10.07.2024, Mühlacker Tagblatt
Sommerliche Serenade zeigt viele musikalische Facetten
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Konzert der „Sueddeutschen Kammersinfonie“ in der Lienzinger Frauenkirche wird zum besonderen Erlebnis für das begeisterte Publikum.
Mühlacker-Lienzingen. Die Matinee am Sonntag im Rahmen des „Musikalischen Sommers“ in der Lienzinger Frauenkirche ist zu einem musikalischen Hochgenuss geworden. Die „Sueddeutsche Kammersinfonie Bietigheim“ unter Leitung von Junior-Dirigent Simon Wallinger erfreute die Gäste mit einem auserlesenen Programm. Die „Sommerliche Serenade“, so der Titel, führte auch in neue Gefilde konzertanter Musik.
Zum Auftakt erklang das Allegro aus der Kammersinfonie Nr. 1 op 145 von Mieczyslaw Weinberg (1919 bis 1986), einem jüdisch-polnischen Komponisten. „Wer ihn hört, ist begeistert von den großartigen Melodien, von der Vielfalt an Klängen und musikalischen Ideen“, ist in der Konzertliteratur nachzulesen. Diese Meinung teilt Simon Wallinger. Er hat sich auf Entdeckungsreisen begeben und ist fündig geworden. Seither ist es ihm ein wichtiges Anliegen, Werke dieses Komponisten bekannt zu machen.
Schon beim Adventskonzert 2022 im Uhlandbau hatte er einen Weinberg-Zyklus angekündigt und mit einer abwechslungsreichen und pointierten Interpretation des „Moderato“ aus der Kammersinfonie Nr. 2, op. 147 eine erste Kostprobe geliefert. Zur Eröffnung der Sommer-Serenade erklang das Allegro aus der Kammersinfonie Nr. 1 op. 145 von Weinberg. Zunächst fast behutsam und weich angestimmt, wusste der Komponist doch schnell aufregende Akzente zu setzen, die bereits ein umfangreiches Können der Musikerinnen und Musiker forderten. Mit der Folge von lieblich melodiösen Passagen hin zu mächtigen Tongemälden in höchsten Lagen und furiosem Aufspiel, dann wieder Hinabgleiten in tiefe düstere Klang-Ebenen war mehr Kontrast kaum möglich. Am Ende schien ein leises Fragezeichen zu stehen: Prägen die Kriegserlebnisse, die Ermordung der Familie, sein eigener Überlebenskampf die Kompositionen?
Trotz der sommerlichen Ankündigung bewegte sich auch die nachfolgende Kammersinfonie von Dimitri Schostakowitsch (1906 bis 1975) (Bearbeitung Rudolph Barschai) in dunkel gefärbtem C-moll. Das beginnende Largo ergeht sich in tiefer Klage, der das Allegro molto mit temperamentvoller Klangwucht ein Ende setzt. Fröhlich hüpft ein Allegretto dazwischen, ehe nach eruptiven Klangbildern weitschwingendes, singendes Legato in den beiden abschließenden Largo-Sätze einen im Pianissimo unendlich sanft entschwindenden Schlusspunkt setzt. Auch dieser russische Komponist hat seine ganz persönliche Handschrift. Er hatte, wie sein Freund Weinberg, unter politischen Repressalien zu leiden, musste zeitweise auch um sein Leben fürchten. Still blieb es im Kirchenraum nach diesem berührenden Finale und es dauerte eine Weile, ehe Wallinger den Taktstock senkte. Das Publikum hatte verstanden, was er damit sagen wollte und wartete mit dem Beifall, bis die Haltung des Dirigenten den Applaus erlaubte. Dieser fiel dann umso begeisterter aus.
Zurück in gewohnt klassische Klangwelten eines Franz Schubert (1797 bis 1828) nahm Konzertmeisterin Maryana Osipova die Zuhörer mit, heiter klangen die beiden Sätze des Rondos A-Dur D 438. Osipova ist die Primaria des renommierten Eliot-Quartetts. Heiter klangen die beiden Sätze des Rondos A-Dur D 438. Allein die Dur-Tonlage sorgte schon für hellere Färbung. Innig, mit zartem Bogenstrich intonierte die Solistin das Adagio. Klangprächtig schwang sie sich im Allegro giusto zu schwindelnden Höhen auf. Ihr durch und durch exzellentes Spiel unterstrich das Orchester noch mit seiner einfühlsamen Begleitung. Die Matinee endete mit der Suite für Streicher op. 1 a-moll des dänischen Komponisten Carl Nielsen (1865 bis 1931). Im zweifachen Andante und Allegro, Intermezzo und Finale konnten die Musikerinnen und Musiker nochmals ihr Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Intentionen des Komponisten präsentieren. Jubelnder Applaus füllte das Kirchenschiff. War es da verwunderlich, dass die Solistin nochmals zu ihrer Violine griff und der Dirigent nach seinem Taktstock? Alles in allem: Ein in allen Facetten beglückendes Konzerterlebnis. Schöner kann ein Sonntag nicht beginnen.
Autorin: Eva Filitz
weniger09.07.2024, Ludwigsburger Kreiszeitung
So klingt mitreißende Schicksalsmusik
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Dreimal war die „Sommerliche Serenade" der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim an diesem Wochen ende in der Region zu erleben. Am Pult überzeugte Peter Wallingers Sohn Simon Wallinger, als Violinsolistin brillierte Maryana Osipova.
MÜHLACKER-LIENZINGEN/SACHSENHEIM. Die „Sommerliche Serenade" ist einer der fünf Fixbausteine im Konzertkalenderjahr der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB). Wobei der Sachsenheimer Schlosshof und die Liebfrauenkirche in Lienzingen zu den langjährigen Spielstätten dieses Programms gehören. Erstmals kam die Sommerliche Serenade" am vergangenen Wochenende nun dreimal zu Gehör: Auf Einladung von Gudni Emilsson, dem Leiter des Tübinger Kammerorchesters, gastierte die SKB am Samstagabend im Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen. Das geplante Open-Air in Sachsenheim wurde indes aufgrund der unsicheren Wetterlage in den Saal des dortigen Kulturhauses verlegt. Die von uns besuchte Aufführung in der Lienzinger Liebfrauenkirche ist auch Teil der Konzertreihe „Musikalischer Sommer", mit der Peter Wallinger seit 1977 das Kulturleben der Stadt Mühlacker bereichert.
Dessen Sohn Simon Wallinger steht nun vor einer deutlich verjüngten SKB - als Solo-Kontrabassist im Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim hat sich das Netzwerk des auch als Pianist und Continuo-Cembalist ein Erscheinung tretenden Dirigenten nochmals erweitert - und setzt mit dem Kopfsatz der Kammersinfonie Nr. 1" (0p. 145) den 2021 begonnenen Weinberg-Zyklus fort. Das 1987 veröffentlichte Werk des polnisch - sowjetischen Komponisten geht zwar auf dessen zweites Streichquartett (Op. 3) zurück, fasst aber die Faktur mit Rückbezügen auf klassische, teilweise frühklassische Tonsetzer wie Haydn, Mozart oder Schubert mehr im Sinn von Prokofjews erster Symphonie auf. Simon Wallinger hält die 16 Musikerinnen und Musiker der SKB zu einer so konzentrierten wie nuancierten Wiedergabe dieses immer zerklüfteter sich gestaltenden Allegros an.
