errichteten Uhlandbaus.
Mit Gershwins „Promenade – Walking the dog“ steht ein Stück auf dem Plan, das auf Ihrer Homepage auch als Video zu sehen ist – inklusive Hund! Haben Sie wieder einen Vierbeiner engagiert?
Ich würde am liebsten in jeder Aufführung einen Hund über die Bühne laufen lassen (lacht). Aber diesmal belasse ich es bei einem Triller an dieser Stelle.
Welche besonderen Herausforderungen stellen diese Partien für Sie dar?
Zunächst mal, sich auf die schiere Bandbreite der Musik einzulassen und dann authentisch im Moment abrufen zu können. Mit Notenspielen ist es ja nicht getan– man muss die Sachen als Musiker auch wirklich erleben. Auch keine Scheu zu haben, klassische Konventionen hinter sich zu lassen – allzu oft sind wir noch Sklaven unserer eigenen Regeln. Nicht zuletzt das immer neue Zusammenwachsen von Solist und Ensemble.
Als Solo-Klarinettist des SWR-Symphonieorchesters sind Sie in der Region gutbekannt. Haben Sie darüber hinaus einen besonderen Bezug zum Ludwigsburger Kreisgebiet?
Durchaus! (lacht) Als wir 2017 im Kronenzentrum geprobt haben, schrieb mich eine Klarinettenlehrerin an, ob sie mit ihren Schülerinnen zur Generalprobe kommen könne. Und wie es der Zufall so will, ist sie jetzt meine Frau.
INFO: Am 13. Januar um 20 Uhr wird das Neujahrskonzert der SKB im Uhlandbau Mühlacker mit begrenzter Besucherzahl stattfinden. Voranmeldung unter Tel. 07043/958393. Der Mitschnitt ist ab 16. Januar unter www.sueddeutsche-kammersinfonie.de abrufbar.
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