Nicht minder trennscharf musizierte Schicksalsmusik dann im Anschluss die Kammersinfonie c-moll" (Op. 110a) des mit Mieczyslaw Weinberg befreundeten Dmitri Schostakowitsch. Rudolf Barshais Bearbeitung dessen achten, 1960 uraufgeführten Streichquartetts (Op. 110) für Streichorchester übersetzt die fünf Sätze des in Dresden erstandenen Werks in kammersinfonische Dimensionen. Die ursprüngliche Komposition wurde mit dem Zusatz Im Gedenken an die Opfer des Faschismus und des Krieges veröffentlicht, in Schostakowitschs Briefzeugnissen aber als stark autobiografisch geprägt charakterisiert (Man könnte auf seinen Einband auch schreiben: Gewidmet dem Andenken des Komponisten dieses Quartetts"). Dem Fugato der DESCH-Signatur (gebildet aus den Notenwerten D-Es-C-H, stellvertretend für die Initialen seines Namens) im ersten „Largo" folgen chromatische Gedanken, ein Quartmotiv und ein Zitat aus der 5. Symphonie, insgesamt herrscht Requiem-Stimmung.
In größtmöglichem Kontrast schließt nahtlos ein dauererregtes Allegro molto" mit brutal schroff gestoßenen Staccato-Salven des Orchesters an, zwischen denen ein jüdisches Klagelied allerdings so hymnisch auftritt, als wär's von Chatschaturjan eingeworfen. Das Mahlersche Scherzo des „Allegretto" bereitet als ironischer Walzer auf die Exekutionsszenen des vierten Satzes vor, in denen unerbittlichen Tutti- Schlägen die einsame Stimme der 1. Violine von Konzertmeisterin Maryana Osipova gegen übersteht, zunächst als beklemmend anhaltender Bordun-Ton, dann mit einem Klagegesang, der vom 1. Cello aufgenommen und gesteigert wird und im finalen „Largo" nach einer weiteren DESCH-Fuge in Dissonanzen ersterbend verklingt.
In Franz Schuberts von 1816 datierendem Rondo A-Dur" brilliert Maryana Osipova, Primaria des Frankfurter Eliot Quartetts, nach der Pause als ausdrucksvolle Solistin mit außergewöhnlich geschmackvoll formulierter, ausgefeilt-geschliffener Klanggestaltung in lyrischen wie virtuosen Passagen gleichermaßen.
Ein typisches Wallinger-Kleinod zum Ausklang: Carl Nielsens „Kleine Suite" für Streicher a- Moll von 1888. Sie ist ein reifes Frühwerk des seinerzeit erst 22- jährigen Komponisten. Und dass die Pflege skandinavischer Literatur Simon Wallinger ebenso wie seinem Vater ein großes Anliegen und somit in besten Händen ist, lässt sich seiner lebendigen wie konzisen Interpretation der drei Sätze unschwer entnehmen.
Autor: HARRY SCHMIDT
weniger09.07.2024, Vaihinger Kreiszeitung
Sommerliche Klänge mit einer dunklen Note
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Aufgrund des Wetters wird das Classic Open in Sachsenheim vom Wasserschloss in das Kulturhaus verlegt.
SACHSENHEIM. Auch wenn das Wetter am Ende gehalten hätte – die für Sonntagabend im Innenhof des Wasserschlosses Sachsenheim geplanten Classic Open mit der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim unter der Leitung von Simon Wallinger wurden sicherheitshalber ins Kulturhaus verlegt. Auch dort stieß die sommerliche Serenade auf reges Interesse. Zugleich war das Programm so konzipiert, dass dabei nicht nur sommerlich leichte Klänge vorgesehen waren.
„Es wäre schön gewesen, im Schlosshof zu spielen, aber der Sommer ist noch nicht ganz bei uns angekommen“, bedauerte Wallinger, dass der Umzug in das Kulturhaus am Ende notwendig gewesen ist. Die Entscheidung fiel bereits Anfang der Woche, erklärte Alexander Sterzel, Kulturamtsleiter in Sachsenheim, gegenüber der Vaihinger Kreiszeitung. Alle zu diesem Zeitpunkt konsultierten Wetter-Apps haben eine hohe Regenwahrscheinlichkeit für diesen Sonntagabend vorausgesagt. Insofern wollte man kein Risiko eingehen. Die Stadt hatte darauf verzichtet, die Mitarbeiter des Bauhofs auf Verdacht die Bestuhlung im Innenhof aufbauen zu lassen, und stattdessen die Verlegung ins Kulturhaus organisiert. Und auch wenn der eine oder andere Besucher das am Sonntag mit Blick auf die am Ende dann doch optimalen äußeren Bedingungen bedauert haben mag, die weithin bekannte Qualität der Sueddeutschen Kammersinfonie Bietigheim – in diesem Fall mit der mehrfach preisgekrönten Solistin und Konzertmeisterin Maryana Osipova an der Violine – hat das sicherlich schnell vergessen lassen. „Als hätten wir das geahnt, als wir das Programm zusammengestellt haben, haben wir nicht nur heitere und sommerliche Stücke ausgewählt, sondern auch eine dunkle Note hineingebracht“, beschrieb Simon Wallinger die Idee hinter dem Programm, das im ersten Teil mit dem Allegro aus der Kammersinfonie Nummer 1, opus 145, des polnischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg eröffnet worden ist, „ein unterschätzter Komponist, der erst in den letzten Jahren bekannter wurde“ und zugleich ein enger Freund von Dimitri Schostakowitsch gewesen ist. „Er hat Weinberg sehr geschätzt und sich sehr inspirieren lassen.“
Das Orchester spielt Stücke von Mieczyslaw Weinberg
Diese persönliche Verbindung fand Einklang im ersten Teil dieser sommerlichen Serenade, indem neben Weinberg auch eine Kammersinfonie von Schostakowitsch auf dem Programm stand, fünf Sätze aus dem Opus 110a nämlich, in einer Bearbeitung von Rudolph Barschai. Für den zweiten Teil hatte das Orchester zudem das Rondo in A-Dur (D 438) von Franz Schubert sowie eine Streichersuite von Carl Nielsen ausgesucht.
Autor: Stefan Friedrich
weniger08.07.2024, Pforzheimer Zeitung
Musikalischer Sommer mit prächtigen Klängen in Lienzinger Frauenkirche
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Mühlacker-Lienzingen. Ältere Menschen freuen sich, wenn das, was sie erfolgreich aufgebaut haben, an würdige Nachfolger weitergegeben werden kann. Bei Peter Wallingers Süddeutscher Kammersinfonie Bietigheim scheint dieses Problem gelöst. Denn nicht nur die Interpretation von Dimitri Schostako-witschs Kammersinfonie c-Moll (op.110a) beim „Musikalischen Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche mit Sohn Simon am Pult, der das Wallinger-Ensemble souverän mit geschmeidigen Gesten dirigierte, war erste Sahne.
Mit prächtigem Raumklang und dunklen Farben entfaltete sich in Rudolf Barscheis Streicher-Ensemble-Bearbeitung der Schostakowitsch-Symphonie das klagende Einleitungs-“Largo"“. Temperamentvoll auftrumpfend, die Klangwucht von maschinenhaft hämmernden Rhythmen unterlegt, folgte das „Allegro molto“. Frohgemut musikantische Spitzen präsentierte das „Allegretto“. Solistisch in feinem Legato ausgesungene Melodie-Linien zeichneten die beiden abschließenden, zunächst von heftigen Tutti-Einwürfen akzentuierten „Largo“-Sätze aus, deren Letzterer zart verdämmerte. Mit dieser Kammersinfonie – so beschreibt es die Musikwissenschaft – erzählte der Komponist, Trauer und Trost komprimierend, sein unter der Stalin-Herrschaft in Russland bedrohtes Leben.
Auch zwei andere in der Konzert-Matinee unter Simon Wallinger aufgeführte Werke zelebrierten musikalisches Dunkel in Moll. Vor allem das Allegro aus der Kammersinfonie Nr. 1 (op. 145) des jüdischen Komponisten Mieczyslaw Weinberg, der mit Schostakowitsch bekannt war. Die in abrupt abgebrochenen Aufschwüngen erregende Binnenstruktur des Symphonie-Satzes wurde von den Interpreten dynamisch intensiv herausgearbeitet. Danach mündete die Suite für Streicher in a-Moll (op.1) des mit volkstümlichen Liedern in seinem Heimatland Dänemark populären Komponisten Carl Nielsen, aus dunklen Klangbildern aufsteigend, über tänzerisch schwungvolle Rhythmen in ein mehrfach orchestral aufblühendes Finale.
Nie fehlt dem „Musikalischen Sommer“ der heitere Serenaden-Ton. Diesmal sorgte dafür die Wiedergabe von Franz Schuberts Rondo A-Dur für Violine und Orchester (D 438) mit der exzellenten Solistin (und Konzertmeisterin) Maryana Osipova. Eine gefällig-heitere, luftig-leichte, sich solistisch in höchste Höhen aufschwingende sommerfrische Musik, die – gewissermaßen lächelnd ausgeführt – jegliche Düsternis verscheuchte. Die Zuhörer dankten mit jubelndem Applaus.
Autor: Eckehard Uhlig
weniger08.05.2024, Mühlacker Tagblatt
Weltklasse-Geigerin krönt Jubiläumskonzert
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Peter Wallinger begeht am Freitag gleich zwei Jubiläen auf einmal. Ursula Schoch, Konzertmeisterin des Königlichen Concertgebouw-Orchesters Amsterdam, glänzt mit einer hinreißenden Wiedergabe von Beethovens Violinkonzert in D-Dur.
Mühlacker. Was Peter Wallinger in Bietigheim und Mühlacker künstlerisch auf die Beine gestellt hat, ist überaus beeindruckend. Dr. Johannes Bastian vom Förderverein „Mühlacker Klassik“ nannte in seiner Begrüßung den Musiker einen „herausragenden Kulturträger in der Region“ und bescheinigte ihm „enormes Durchhaltevermögen und Energie“. Wallinger habe vor 20 Jahren den Uhlandbau aus dem Dornröschenschlaf erweckt und die im frühen 20. Jahrhundert begründete Konzerttradition neu belebt.
Mit Gründung der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim im Jahr 1984 war der Grundstein für zahllose Konzerte im Raum Bietigheim-Bissingen gelegt. 2004 kam zur Konzertreihe „Musikalischer Sommer in der Frauenkirche Lienzingen“ die Reihe „MühlackerConcerto“ im Uhlandbau hinzu, Initiativen, die der Region wunderbare Veranstaltungen beschert haben, ohne die die vergangenen Jahrzehnte um vieles ärmer verlaufen wären.
Das Festkonzert am Freitagabend lag Peter Wallinger wohl sehr am Herzen. Dies war im ausverkauften Uhlandbau atmosphärisch deutlich zu spüren. Das mit über 30 Musikerinnen und Musikern groß besetzte Orchester, darunter Doppelholz (jeweils zwei Querflöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte) und Doppelblech (zwei Trompeten, zwei Hörner) und Schlagwerk, war bestens vorbereitet und ließ erahnen, wie viel Freude es macht, unter Wallinger zu musizieren.
Dem bestens vernetzten Musiker gelingt es immer wieder, vielversprechende junge Talente und Preisträger zu verpflichten. Und wenn es besonders glücklich verläuft, treten diese mehrfach in Erscheinung – so wie die großartige, aus dem Raum Bietigheim stammende Geigerin Ursula Schoch, die als Solistin der Solokonzerte von Johannes Brahms, Felix Mendelssohn, Ludwig van Beethoven, Max Bruch und Wolfgang Amadeus Mozart immer wieder zu erleben war. Neben zahlreichen Soloauftritten auf den großen Bühnen der Welt ist sie seit der Saison 2000/2001 Konzertmeisterin des berühmten Königlichen Concertgebouw-Orchesters Amsterdam.
„Peter Wallinger ist ein herausragender Kulturträger der Region mit enormem Durchhaltevermögen.“ Dr. Johannes Bastian, Förderverein „Mühlacker Klassik“
Wallingers Motto und künstlerische Zielsetzung, „Neue Musik vertrauter und vertraute Musik neu erlebbar zu machen“ lässt in Konzerten einmal stärker das Neue, das andere Mal mehr das Vertraute hervortreten. Beim Jubiläumskonzert am Freitag dominierte eindeutig das Vertraute, Bekannte. Eine Konzerteinführung konnte aufgrund von Baumaßnahmen nicht stattfinden, war aber auch nicht notwendig, denn die zur Aufführung gelangenden Werke waren bestens bekannt.
Vor der Pause gab es Tänze – von Antonin Dvořák, Jean Sibelius und Johannes Brahms. Sinfonische Tänze sind beim Publikum besonders beliebt, denn sie vereinen schlichte, leicht eingängige Melodien, die zu kreisen scheinen, reizvolle Rhythmen, starke Kontraste und immer wieder überraschende Klangfarben. Im slawischen Duktus spielte die Kammersinfonie zwei herrliche Tänze des „böhmischen Musikanten“ Antonin Dvořák, einen tiefgründigen „Valse triste“ des Finnen Jean Sibelius und drei sattsam bekannte „Ungarische Tänze“ von Johannes Brahms, die orchestrierte Übertragungen von Klavierstücken sind und ihm einst zu Weltruhm verholfen haben.
Wallingers Interpretation trumpfte nicht auf, sondern suchte nach einer transparenten Wiedergabe, einem feinsinnigen Herausschälen der Höhepunkte und einer Betonung des tänzerischen Charakters. Es gab schalkhafte Passagen, den warmen Sound der tiefen Streicher und eine hurtige Stretta am Ende des sechsten Tanzes.
Nach der Pause folgte eines der gewichtigsten Violinkonzerte der Literatur, das Konzert in D-Dur opus 61 von Ludwig van Beethoven. Das dreisätzige Werk ist per se kein typisches Solokonzert, sondern eher eine Sinfonie mit obligater Violinstimme. Doch es fehlt nicht an geigerischem Glanz und großer Geste, an einem kecken Widerspiel zwischen Solo und Tutti, an hochvirtuosen Kadenzen mit exponierten Doppelgriffen, die der Solistin beziehungsweise dem Solisten alles abverlangen.
Ursula Schoch spielte ganz wunderbar, fernab jeder Effekthascherei. Sie verfügt über einen exquisiten, farben- und obertonreichen Ton mit Wärme in der Höhe und Substanz in der Tiefe.
Ihr Spiel erinnert an keine Geringere als an Ann-Sophie Mutter. Nichts spielt Schoch flüchtig, alles hat Format, Leichtigkeit und Schwere zugleich, nichts ist vordergründig. Das ist Geigenspiel auf Weltniveau, woran auch ihr Instrument, eine Violine von Guadagnini aus dem Jahr 1755, einen nicht unwesentlichen Anteil trägt. Das Publikum war begeistert und spendete im Stehen Applaus, der mit einer Zugabe, einem Largo von Johann Sebastian Bach, belohnt wurde.
Autor: Dr. Dietmar Bastian
weniger07.05.2024, Vaihinger Kreiszeitung
Mit einem Klangerlebnis wird in Mühlacker ein doppeltes Jubiläum gefeiert
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Die Sueddeutsche Kammersinfonie Bietigheim unter Peter Wallinger besteht seit 40 Jahren und konzertiert aus diesem Anlass im Uhlandbau.
MÜHLACKER. Mit dem diesjährigen Frühjahrskonzert der sueddeutschen kammersinfonie bietigheim wurden gleich zwei runde Geburtstage gefeiert: 40 Jahre Kammersinfonie – 20 Jahre Konzerte im Uhlandbau Mühlacker.
Vor vier Jahrzehnten hatte Peter Wallinger, damals Musiklehrer am Bietigheimer Ellental-Gymnasium, die Idee, mit einer Gruppe junger Musiker ein Orchester zu gründen. Eines seiner Ziele war es, Musik quer durch Jahrhunderte bis in die Moderne in vielfältiger Form erlebbar zu machen. Die Idee fiel auf fruchtbaren Boden. Bis zu sechsmal im Jahr treffen sich Musikerinnen und Musiker, um zusammen mit ihrem künstlerischen Leiter neue Konzertprogramme zu erarbeiten. Mehr als 200 Werke umfasst heute das Repertoire. Das Orchester ist zu einem professionell arbeitenden Klangkörper gereift, das sich in Fachkreisen einen hervorragenden Ruf erworben hat. Aufbauend auf dieser soliden künstlerischen Basis gelingt es Wallinger regelmäßig, für seine Konzerte national und international gefeierte Ausnahmekünstler als Solisten zu verpflichten.
2004 hängte er den Lehrerberuf an den Nagel. Als Dirigent und Initiator weiterer neuer Ideen war er voll ausgelastet. Bereits 1977 hielt seine neue Konzertreihe „Musikalischer Sommer“ Einzug in die Lienzinger Frauenkirche. Doch Mühlacker sollte auch in der restlichen Jahreszeit musikalisch nicht brach liegen. Der Uhlandbau, wo Wallinger schon als Schüler in Konzerten als Violinist mitgewirkt hatte, rückte in seinen Fokus. Warum nicht selbst dort Konzerte veranstalten? Dessen gute Akkustik lud geradezu ein. Im April 2004 war es so weit. Mit einem „Ungarischen Tanz“ von Brahms gelang ein nachhaltiger Auftakt. Drei Jahre später stand das Gegenstück zum „Musikalischen Sommer“ auf festen Beinen. Die Winterkonzertreihe „MühlackerConcerto“ feierte Premiere. Knapp 60 Kammersinfonie-Konzerte fanden bisher im Uhlandbau statt. Wallingers Initiative ist es auch zu verdanken, diesen wertvollen Konzertsaal nach Abriss des Mühlehofs nach jahrelanger Vergessenheit musikalisch neu belebt zu haben – und zwar hochkarätig. „Peter Wallinger ist der herausragende Kulturträger in unserer Stadt“ betonte Dr. Johannes Bastian, Vorsitzender des Fördervereins „Mühlacker Klassik“, in seiner Begrüßungsrede.
Grund genug also zum Feiern und Jubeln über soviel beglückende Historie mit heiteren Auftakten wie am Frühjahrskonzert. Gewiss war es kein Zufall, dass neben Slawischen Tänzen von Antonin Dvorak , einem „Valse triste“ von Jean Sibelius auch drei „Ungarische Tänze“ von Johannes Brahms auf dem Programm standen. Mit vitaler Frische und sichtbarer Freude spielte temporeich das Orchester auf, folgte dem kleinsten Wink seines Dirigenten und stimmte so die Zuhörer auf ein nächstes klangprächtiges Erlebnis ein.
Der Geigenbauer J. B. Guadagnini schuf 1755 die Geige, die Ursula Schoch heute noch spielt. Ludwig van Beethovens Violinkonzert D-Dur op. 61 war der glanzvolle Höhepunkt der Jubiläumsfeier. Die Solistin ist Konzertmeisterin des Königlichen Concertgebouw-Orchesters in Amsterdam. In Mühlacker ist sie keine Unbekannte, denn seit den 1990er Jahren hat sie unter Leitung Wallingers zahlreiche Violinkonzerte interpretiert. Ihr Spiel ist kaum in Worte zu fassen. Auswendig trägt sie dieses, mit kompositorischen Finessen aller Art gespickte Meisterwerk vor. Dynamisch, mit überbordender Spielfreude, mit unbeschreiblich reinem Bogenstrich, ungemein flinken Fingern, die auf den Saiten auf- und ab eilen, zartesten klangreinen Flageoletti in höchsten Lagen – atemberaubende atmosphärische Klänge, wie aus anderen Welten und zum Dahinschmelzen schön. Gänsehaut-Feeling inbegriffen. Das Orchester entfaltete dazu einen wunderbar warmen Klang, hüllte damit beim Larghetto fast spürbar wie mit wärmendem Mantel die Zuhörer ein. Aber auch klangprächtig voluminös wussten Musikerinnen und Musiker aufzuspielen und kontrastreich im Rondo dann wiederum tänzerisch leicht zu agieren. Alle Mitwirkenden wurden mit stehenden Ovationen gefeiert, der Beifall wollte nicht enden. Ursula Schoch dankte mit einem Largo von Bach – ohne Orchesterbegleitung.
Autorin: Eva Filitz
weniger06.05.2024, Pforzheimer Zeitung
Sensationelle Beethoven-Interpretation
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Ursula Schoch im Uhlandbau
Mühlacker. Fünf weiche Paukenschläge leiteten das Konzert ein. Dann entfalteten sich die Orchesterstimmen, die Streicher und Bläsergruppen, vom Pauken-Rhythmus-Motiv heimlich durchzogen. Von den Zuhörern mit Spannung erwartet, tritt die Solo-Violine mit großem, lyrisch schönem Ton in den Konzertsatz herein, wendet sich elegant und vermag mit leuchtendem Klang in steigenden Linien zu entschweben.
Die Rede ist von der glanzvollen Aufführung des Beethoven-Violinkonzerts in D-Dur, op. 61, mit dem die sueddeutsche kammersinfonie bietigheim ein Doppeljubiläum feiert: „40 Jahre Kammersinfonie“ und „20 Jahre Konzerte im Uhlandbau Mühlacker“.
Nach wie vor steht der Gründer des Ensembles, Peter Wallinger (73), gestenreich mit vollem Körpereinsatz am Dirigentenpult. Unter seiner Leitung erneuerte die Kammersinfonie 2004 mit ihrer MühlackerConcerto-Reihe die viele Jahre lang brachliegende, in den 1920er-Jahren begründete großartige Tradition des Uhlandbaus als Klassikkonzertsaal. Oft war die inzwischen zur Konzertmeisterin des Königlichen Concertgebouw Orchesters Amsterdam aufgestiegene Geigerin Ursula Schoch dabei. Sie musizierte bereits 2006 mit dem von ihrem ehemaligen Musiklehrer geleiteten Ensemble das Beethoven-Konzert, das nun mit ihr im Zentrum des Jubiläumsfests steht. Von makelloser Technik und hoher Musikalität muss man bei Schoch nicht sprechen, das ist schiere Selbstverständlichkeit. Sie zaubert mit ausdrucksstarker, gestalterischer Souveränität und künstlerischer Intelligenz in dem selbst für den Komponisten ungewöhnlich ausgreifenden Kopfsatz „Allegro ma non troppo“ traumhafte Melodiebögen von himmlischen Längen, interaktiv getragen vom Orchester-Sound, den Wallinger mit feinfühliger Phrasierung ausstattete. Enge Verschränkungen mit dichtesten Doppelgriffpassagen im Solopart, die höchste geigerische Kraft erfordern, bilden den Schlussstein dieses ersten Satzes.
Im folgenden „Larghetto“ brilliert die Solistin mit herrlichem Diskant-Gesang, der an Vogelstimmen erinnert. Immer wieder sorgt der Dirigent mit seinem Orchester für feinsinnig retardierende Momente vor den Einsätzen der Solo-Violine. Vibrierend dann die (ohne Satzpause) überleitende Attacke zum Finalsatz – ein „Rondo“, in dem Schoch ihre Virtuosität mitreißend ausspielen kann. Auch ihre Kadenzen zeugen davon. Und das Orchester kehrt seine philharmonische Kompetenz hervor und strahlt in jedem Fortissimo. Maestro Wallinger wirkte am Ende erschöpft, aber glücklich.
Vor der sensationellen Beethoven-Interpretation stimmt die Kammersinfonie mit populären Tänzen in den musikalischen Festakt ein. Da gibt es einen Reigen der Klangfacetten und -farben, mit gehörigen rhythmischen Akzenten. Darunter schwungvolle Stücke von Dvorák (aus dessen „Slawischen Tänzen“), den elegischen „Valse triste“ von Sibelius und folkloristisch eingefärbte „Ungarische Tänze“ von Johannes Brahms.
Autor: Eckehard Uhlig
weniger04.05.2024, Ludwigsburger Kreiszeitung
Auf den Gipfeln der klassischen Musik
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Virtuose Solistin im Festkonzert zum 40-jährigen Bestehen der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim war die Geigerin Ursula Schoch. Mit der Konzertmeisterin des Amsterdamer Concertgebouworkest verbindet Orchesterleiter Peter Wallinger eine lange Zusammenarbeit.
BIETIGHEIM-BISSINGEN. Seit 40 Jahren leitet er dieses Orchester. 1984 hat Peter Wallinger, seinerzeit noch als Musikerzieher an den Ellental-Gymnasien tätig, die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim (SKB) aus der Taufe gehoben. Fünf bis sechs Konzertprogramme erarbeitet das Projektorchester im Jahr, mindestens zwei davon werden pro Saison im Kronenzentrum als Teil des städtischen Veranstaltungsbetriebs gespielt und bereichern den Kulturkalender der Großen Kreisstadt nicht unwesentlich.
Weitere Spielstätten der SKB sind das Rat- und Bürgerhaus in Murr, der Uhlandbau in Mühlacker und die Liebfrauenkirche in Lienzingen – auch die dortigen Konzerte strahlen weit in die Region hinaus. Jahr für Jahr dokumentiert Wallinger seine ausgefeilten Konzertprogramme auch auf CD, die Reihe dieser Aufzeichnungen ist zu einem prächtigen Kompendium kammersinfonischer Preziosen herangewachsen.
Dennoch hat es fast den Charakter einer Premiere: Mit 430 Besuchern wirkt der Kronensaal gut bis bestens ausgelastet. Ein Grund für den großen Zuspruch: Aus Anlass des Jubiläums hat das städtische Kulturamt das „Festkonzert“ der SKB ins Konzertabonnement aufgenommen – sogar prominent als Spielzeitabschluss, wie Michaela Ruof betont. Ob das Commitment auch in die Zukunft weist? „Mal so, mal so“, laute diesbezüglich die Devise, so die Amtsleiterin im Gespräch.
Zuletzt war ein Konzert des Orchesters, das den Namen Bietigheim seit vier Dekaden als Bestandteil in seinem eigenen führt, als „kulturelles Markenzeichen unserer Stadt“ (Rouf in ihrer Begrüßung der Festkonzertgäste) vor 20 Jahren Teil des städtischen Abonnementprogramms gewesen.
Der Witz in der Partitur
Plastisch und pointiert gestaltete Wallinger die erste Hälfte, mit einer Extraportion lässigem Schwung federn Dvoráks „Slawische Tänze“ heran, festlich-folkloristisch im Gestus der „Furiant“, die Nr. 8 aus dem Opus 46 (1878), ein Presto in g-Moll, dessen rhythmische und dynamische Kontraste unter den Händen des Dirigenten mit wunderbaren Holz- und Blechbläserfarben koloriert erklingen. Atmende, erblühende Schlagfiguren beleben auch die Nr. 2 aus dem erst eine Dekade später entstandenen Opus 72. Direktes Vorbild Dvoráks waren die „Ungarischen Tänze“ von Brahms, in Orchesterfassungen der Nr. 1, Nr. 5 und Nr. 6 serviert Wallinger mit einer hervorragend disponierten SKB, angeführt von Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi, gänzlich unmuseale Deutungen, kitzelt den Witz aus der Partitur und umschifft alle lauernden Klassikhit-Repertoire-Klippen. 40 Jahre jung – Chapeau!
Auf tänzerische, sehnig gespannte Motorik und schlanke, quicklebendige, hochtransparente Klangästhetik bedacht, con brio, zuweilen auch mit Verve, jedoch unter Verzicht auf plakative Wirkung und ohne je zu breit aufzutragen, rührt Wallinger die imaginäre Trommel, geht in die Knie, dämpft die 1. Violinen mit der Linken. Isolierung und Ohrenspitzer zugleich dazwischen Jean Sibelius’ „Valse triste“: Auch die Bühnenmusik zu Arvid Järnefelts Drama „Kuolema“ (Der Tod) gerät so spannend und plastisch, als wäre es Szene. Je dünner die Luft (in den Bergen, im Norden), je näher die Morgenröte auch (im Osten), desto mehr ist Wallinger in seinem Element.
Einer hochalpinen Gipfelbesteigung tatsächlich nicht unähnlich dann Beethovens Violinkonzert nach der Pause. Mit keiner Solistin hat Wallinger häufiger zusammengearbeitet als mit der in Ludwigsburg geborenen Ursula Schoch. Seit mehr als 20 Jahren Konzertmeisterin des Amsterdamer Concertgebouworkest, ist die Geigerin ein so oft wie gern gehörter Gast in den SKB-Konzerten. „Rutsch’ mal ein bisschen, ich brauch’ mehr Platz“, bedeutet die Violinistin im schulterfreien, taubenblauen Abendkleid Wallinger mit einer kurzen Handbewegung. Ohne Worte verbunden und verbindlich bleibt ihre Kommunikation auch im D-Dur-Konzert. 1806 im Theater an der Wien uraufgeführt, gilt Beethovens Opus 61 als eines der bedeutendsten Werke seiner Gattung. Monumental bereits der Kopfsatz: Das Orchester bewältigt fast einen halben Sonatensatz allein, bevor die Solovioline im „Allegro ma non troppo“ einsetzt und die Themen in Figurationen transformiert. Schochs (gewissermaßen weniger von der romantischen als von der barocken Seite aus) erlesene Interpretation betont die kantable Rhetorik, gebärdet sich eher als Klangrede denn als Klangmalerei, dabei teilt die Virtuosin mit der vor allem in der Mittellage mit außergewöhnlichem Wohlklang ansprechenden Guadagnini von 1755 auch im Variationssatz („Larghetto“) und im finalen Rondo (gleich einer klugen Primadonna) hervorragend ein. Exquisit!
Autor: Harry Schmidt
weniger04.05.2024, Bietigheimer Zeitung
Unbekanntes erlebbar machen
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Die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ zeigt Flagge beim 40-Jahr-Konzert.
Bietigheim-Bissingen. Die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ nimmt seit 40 Jahren ihren Platz als Flaggschiff für klassische Konzerte in Bietigheim-Bissingen ein. Zweimal im Jahr lädt das sinfonische Orchester zu seinen beliebten Themenkonzerten in den Kronensaal ein – ein kulturelles Markenzeichen der Stadt.
Die Idee hinter dem Orchester
Am Donnerstagabend gab die klangstarke Gemeinschaft ihr Jubiläumskonzert zum 40-jährigen Bestehen, das auf einer Vision basiert: Im Jahr 1984 hatte Peter Wallinger, der bis heute das Orchester anleitet, die Idee, mit jungen Musikern aus dem Hochschulumfeld, Musikstudenten und Musikerkollegen aus dem Stuttgarter Raum, ein Orchester für Bietigheim-Bissingen zu gründen. Die Grundphilosophie, die auch heute noch immer gilt, ist ein Servicegedanke voller Empathie: Es geht darum, neue Musik vertrauter und vertraute Musik neu erlebbar zu machen. Heute vereint der professionell arbeitende Klangkörper Musiker aus der gesamten Region in Süddeutschland.
Peter Wallinger wird als Dank für 40 Jahre Engagement als Dirigent und Orchesterleiter minutenlang mit Beifall überschüttet. Noch immer wiegt er sich zur Musik hin und her. Er liebt den leichten Schwung in Antonin Dvoraks Slawischem Tanz Nr. 8 und nimmt sich das Werk mit einer spritzigen Geschwindigkeit vor.
Ein Jubiläum ist bekanntlich ein Freudenfest – und was bietet sich mehr an als „zu tanzen“, sprich berühmte Tänze von berühmten Komponisten auszuwählen? Die Stimmung ist entsprechend. Vorfreude liegt in der Luft. Der Kronensaal in Bietigheims Innenstadt ist voll bis ganz nach hinten, als sich endlich die Türen schließen und das Orchester seinen Platz einnimmt.
An der Körpersprache der Musiker und Musikerinnen beim Spiel zeigt sich: Hier sitzt keiner und macht nur Dienst nach Vorschrift. Jeder ist ganz dabei, geht voll in seiner Rolle auf und bereitet sich entsprechend so auf die gemeinsamen Proben vor, dass Intonation und Fingerfertigkeit selbstverständlich sind. Es macht Spaß zu beobachten, wie gut Peter Wallinger und das Orchester miteinander kommunizieren.
Ausgeprägte Dynamik
Das Laut-Leise-Spiel, sprich die Dynamik, ist sehr ausgeprägt. Peter Wallinger kennt die Tricks und weiß, wie sein Publikum unterhalten werden will: Flott, keine Längen oder tiefschürfend mit viel Leidenschaft.
Zweiteres kommt in Jean Sibelius Valse triste zum Tragen. Dissonanzen bestimmen gegen Ende die Szenerie, ein typischer Sibelius. Das Orchester schlüpft wieder gekonnt hinter die Noten und bemüht sich, sie so zu interpretieren, dass der Komponist selbst seine Freude daran gehabt hätte.
Solistin Ursula Schoch
Mit Ungarischen Tänzen von Johannes Brahms vor der Pause verbreitet sich das Tanzfeuer weiter. Doch das junge Orchester bereitet bereits die Spur für Solistin Ursula Schoch vor, die nach der Pause jede Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Sie ist eine Beethoven-Spezialistin an der Geige und intoniert dessen Violinkonzert in D-Dur auswendig mit einer Klasse, die man suchen kann. Ursula Schoch klettert mit flinken Fingern souverän den Geigenhals hoch und runter und schafft ohne Klimmzug auch die ganzen hohen Liegenoten.
Beethoven schenkt ambitionierten Solisten nichts, die sich durch sein Violinkonzert kämpfen. Das funktioniert nur mit sehr fortgeschrittener Bogentechnik und superlativ gut geschulten Fingern, sowie einer Extraportion Einfühlungsvermögen in die Tonsprache des Komponisten. Die Solistin war schon bei den Berliner Philharmoni- kern aktiv und ist seit 2000 Konzertmeisterin im Concertgebouw-Orchesters Amsterdam.
Die Jahrhunderte alte Meistergeige von Giovanni Battista Guadagnini mag das Ihre dazu beitragen: Jedenfalls macht Ursula Schoch, den Platz als Teufelsgeigerin des Abends keiner streitig. Die Disziplin, die sie an den Tag legt in Intonation und Technik, ist atemraubend. Der Beifall hört nicht auf, bis Schoch die Geige noch einmal an den Hals nimmt und ein kleines Largo spielt – am Ende ohne Orchester.
Aurtorin: Susanne Yvette Walter
weniger16.01.2024, Marbacher Zeitung
Mit Bach gegen die düsteren Perspektiven
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Werke des Meisters bildeten den Rahmen für das Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in Murr.
MURR.Kann Musik helfen, mit düsteren Perspektiven der Gegenwart besser zurechtzukommen? Zweifellos weckt Musik Emotionen. Beim traditionellen Neujahrskonzert der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in Murr setzte das Ensemble auf einen großen Namen: Johann Sebastian Bach. Maiken Wallinger, die moderierte, kennzeichnete seine Musik als „etwas Wohltuendes, Verbindendes, sogar Friedenstiftendes,“ gewissermaßen eine Kraft, die gegen die Unbilden der Zeit hilft. Sie zitierte den zweiten Bach-Sohn Emanuel: „Musik soll Herzen in Bewegung setzen.“
Ein Zitat des Pianisten James Rhodes über Bachs Musik war das Motto des Abends: „Hört dieses. Hier ist Musik.“ Unter der bewährten Leitung von Peter Wallinger spielte die Kammersinfonie Stücke des Komponisten, darin eingebettet weitere Werke von Komponisten vor allem aus dem frühen Barock. Die 13 Streicherinnen und Streicher nahmen die Besucher im Bürgersaal mit auf eine klangvolle Reise. Das Publikum erlebte emotional dichte Musik und starke Auftritte von Solistinnen.
Eine dieser Solistinnen war Barbora Hulcova, eine Künstlerin aus Prag, die auf historischen Lauteninstrumenten musiziert. Sie trat mit einer Theorbe auf, einer eindrucksvollen, großen Basslaute aus dem Frühbarock. Deren tiefe und dunkle Stimme bereicherte nicht nur das Orchester bei einer Reihe von Stücken. Hulcova begleitete auf der Theorbe auch die Sopranistin Juliane Brittain. Die freischaffende Künstlerin, die mehrere Jahre in Großbritannien gelebt hat, sang drei alte englische Lieder.
So zum Beispiel „Flow my tears“ von John Dowland, der von 1536 bis 1626 lebte. Brittain traf mit ihrer ausdrucksstarken Stimme einfühlsam den melancholischen Grundton dieses Liedes. Die Sopranistin bewies mit „If music be the food of love“, komponiert von Henri Purcell (1659 – 1695), das breite Spektrum ihres Könnens: Sie interpretierte dieses Lied voller Gefühl, unterstrich mit ihrer Gestik Passagen wie „I must perish by your charms unless you save me in your arms“ – Ich müsste durch deinen Liebreiz sterben, wenn du mich nicht in deinen Armen rettest.
Das Thema des Abends aber war und blieb Bach. Die Aria aus den Goldberg-Variationen gab den Rahmen für das gesamte Konzert. In der Besetzung mit der Theorbe spielte das Orchester Bachs Ricercare à 6; die Instrumente vereinigten sich zu einem großartigen Klanggemälde.
-Ein rundum gelungenes, teils überraschendes, lehrreiches und hochklassiges Neujahrskonzert, vom Publikum mit viel Beifall bedacht.-
Ein Höhepunkt war das Brandenburgische Konzert Nummer 6 B-Dur, eine anspruchsvolle Komposition Bachs mit kleiner Besetzung: Zwei Solo-Violen, gespielt von Andrea Lamoca-Alvarez und Lilia Rubin, setzten mit ihren tiefen Tönen ein, Celli und Kontrabass und auch die Theorbe antworteten und variierten. Sehr bewegend das Allegro zum Auftakt, angetrieben von der Spielfreude der beiden Solistinnen. Melancholische Gefühle rief das Adagio hervor, bevor das abschließende Allegro in ein großartiges Finale mündete. Heftiger Beifall belohnte das starke Spiel der Künstlerinnen und Künstler.
Auch das einzige neuere Stück des Abends, das Impromptu op. 5 des finnischen Komponisten Jean Sibelius, weckte intensive Gefühle. Obwohl es nur ein paar Minuten dauert, gibt es doch sehr unterschiedliche Stimmungslagen wieder: ein Klangbild, inspiriert von der ursprünglichen Natur des skandinavischen Landes, Sehnsucht und Nachdenklichkeit, aber auch ausgelassene Freude. Das Orchester meisterte alle Wechsel virtuos. Eindrucksvoll verklangen am Ende selbst Celli und Kontrabass wie in einem kaum noch hörbaren Hauch.
Noch einmal erfüllte Bachs Musik den Saal, zum Ausklang mit der Aria, wie ein Gruß des Komponisten zum Abschied.
Fazit: Ein rundum gelungenes, teils überraschendes, lehrreiches und hochklassiges Neujahrskonzert in Murr, vom Publikum mit viel Beifall bedacht. Waltraut Menzel vom Kulturamt der Gemeinde überreichte Blumensträuße an die Akteurinnen und Akteure. Peter Wallinger kommt nun schon seit mehr als 20 Jahren für diese Konzerte nach Murr – und so Menzel: „Wir hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt.“ Gewiss doch: Bachs Musik setzt Herzen in Bewegung, und die Süddeutsche Kammersinfonie hat sie dem Publikum gekonnt nahegebracht.
Autor: Arnd Bäucker
weniger16.01.2024, Ludwigsburger Kreiszeitung
Ein tiefgründiger Kontrapunkt
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Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim überzeugt bei den Neujahrskonzerten
MURR. Ein sorgsam abschattiertes, gewissenhaft-verhaltenes und doch umso wirkungsvoller in leuchtend klar gezeichneten Konturen aus der Dunkelheit von Jahreszeit und Weltenlauf hervortretendes Glimmen und Glosten — hochspannend und von der Aura des Klandestinen umgeben wie das Chiaroscuro in einem Gemälde von Georges de La Tour wirkt die Farbe dieses ersten Neujahrskonzerts der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) im Murrer Rathaus. Anderntags stehen die Termine in Mühlacker und Bietigheim an. Auch in Murr blickt diese Veranstaltung auf eine über 20-jährige Tradition zurück, entsprechend gut besucht präsentierte sich der Bürgersaal der Gemeinde - ganz offenkundig stellt das Neujahrskonzert der SKB hier ein erstrangiges gesellschaftliches Ereignis im kommunalen Kulturkalender dar.
Spannend bis zuletzt blieb es auch hinter den Kulissen: Erst eine Stunde vor dem Auftritt war Barbora Hulcovä wieder eingetroffen - die Tschechin hatte zwischen Proben und Konzertwochenende noch Engagements in Basel zu absolvieren -, nun sitzt sie da mit ihrer Theorbe, umringt vom Halbkreis der in 13-köpfiger Besetzung angetretenen SKB, als Peter Wallinger den Taktstock hebt, um mit der „Aria“ aus Johann Sebastian Bachs „Goldberg-Variationen“ (BWV 988) das erste Konzert seines 1984 gegründeten Orchesters im noch jungen Jahr zu eröffnen. Würdevoll und grazil, in schlichter Schönheit schreitet dieser einer gravitätischen Sarabande verwandte Instrumentalsatz einher - ein apollinischer Auftakt, angemessen andächtig und behutsam gestaltet.
„Hört dieses. Hier ist Musik“ — mit diesem Wort des Pianisten James Rhodes, das Bach dem unter Komponisten gemeinhin vorherrschenden „Hier bin ich“- Marktgeschrei gegenüberstellt, war das Programm überschrieben, Werke des Thomaskantors bildeten den verbindlich-verbindenden roten Faden darin. Diesem und anderen Gedanken über dessen Musik gab Maiken Wallinger Ausdruck, die bereits seit langem an der Gestaltung des literarischen Anteils der Neujahrskonzerte beteiligt ist. Von Die Zeit-Autor Alard von Kittlitz stammt der vielleicht instruktivste: „Es gibt in dieser Musik kein Oben und Unten. Kein Haupt und Neben, kein Groß und Klein. (…) Im Kontrapunkt ist alles eins.“
Präsenz und Resonanzvermögen
Hörbar illustriert wurde diese Einschätzung durch die sechsstimmige Proto-Fuge aus dem „Musikalischen Opfer“ (BWV 1079), ausgezeichneten Eindruck im von Wallinger mit Übersicht gestalteten „Ricercar. á 6.“ wie auch im weiteren Verlauf hinterließ Konzertmeisterin Andrea Langenbacher, als Stimmführerin der 2. Violinen seit langem ein vertrautes Gesicht in den Reihen des SKB, vorzüglich in der heiklen Balance von Präsenz und Resonanzvermögen.
Dem im Ricercar angelegten Rückbezug auf die Renaissance trug Wallinger mit zwei Tanzsätzen John Dowlands Rechnung, mit geradezu jugendlichem Elan geformt die dem seinerzeitigen König von Dänemark gewidmete Galliarde, noch dynamischer die George Witehead zugeeignete Allemande.
In Dowlands berühmtem „Flow my tears“ gelang Wallinger eine wundervolle, ganz dem Titel entsprechende Wiedergabe mit der SKB und Sopranistin Juliane Brittain, die auch Henry Purcells „If music be the food of love“ und „Music for a while“ sehr ansprechend interpretierte.
Wahre Begeisterungsstürme erntete dann Bachs „6. Brandenburgisches Konzert“ mit den Bratschensolistinnen Andrea Lamoca Alvarez und Lilia Rubin nach der Pause, atmosphärisch gerahmt durch Sibelius „Impromptu Op.5“ und, analog zu den „Goldberg-Variationen“, die finale Reprise der „Aria“, die nun, obgleich in den Notenwerten unverändert, den Charakter eines Wiegenlieds anstelle eines Vorhangs annimmt. Ein tiefgründiger Kontrapunkt in Sachen Neujahrskonzert.
Autor: Harry Schmidt
weniger15.01.2024, Pforzheimer Zeitung
Ein intimes Musik-Mosaik
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Neujahrskonzert der Sueddeutschen Kammersinfonie im Uhlandbau.
Meistens knallen bei Neujahrskonzerten die Sektkorken im Walzer- und Polka-Reigen. Beim traditionell späten Konzert, mit dem die Sueddeutsche Kammersinfonie Bietigheim unter Peter Wallingers Leitung im Mühlacker Uhlandbau das neue Jahr begrüßt, gibt es musikalische Knaller selten, das Schaumgetränk nur während der Pause. Auch heuer präsentierten die Akteure ein sehr intimes Kammerkonzert - hauptsächlich melancholisch eingefärbte Stücke aus der höfisch-fürstlichen Epoche des Barock mit Schwerpunkt um Johann Sebastian Bach. Denn der barocke Großmeister bietet - so führte Maiken Wallinger in Ihren Textbeiträgen aus - gerade in unserer unruhigen Zeit „etwas Wohltuendes, Zufriedenstellendes‘.
Um das fein gegliederte Musikprogramm legte das Ensemble als Rahmen eine Orchesterfassung der schlichten „Aria” aus Bachs Goldberg-Variationen (BWV 988). Meditativ und kontrapunktisch anspruchsvoll musizierte das Kammerensemble Bachs „Ricercare á 6" aus dem „Musikalischen Opfer” (BWV 1079) nach dem Iegendären Thema, das Friedrich der Große dem Komponisten gestellt hatte. Als reizvollen Grenzfall zwischen Orchester- und solistischer Kammermusik interpretierten sechs Streicher und eine Theorbe-Spielerin Bachs Brandenburgisches Konzert Nr. 6 (BWV 1051). Das solistisch dominierende Bratschen-Paar (Andrea Lamoca Alvarez und Lilia Rubin) jagte sich temperamentvoll im ersten Satz, im Adagio umrankten sich beide Violen in kontemplativen Linien, im finalen Allegro leuchteten virtuose Sechzehntelketten.
Konzerthöhepunkte markierten zwei weitere Solistinnen mit Kompositionen von John Dowland und Henry Purcell. Gemächlich schreitend leitete das Orchester ein, dann sang die in Knittlingen beheimatete Sopranistin Julian Brittain mit berührend dunklem, sanftem Timbre Dowlands berühmtes Lied „Flow My Tears“. Aus vier simplen, im Quartgang absteigenden Tönen entfaltete sich trauernder Trennungsschmerz. Zur zart gezupften Theorbe (mit Lautinistin Barbora Hulcová) interpretierte die Sopranistin zudem Purcels „Music For A While" und dessen nach Shakespeare komponierte Schauspiel-Lied „If Music Be The Food Of Love“. Zu dieser seelenvollen Stimmung passten Dowlands „Sir John Smith His Almain“ für Laute solo (mit Hulcová) und das neuzeitlich-beschauliche, vom Kammerensemble mit verhaltenem Schönklang wiedergegebene Impromptu op.5 von Jean Sibelius. Auch die Zugabe - „Lascia ch'io pianga” aus „Rinaldo” von Händel mit der Sopranistin und dem Orchester - fügte sich wunderbar in das mit viel Applaus bedachte Matinee Konzert ein.
Autor: Eckehard Uhlig
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